Donnerstag, 30. Oktober 2008

Burn After Reading (Kino Review)



Burn After Reading


Sie habens wieder getan. Die Brüder Joel und Ethan Coen, ihres Zeichens verantwortlich für grossartige Filme wie Fargo, The Big Lebowski und No Country for Old Men, geben den Kinoleinwänden diesen Herbst zum 13ten Mal die Ehre. Mit Burn After Reading kehren sie nicht nur zurück in die Gefilde der Komödie, es gibt auch ein wiedersehen mit den Coen-Veteranen George Clooney und Frances McDormand.

Handlung:
Und wieder mal beehrt uns ein Film, bei dem es weder besonders befriedigend noch aufschlussreich ist, seine Handlung zusammenfassen zu versuchen. Gibt es hier überhaupt so etwas wie eine echte Handlung? Es gibt Figuren mit ihren Geschichten, etwa Osbourne Cox, ein Ex-CIA-Mitarbeiter, der nicht mehr so ganz zufrieden ist mit seinem Leben und auch mit seinen Momoiren nicht vorwärts kommt, Linda Litzke, eine alleinstehende Mitarbeiterin eines Fitnesscenters, die mit vier verschiedenen Schönheitsoperationen ihr weibliches Selbstwertgefühl aufzupeppen hofft und das Geld dazu nicht hat, oder Harry, ein dauersportlicher, jungebliebener Womanzier, der sein Leben zwischen Betten von Ehefrauen und einsamen Singlefrauen führt. Und inmitten all dieser Figuren taucht irgendwann eine CD mit streng geheimen CIA-Daten auf und der Versuch, daraus Geld zu machen, läuft natürlich - soweit kennen wir die Coens wohl mittlerweile - schiefer als schief.

Diese Handlung ist schlussendlich jedoch nicht unbedingt das ausschlaggebende, denn die Coens richten ihr Augenmerk viel mehr auf einzelne Situationen. Diese lassen sich wohl am besten mit Adjektiven wie skurril, absurd, grotesk, verworren und unglaublich komisch umschreiben. Dies gibt es wirklich selten in der Filmwelt, dass jemand einen so eigenen, unverwechselbaren Humor betreibt, ohne sich gross zu wiederholen, ohne ausgelutscht zu wirken. Zugegeben, wiederholen tun sich die Coens tatsächlich etwas, zumindest fällt es schwer, in "Burn after Reading" die absolute Einzigartigkeit eines "Fargo" zu entdecken. Es wirkt beinahe so, als würden sie wieder Luft holen für ein richtig grosses Werk und "Burn after Reading" wäre somit mehr Zeitvertreib, ein kreativer Lückenfüller. Das wären dann aber schon viel zu harte Worte für einen so guten Film, der sich mit solcher Leichtigkeit von der Masse der übrigen Komödien abhebt. Unverwechselbar ist hier nämlich nicht nur der aus grotesken Figurenkonstellationen resultierende Humor, sondern auch die grandiose Schauspielführung und konsequente Unvorhersehbarkeit, welche die Coens einmal mehr pflegen. Und dann ist da natürlich noch das Chaos. Denn mit beinahe sadistischer Raffinesse führen sie ihr sorgfältig aufgebautes Figurengebilde je länger je mehr ins Absurde, drehen die Schraube immer mehr an und reissen den Zuschauer mit in einen Strudel von reiner Sinnlosigkeit. Denn mindestens drei Dinge haben alle Figuren auf jeden Fall gemeinsam: Sie sind alles nur kleine Fische in einem sehr grossen Ozean, machen so ziemlich alles falsch und haben keinen Plan. Und auch so mancher Zuschauer mag gegen Ende keinen Plan mehr haben, aber genau deswegen mögen wir die Coen-Brüder ja. Auch wenn sie diesen Ansatz nicht mehr ganz so konsequent wie in "The Big Lebowski" ausgeführt haben. Wegen der zweiten Hälfte und dem positiven Eindruck, mit dem man das Kino verlassen kann, darf man jedenfalls teilweise darüber hinwegsehen, dass die erste halbe Stunde des mit 95 Minuten recht kurzen Filmes nicht begeistert und hinter dem üblichen Firlefanz diesmal etwas wenig raffiniert-satirische Substanz vorhanden zu sein scheint.

