Sonntag, 27. September 2009

Writer-Directors



Die besten Drehbuchautoren Amerikas

Muss ein guter Regisseur auch seine Drehbücher selbst schreiben? Eine Frage, um die unter Filmschaffenden und -interessierten seit Anbeginn des Kinos gestritten wird. Oft wird dabe die filmische Welt polemisch in eine bipolare Ordnung eingeteilt - hier Europa mit seinem anspruchsvollen "Auteur"-Film, dort Amerika mit seinem kommerziell durchdrungenen Studiosystem. Ohne Frage trifft das auch in der Zeit nach dem "New Hollywood" noch auf viele sogenannte "Blockbuster-Regisseure" zu, welche oftmals auch den Posten des Produzenten bekleiden, und selbstverständlich kann ein Regisseur reihenweise fantastische Filme machen, ohne sich auch nur einmal an die Schreibmaschine zu setzen - man denke nur an David Fincher.
Trotzdem darf man nicht vergessen, dass es heute zahlreiche angesehene amerikanische Regisseure gibt, die nebenbei eben auch grossartige Autoren sind und die Stories zu ihren Werken bevorzugt selbst schreiben. Anderseits gibt es natürlich genauso Drehbuchautoren, die irgendwann ins Regiegeschäft einsteigen und auch dort glänzen - Paul Haggis beispielsweise.

Da ich der festen Überzeugung bin, dass der Einfluss eines guten Drehbuchs auf das Gelingen eines Filmes vielerorts unterschätzt wird, möchte ich also an dieser Stelle die meiner Meinung nach grössten "Writer-Directors" des aktuellen amerikanischen Kinos würdigen. Es sind diejenigen Regisseure, denen ich - nicht ganz, aber beinahe - blind vertraue, weil man stets davon ausgehen kann, dass neben der Optik auch in die Story ihrer Filme die gewohnte Sorgfalt investiert wurde.

Hier also - wie es sich gehört - in Form einer Top 10:


1. Christopher & Jonathan Nolan


Die meiner Meinung nach besten Drehbuchautoren des heutigen Kinos sind die Brüder Christopher und Jonathan Nolan. Die beiden Briten scheinen sich perfekt zu ergänzen und führen seit Jahren eine ausgesprochen fruchtbare Geschäftsbeziehung, die sich weniger in Quantität denn in Qualität auszeichnet. So haben sie bisher erst drei Drehbücher zusammen geschrieben (während Christopher ausserdem bei Insomnia und Batman Begins Regie geführt hat), doch daraus sind drei der bisher besten Filme des Jahrzehnts geworden. Mehr noch - ich persönlich würde "Memento" ohne zu Zögern als eines der besten Drehbücher aller Zeiten einstufen.

Filmographie:
Memento, The Prestige, The Dark Knight

2. Joel & Ethan Coen


Schon wieder zwei Brüder! Es gibt kaum etwas zu schreiben über die jüdisch-stämmigen Joel und Ethan Coens aus Minnesota, was nicht schon geschrieben wurde. Seit den 80ern sind die beiden im amerikanischen Indepentent-Film präsent und können eine bis heute ungebrochenen Schaffenskraft vorweisen. Dank "Frago" und "The Big Lebowski" wurden sie Ende des letzten Jahrtausends dem breiteren Publikum bekannt, blieben sich und ihrem Stil jedoch treu und konnten mit "No Country for Old Men" 2007 sogar einen Oscar-Abräumer verbuchen. Ganze 13 Filme haben sie seit ihrem Erstling "Blood Simple" 1984 schon abgedreht, wobei sie stets das Script zusammen schreiben, während Joel meistens als Regisseur und Ethan als Produzent aufgeführt wurde. Aber so genau lässt sich das wohl nicht trennen, denn man sagt, die Coens könnten in dieser Hinsicht als Zwillinge durchgehen, so sehr stimmen ihre Visionen von einem Film jeweils überein. Auf jeden Fall gehören sie zu den cleversten Drehbuchautoren der heutigen Zeit und verblüffen jedes Mal aufs Neue mit Geschichten voller skurriler Figuren, unvorhersehbaren Wendungen und rabenschwarzem Humor. Der 21. Januar 2010 sollte bei jedem Fan rot im Kalender eingetragen sein, denn da startet A Serious Man, ihr nächster Film.


