Freitag, 30. Mai 2008

Michael Clayton (Kino Review) [Nachtrag]

Nachträglich das Review zum für mich bisher besten Film des Jahres vom 30.3: 




Michael Clayton

Michael Clayton ist Anwalt der grossen Anwaltskanzlei "Kenner, Bach & Leedens". Dort hat er eine nicht gerade gewöhnliche Stellung, denn er ist schon Jahre nicht mehr vor einem Gericht gestanden, sondern hat die Aufgabe, bei brenzligen Situationen einzugreifen. Er ist der Müllmann. Und so klingelt bei ihm auch als erstes das Handy, als Arthur Edens verhaftet wurde, nachdem er sich während Verhandlungen nackt ausgezogen hat. Die Sache ist äusserst heikel dank der Tatsache, dass Edens seit 6 Jahren einen Fall betreut, in dem er den gigantischen Agrar-Konzern U/North gegen eine Sammelklage von 3 Milliarden Dollar verteidigt. Auf gut Deutsch: Wenn etwas schiefläuft, ist "Kenner, Bach & Leedens" geliefert.

Wenn man "Michael Clayton" zusammenfasst, hört sich das verdächtig nach "Erin Brockovich" an. Ja, es geht auch hier um arme Bürger, die gegen ein skrupelloses Riesenunternehmen kämpfen. Anwalts- und Gerichtsfilme haben in Hollywood schliesslich eine gewisse Tradition und es gibt sie in x-facher Ausführung. Tony Gilroy's "Michael Clayton" - auch wenn viele klassische Elemente vorhanden sind - könnte sich nicht deutlicher davon abheben. Dramatische Gerichtsszenen, pathetische Monologe und auf die Tränendrüsen drückenden Kitsch sucht man hier vergebens. Der Film ist weit entfernt von einer simplen David-gegen-Goliath-Story. Denn vor allem zu Beginn kommt die Handlung sehr konfus und verstrickt daher, und es ziehen sich auch später noch viele Nebenstränge durch den Film. Es ist bald klar: Da hat sich ein Drehbuchautor mächtig ausgetobt. Tony Gilroy, der Schreiber der "Bourne"-Trilogie, fährt mit vollem Geschütz auf und bombardiert den Zuschauer förmlich mit ausgefeilter Struktur (Zeitebenen!), meisterhaften Dialogen und einem nicht allzu schnell zu durchschauenden Plot. Kein Film, den man nebenbei am TV schauen kann. Mitdenken ist gefordert. Das Drehbuch ist das erste grosse Plus des Filmes.

Das zweite grosse Plus ist die Tatsache, dass Gilroy beweist, dass er nicht nur Scripts schreiben kann, sondern dass er auch der geborene Regisseur ist. Er hat sein Drehbuch perfekt umgesetzt, mit einer ruhigen, durchweg spannenden Inszenierung und einer fantastischen Optik, die ich nicht richtig beschreiben kann. Auch der Rest der Crew macht seine Sache gut, von der Kamera bis zum Soundtrack made by Altmeister James Newton Howard.

Das dritte grosse Plus verteilt sich auf drei weitere Säulen mit den Namen George Clooney, Tom Wilkinson und Tilda Swinton. Alle drei spielen einfach unglaublich gut und es ist ihnen zu verdanken, dass der Film so aussergewöhnlich ist. Ich habe selten einen Film gesehen, der schauspielermässig dermassen harmoniert. Als erstes ist da natürlich Mr. Nespresso himself, dem man noch am ehesten etwas vorwerfen kann. Ich fand ihn toll, auch wenn man zugeben muss, das irgendwie Clooney halt Clooney ist. Von Tom Wilkinson habe ich bisher eher wenig wahrgenommen, da er ja meist Nebenrollen belegt. In Eternal Sunshine of the Spotless Mind
 gefiel er mir, aber speziells in Erinnerung blieb seine Performance nicht. Als undurchschaubaren, scheinbar verrückten Arthur Edens werde ich ihn nicht so schnell vergessen, das kann ich sagen. Wenn er zu Beginn einen langen Monolog vorträgt oder wenn er mit Clayton's Sohn telefoniert, ist das Schauspielkunst, die man kaum überbieten kann. Auch Tilda Swinton ist exzellent als kalte, rücksichtslose Antagonistin. Plump ist ihre Figur aber deshalb keineswegs, denn sie ist nicht einfach die "Böse", sondern ein Mensch, der in einer solch hohen Position einem kaum auszuhaltenden Druck ausgesetzt ist.
Der Film kann sich also voll und ganz auf seine drei Schauspieler stützen, welche ja auch alle für den Oscar nominiert wurden. Es ist natürlich reines Pech, dass bei Clooney und Wilkinson die Konkurrenz schlicht unschlagbar war. Gegen einen Daniel Day-Lewis (There Will Be Blood) und einen Javier Bardem (No Country For Old Men) kann man ja nur verlieren. Immerhin hat Swinton als beste Nebenrolle gewonnen, was ich für absolut verdient halte. Und übrigens muss ich sagen, dass Michael Clayton in meinen Augen den Drehbuch-Oscar mehr verdient hätte als Juno.