Die Schauspieler sind natürlich ein ganz essenzieller Punkt bei einem solchen Film. Und der Cast, den die Coens hier um sich scharen, kann sich ohne Frage sehen lassen. John Malkovich glänzt durch eine explosive Mischung aus Aggresivität und Dämlichkeit. Frances McDormand und Tilda Swinton waren wohl ohne Frage schon einmal besser, bieten aber ein durchweg hohes Niveau, während George Clooney den kindsköpfigen, sorglosen, einfach gestrickten Frauenheld mit sichtlichem Spass spielt, die Sache ab und zu aber etwas zu übertreiben scheint. Und dann ist da noch Brad Pitt. Nicht zu glauben, dass das momentane Anhängsel von Angelina Jolie an vielen Orten den schlechten Ruf eines massentauglichen Hollywood-Superstars hat. Dies ist er zweifelslos, hat aber mit Fight Club, Seven, Babel und nicht zuletzt The Assassination of Jesse James bewiesen, dass er sehr wohl ein fantastischer Schauspieler sein kann. Und nun das. Er ist es, mit lächerlich hochgestellten Haaren, ständiger Sportbekleidung und demonstrativ gekautem Kaugummi, der uns wild gestikulierend mitteilt, er habe die CD mit "secure shit" und "numbers, dates, numers and ...more dates" gefunden. Es entzieht sich beinahe jeder Beschreibung, wie Brad Pitt in dieser Rolle eine Aura von Dummheit, Einfältigkeit, aufgesetzter Coolness und ewigem Optimismus versprüht. Wenn er mit dem Sportrad zur Lösegeldübergabe erscheint oder beginnt, zu seiner iPod-Musik zu tanzen, dann sind das ganz ohne Frage die besten Szenen des Films. Es wäre unfair zu behaupten, "Burn after Reading" lebe nur von seiner Leistung, aber wir wissen nun immerhin, an wen der Komiker-Oscar dieses Jahr gehen würde.

"Burn After Reading" ist sicher nicht der beste Film der Coens, weil er weder insgesamt noch im Detail völlig überzeugt und zu Beginn schlicht etwas zu wenig Stoff bietet. Trotzdem ist dies eine chaotische, unberechenbare Komödie mit herrlich absurdem Humor, die man allein dank einem grandiosen Brad Pitt mindestens zweimal ansehen kann. Spionagefilm einmal anders. 

ca. 8 von 10 Punkten




IMAX - grösser als gross?


Vorletzte Woche hatte ich das Privileg, in der USA Eagle Eye in einem IMAX-Kino zu sehen. Und auch wenn ich viel lieber The Dark Knight gesehen hätte (das hätte schliesslich Potential zum besten Kinobesuch meines Lebens gehabt), so ist mir zumindest die Erkenntnis geblieben, dass bei solchen Dimensionen die Qualität eines Filmes keine so grosse Rolle mehr spielt. Auf einer SO grossen Leinwand, mit SO fettem Sound, beeindruckt einfach jeder Actionfilm. Ich bezweifle ehrlich gesagt, ob "grösser" überhaupt noch möglich ist, beziehungsweise ob die Grenze nicht schon überschritten wurde.

Einerseits ist die endlose Leinwand ein Erlebnis für sich und schafft es wirklich, den Zuschauer anhand so viel erdrückender Wucht alles drumherum vergessen zu lassen, anderseits haben das die meisten guten Filme gar nicht nötig und es bleibt schon etwas der Eindruck, als ob da die wahren Qualitäten von Kino verdrängt würden.

Auf jeden Fall scheint einem nach dem IMAX das Zürcher Abaton a beinahe winzig klein und es wäre wünschenswert, wenn man nicht nach Übersee gehen müsste, um sich einen Film in Panoramagrösse zu gönnen.

Eagle Eye (IMAX Review)


Aufgrund technischen Problemen hatte ich die letzte Woche kein Internet und somit geraten die Reviews leider etwas in Verzögerung. 



Eagle Eye

Shia LaBeouf, schon in Transformers und Indiana Jones: The Kingdom of the Kristall Skull positiv aufgefallen, mausert sich mittlwerweilen zum waschechten Action-Star. Zumindest lässt die Tatsache, dass er momentan im Blockbuster Eagle Eye und baldig in Transformers 2 zu sehen ist, das vermuten.