Gott sei Dank hat Charlie Kaufman letztes Jahr mit Synecdoche, New York sein Regiedebüt abgeliefert (Kritiken nach ein Überragendes), sonst könnte ich ihn nicht in dieser Liste aufführen. Doch hier gehört er ohne wenn und aber hin, gibt es doch heutzutage kaum Drehbuchautoren im Indepentent-Bereich, die sich mit ihm messen können. Müsste man eine typische Kaufman-Story mit einem Wort umschreiben, wäre es "bizarr". Man denke nur an "Being John Malkovich", wo die Handlung darin besteht, dass jemand in einem Büro eine Geheimtür findet, die direkt in den Kopf von John Malkovich führt. Oder an "Eternal Sunshine of the Spotless Mind", der grösstenteils aus einer surrealen Reise durch das Gedächtnis der Hauptperson besteht. Abstruse Storyideen alleine machen selbstverständlich noch keinen guten Film, doch was Charlie Kaufman auf dem Papier daraus zu zaubern vermag, ist schlicht und einfach meisterhaft. Was seine Drehbücher neben höchst durchdachten Plots auszeichnet, ist stets eine - trotz künstlerisch "abgehobenen" Themen - unglaubliche Nähe zum Leben, die sich in ergreifend menschlichen Figuren manifestiert. Dazu kommt, dass seine Drehbücher gewöhnlich von kompetenten Regisseure umgesetzt werden - sei es von Spike Jonze oder Michel Gondry. Es bleibt zu hoffen, dass Kaufmans kreative Ader nicht abbricht und er sich zukünftig auch als Regisseur zu weiteren Höhenflügen aufschwingen kann.

Filmographie: (Auszug)
Being John Malkovich, Adaptation., Eternal Sunshine of the Spotless Mind

4. Quentin Tarantino


Kaum ein Filmschaffender hat in den letzten Jahrzehnten so sehr polarisiert wie der ehemalige Videothek-Mitarbeiter aus Tennessee mit dem klangvollen Namen Quentin Tarantino. 1992 erregte er mit "Reservoir Dogs" Aufsehen, schuf mit "Pulp Fiction" den Kultfilm eines Jahrzehnts und hat sich seither als eigenwilliger Genreregisseur etabliert. Seine Drehbücher schreibt er dabei selbstverständlich immer selbst und spickt sie mit Zitaten aus der ganzen Filmgeschichte, die nicht einmal der eingefleischteste Filmfan alle erkennt. Als Markezeichen kann man jedoch in erster Linie seine ausschweifenden, bis zur Perfektion geschliffenen Dialoge und den ausgiebigen Einsatz von Gewalt sehen, was er bisher in allein seinen Filmen zelebriert hat und ihm von vielen Seiten auch Kritik einbringt. Viel wichtiger ist schlussendlich jedoch die Tatsache, dass Tarantino der vielleicht einzige Regisseur im "Big Business" ist, der sich praktisch alle Freiheiten gönnen und seine künstlerischen Absichten ungehemmt durchsetzen kann. Dies mag nicht nur positive Nebeneffekte haben, nichtsdestotrotz gehört Tarantino zu den interessantesten Filmemachern unserer Zeit - gerade weil er niemals Durchschnitt produziert - und hat ohne Zweifel ein unvergleichliches Händchen für furios strukturierte, hervorragend geschriebene und höchst cinephil durchdrungene Drehbücher. Umso befriedigender, dass er mit "Inglourious Basterds" wieder einen grossen Erfolg verbuchen konnte.

Filmographie: (Auszug)
Reservoir Dogs, Pulp Fiction, Death Proof, Inglourious Basterds

5. Andrew Stanton


Ich bin der Meinung, dass der anhaltende Erfolg der Animationsschmiede Pixar weniger in der jeweils bahnbrechenden Machart der Filme, denn in unglaublich gut geschriebenen Drehbüchern liegt. Denn Pixar ist im Gegensatz zu oft eher durchschnittlicheren Animationsfilmen aus dem Hause Dreamworks oder Sony Pictures stets in der Lage, Geschichten zu erzählen, welche Zuschauer von jung bis alt bewegen und erstaunen. Hauptantrieb (unter anderem) ist dabei Andrew Stanton, für "Toy Story", "Finding Nemo" und WALL-E für den Oscar in der Kategorie Originaldrehbuch nominiert. Zusammen mit Pixar-Kollegen wie John Lasseter oder Brad Bird (siehe unten) hat er computergenerierte Welten geschaffen, die dank unverwechselbaren Charakteren weit echter wirken als die meisten Realfilme. Stantons grossartigste Werke sind bisher "Monster, Inc." und "Finding Nemo".

Filmographie:
Toy Story 2, Monster, Inc., Finding Nemo, Wall-E

6. Paul Haggis


Der Kanadier Paul Haggis ist nach langjährigem Schaffen als TV-Autor erst 2004 zu den Regisseuren gestossen. Mit dem erschütternden Sozialdrama Crash räumte er den Oscar für den besten Film und das beste Drehbuch ab und gab dem Autorenfilm in Hollywood neuen Aufwind. Seitdem hat er auch mit In the Valley of Elah überzeugt, während er nebenbei brillante Drehbücher für Filme wie Million Dollar Baby und "Casino Royale" schrieb. Zwar wird nicht alles, was er anfasst, zu Gold, wie im letztjährigen Quantum of Solace zu bemerken war, trotzdem hat kaum ein Autor in derartiger Weise handwerkliches Geschick und ein Auge für die soziale Situation Amerikas wie Haggis.