Ich hatte keine allzu grossen Erwartungen, als ich ins Kino ging, da sich die Grundstory wie gesagt ziemliche gewöhnlich anhört und auch der Trailer nicht sooo der Überflieger war. Den Film fand ich aber perfekt. Es fällt mir kein passenderes Wort sein, denn ich weiss wirklich nicht, was ich auf der negativen Seite gross anführen soll. Dass Tilda Swinton zu wenig Auftritte hat? Dass die Story im Endeffekt ein wenig zu banal ist? Dass die Endauflösung zu gewöhnlich sei? Dass die Flut an Informationen anfangs unnötig gross ist?
Nein, das sind für mich alles keine Minuspunkte. Ich kann es nicht anders sagen, ich bin vollständig begeistert von "Michael Clayton". Gut möglich, dass andere Leute den Film als nicht ganz so stimmig empfinden. Und massen- bzw. mainstreamtauglich ist er natürlich nicht.

"Michael Clayton" ist ein Thriller, wie man es nicht alle Tage sieht: Ein cleveres Drehbuch gekonnt klassisch verfilmt und hochkarätig besetzt. Ein Meisterwerk, das den interessierten Zuschauer zwei Stunden in den Bann zieht. Bisher der beste Film des Jahres.

abgerundet ca. 9 von 10 Punkten

„I am Shiva, the god of death!“

1 Kommentar:

Adalira hat gesagt…

Und wieder einen Film, den ich wahrscheinlich nicht gesehen hätte, wäre er nicht auf deiner Liste. Zu banal klingt die Story, auch wenn es hier um Anwälte geht -eine Berufsgattung, welche für mich als Jusstudentin natürlich schon eine gewisse Faszination ausübt. Der Vergleich mit Erin ist naheliegend, doch diese Story wirkt "realistischer". Die Gattung Anwalt, welche völlig in einem Fall aufgeht und alles andere darüber vernachlässigt, ist keineswegs Fiktion. Genausowenig die "Unberechenbarkeit", welche jetzt schon unter meinen Studienkollegen als guter Trick in der Verfahrenstechnik gilt.
Das Ende wird wohl bewusst offen gehalten. Was ist mit der Kanzlei, was mit der Bar? Wird Michael weiterhin spielen? All diese Fragen sind meiner Ansicht nach nicht geklärt. Schade eigentlich... Denn gerade die Konsequenzen von Michaels Verhalten wären interessant gewesen.
Tilda hat ihren Oskar mehr als nur verdient. Hervorragend mimt sie das ganze Spektrum einer mächtigen und doch zerbrechlichen Person. Clooney war nur mässig überzeugend... Hübsch ist er ja (und das trotz grauer Haarpracht...), aber leider unterscheidet sich seine Performance nicht wirklich vom Auftritt in den Nespresso-Werbungen. Den düsteren Halbanwalt-Halbvater-Halbbösewicht-Typen nehme ich ihm nicht ab...
Der Showdown am Ende war irgendwie voraussehbar. Ein etwas gar einfaches Ende einer so raffiniert eingefädelten Geschichte.
Fazit: Zweimal sehen werde ich diesen Film nicht. Er wäre wahrscheinlich auch nicht in meiner Top Ten. Trotzdem bietet der Film gute Unterhaltung - abseits von (fast) allem Anwaltskitsch.