Handlung:
Bei einer Geheimoperation des US-Militärs wird ein vermeintlicher Terrorist und über hunderte Unschuldige in einem Bergdorf während einer Beerdigung durch die Raketen einer Drohne getötet. Diese wird über Fernsteuerung und Videoaufnahmen aus dem Pentagon geleitet. Der Einsatzbefehl gegen den mutmaßlichen Anführer erfolgt durch den Präsidenten persönlich, entgegen der niedrigen Wahrscheinlichkeitseinschätzung des neuen Supercomputers, die bei 51% liegt.
Jerry Shaw kehrt nach dem Tod seines Zwillingsbruders Ethan, eines Offiziers der Air Force, heim nach Chicago. Auf sein Konto wird eine größere Geldsumme überwiesen und in seiner Wohnung findet er diverse Gifte, Waffen, geheime Unterlagen und Reisepässe. Eine unbekannte Anruferin drängt ihn zur Flucht als ihn kurz darauf ein Sondereinsatzkommando des FBI festnimmt. Shaw wird der terroristischen Aktivitäten verdächtigt und vernommen. Kurz darauf gelingt ihm mit Hilfe der Anruferin die Flucht, wobei der Schienenverkehr der örtlichen Subway, verschiedene digitale Anzeigen, Handys und ein Kran durch koordinierte Computermanipulation durch die Anruferin Shaw dazu zwingen ihren Anweisungen zu folgen.
(frei nach Wikipedia)

Schon in den ersten Minuten reiht sich "Eagle Eye" ganz freiwillig und ohne zu Zögern in die Reihe der Super-Blockbuster zwischen Action und Thriller ein, welche ja nicht erst seit Michael Bay in Mode sind. Somit werden eventuelle Fragen nach Anspruch schon einmal effizient vorgebeugt und man kann sich für die nächsten zwei Stunden beruhigt dem lauten Gewumse und den schnellen Schnitten hingeben ohne jemals auf den Gedanken zu kommen, dieser Film wolle mehr als harmlose Unterhaltung bezwecken.

In der Geschichte steht Jerry im Schatten seines grossen Bruders, der schlauer, erfolgreicher und beliebter war. Das selbe kann man eigentlich auch ganz gut über den Film insgesamt sagen, denn "Eagle Eye" wirkt über weite Strecken wie ein kleiner Bruder von Enemy of the State. Abgesehen davon, dass Tony Scotts grossartiger Paranoia-Thriller eben fesselnder, origineller und durchdachter war. Solche überdurchschnittlichen Qualitäten fehlen in "Eagle Eye" eigentlich auf der ganzen Linie. Den Anspruch der Unterhaltung erfüllt er - wie es sich für ein Budget von 80 Millionen Dollar gehört - dennoch recht gut, sei es auch nur auf technischem Niveau. Die Schnitte sind zackig und geben dem Film zusammen mit dem wuchtigen Sound ein hämmerndes Tempo, dazu kommen die modisch unübersichtlich choreographierten Actionszenen und ein matter, atmosphärischer Farbton, wodurch der Film allein aufgrund optischen und akustischen Reizen den Zuschauer zufrieden zu stellen vermag. Die Story ist dann zwar absolut klassisch und überrascht kaum mit guten Ideen, nichtsdestotrotz kommt sie mit der Zeit ziemlich in Fahrt und schafft die Spannung, die man von einem solchen Film erwartet. Schauspieler gibt es da auch kaum welche zu loben; Shia LaBeouf ist ordentlich und vermag zwar zu gefallen, das selbe gilt für Billy Bob Thornton, während Michelle Monaghan eine Enttäuschung ist.