Filmographie: (Auszug)
Crash, Million Dollar Baby, Flags of our Fathers, Letters from Iwo Jima (nur Story), Casino Royale, In the Valley of Elah

7. Paul Thomas Anderson


1997 wurde der geborene Kalifornier Paul Thomas Anderson für seinen zweiten Spielfilm "Boogie Nights" für den Drehbuch-Oscar nominiert und als talentierteste Neuentdeckung seit langem bejubelt. Dies geschah wohl nicht ohne Grund, lieferte Anderson zwei Jahre später doch den Grossstadt-Episodenfilm "Magnolia" und vorletztes Jahr das Öl-Epos There Will Be Blood mit dem überragenden Daniel Day Lewis. Gemein haben alle diese Filme, dass sie eigentlich nur mit dem Adjektiv "gross" zu umschreiben sind. Anderson macht zwar keine tricktechnisch aufwändige oder in fremden Welten spielende Blockbuster, aber seine Filme haben stets eine Laufzeit von über zweieinhalb Stunden und porträtieren etwas "Grösseres", sei es eine ganze Generation über ein Jahrzehnt (im Falle von "Boogie Nights"), die moderne Gesellschaft (im Falle von "Magnolia") oder einen Teil der amerikanischen Geschichte am Beispiel eines Mannes (im Falle von "There Will Be Blood"). So bieten seine meisten Filme eine grosse Anzahl an Figuren und eine sehr komplexe Handlung. Unglaublich erfrischend an Andersons Geschichten ist sein überragendes Handwerk, sein Auge für das Herz einer Figur und seine ehrliche, ausbalancierte und entlarvende Erzählweise. Andersons Filme sind wie das Leben selbst - ein gewaltiges Auf und Ab und unheimlich spannend.

Filmographie: (Auszug)
Boogie Nights, Magnolia, There Will Be Blood

8. Tony Gilroy


Schade, bot das Oscarjahr 2007 so viele auszeichnungswürdige Exponenten, sodass der Politikthriller Michael Clayton trotz sieben Nominationen praktisch leer ausging. Das Regiedebüt vom New Yorker Tony Gilroy verblüffte neben fantastischen Schauspielern nämlich auch durch ein klassisches, nicht minder überzeugendes Drehbuch. Gilroy, welcher sich in letzter Zeit als Drehbuchautor der Bourne-Trilogie einen Namen machte, ist seit bald zwanzig Jahren in diesem Business tätig und verfügt mittlerweile über ein überaus solides Handwerk. Der Politikthriller scheint ihm am meisten zu liegen, erst dieses Jahr überzeugte er nämlich wieder als Co-Autor in "State of Play". Es bleibt zu hoffen, dass er zukünftig auch noch andere Genres mit der selben Finesse erschliesst.

Filmographie: (Auszug)
The Bourne Ultimatum, Michael Clayton, State of Play

9. Brad Bird


Wenn man Andrew Stanton erwähnt (siehe oben), kommt man wohl auch um den Namen Brad Bird nicht herum. Der Regisseur und Drehbuchautor arbeitete zuerst für Disney, anschliessend kurz für Warner Bros. und wechselte schliesslich zu Pixar, wo er die beiden Hits "The Incredibles" und "Ratatouille" schrieb und inszenierte (beides Mal wurde er für den Oscar für das beste Originaldrehbuch nominiert). Noch bei Warner Bros. schuf er ausserdem den wunderschönen Trickfilm "The Iron Giant", welcher leider kein übermässiger Erfolg war.

Filmographie:
The Iron Giant, The Incredibles, Ratatouille

10. James Cameron


Seit The Terminator ist der Kanadier James Cameron eine feste Grösse im Big-Budget-Geschäft Hollywoods. Kaum ein Regisseur hat mit seinen Filmen insgesamt so viel Geld eingenommen und nicht nur mit "Titanic" hat er (inklusive elf Oscars) Filmgeschichte geschrieben. Ein bedeutender Grund dafür ist auf jeden Fall, dass Cameron sich stets mehr als viele seiner Kollegen um die Geschichte seiner Filme kümmerte und alle seine Drehbücher selbst verfasste. Von seinem Science Fiction-Meilensteinen wie "Aliens" oder "The Abyss" bis hin zum vielleicht grössten Actionfilm der 90er, Terminar 2: Judgement Day, bestechen nicht alle, aber die meisten von Camerons Filmen trotz Mainstream durch Geschichten, die nicht nur ausgewogen und unheimlich spannend sind, sondern eben auch einen echten Kern haben. Das allein ist schon Grund genug, mit hohen Erwartungen dem Kinostart von Avatar am 17. Dezember entgegenzusehen.

Filmographie: (Auswahl)
The Terminator, Aliens, The Abyss, Strange Days, Titanic

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

nice list of great screenwriters
thx
steven huber
www.steven-huber.com

Susan hat gesagt…

Sehr schöne Beschreibungen dieser Drehbuch- und Filmikonen!

Übrigens hat Andrew Stanton in 2012 ein paar Geheimnisse des PIXAR-Storytellings gelüftet (auf englisch):

http://www.youtube.com/watch?v=KxDwieKpawg&list=PLQqYA4gC8uP_O-Qd-b-TuYQQSUneA8vpF&index=1