Somit bewegt sich "Eagle Eye" beinahe auf der ganzen Linie auf angenehmem, überzeugendem Durchschnittsniveau, wäre da nicht sein eigentliches Problem, nämlich die nicht nur mangelnde, sondern komplett fehlende Glaubwürdigkeit. Damit ist sehr wohl keinerlei Art von irgendwelchem Anspruch gemeint, sondern die innere Logik der Geschichte. Die Handlung bewegt sich nämlich zwischen oberflächlich-unrealistisch und dermassen haarsträubend-stupid, dass es manchmal schon beinahe wieder lustig ist. Das Befolgen von Anweisungen per Telefon ist schon seit Die Hard 3 ziemlich ausgelutscht und auch die ganze Thematik zu Überwachung wurde schon wesentlich besser erzählt, wirkt hier mehr als an den Haaren herbeigezogene Rechtfertigung für den Plot. Und da hilft es auch nichts, in den letzten 30 Minuten noch etwas bei einem anderen Film, I, Robot, "Ideen sammeln" zu gehen, denn zu diesem Zeitpunkt wissen wir schon längst, dass Will Smith einfach mehr drauf hat.

"Eagle Eye" ist schnelles, oberflächliches und ziemlich spannendes Thrillerkino, das - weil kaum durchdacht - als kleiner Bruder von "Enemy of the State" gerade mal so funktioniert.

ca. 6 von 10 Punkten

Sonntag, 19. Oktober 2008

Il Grande Silenzio (DVD Review)



Il Grande Silenzio

Vor langer Zeit da war einmal die grosse Zeit der Italowestern. Mit Per un pugno di dollari erfunden, mit Per qualche dollaro in più perfektioniert, wurde das Genre der rauen Revolverhelden auch durch die Filme von Sergio Corbucci bereichert. Neben Django ist sein wohl berühmtester Film Il Grande Silenzio, mit dem wohlklingenden deutschen Titel Leichen pflastern seinen Weg.

Handlung:
Winter 1896. In dem kleinen Dorf Snowhill in Utah sorgt das raue Wetter für Hunger und Not. Die Ärmsten beginnen aus der Not heraus zu stehlen und zu überfallen. Dadurch werden sie zu Gesetzlosen, die sich in den Bergen verstecken müssen, weil auf sie ein Kopfgeld ausgesetzt ist. Während die Menschen leiden, wird das Dorf zu einem Paradies für Kopfgeldjäger, denen die als gesetzlos geltenden Armen kaum etwas entgegenzusetzen haben.
Als der Ehemann von Pauline dem skrupellosen Kopfgeldjäger Loco (Klaus Kinski) zum Opfer fällt, heuert sie den stummen Silence (Jean-Louis Trintignant) an, um Loco zu töten.
(frei nach Wikipedia

Wie in jedem Genre gibt es auch beim Italowestern viel Schrott. Vielleicht gibt es hier sogar überdurchschnittlich viel, da viele italienische Produktionen kaum über das B-Niveau hinauskamen. Das Problem, das man jedenfalls häufiger antrifft, ist eine fehlende spannende Handlung. Und dies ist auch gleich der erste Punkt, wo man "Il Grande Silenzio" loben darf. Seine Story ist kein Krimi und sicher längst nicht so hammerhart professionell strukturiert wie ein Hitchkock, aber trotzdem ziemlich spannend. Corbucci, zusammen mit seinem Bruder Bruno und einigen anderen auch am Drehbuch beteiligt, lässt die Erzählstränge der drei Hauptpersonen - Silence, Loco und Sheriff Burnett - parallel laufen und wechselt natürlich auch in obligatorische Rückblenden. Dies gibt dem Film schonmal einen bemerkenswerten Abwechslungsreichtum und verhindert, dass jemals etwas wie Langeweile aufkommen könnte.
Überhaupt muss man den Inhalt von "Il Grande Silenzio" loben, weil er so unkonventionell wie klassisch ist. Klassisch ist er natürlich im ganzen Aufbau, in der Darstellung der Rollen von Frauen, Banditen oder reichen Bürgern und den Actionszenen. Unkonventionell ist er deshalb, weil er etwas zu sagen hat. Für Corbucci sind nicht nur die Kopfgeldjäger an sich ein Thema, sondern auch ihre gesellschaftlichen und politischen Ursprünge. So ist stets das Recht in der Form des Sheriffs präsent, jedoch sind ihm die Hände gebunden, weil das unmenschliche Handeln der Kopfgeldjäger legal ist. Insgesamt muss man festhalten, dass der Film zwar - wie es sich für einen richtigen Italowestern gehört - sehr wohl brutal und schonungslos ist, jedoch am Ende eine sehr humane und interessante Botschaft vermittelt. Somit ist er einer der wenigen ethisch korrekten Filme dieses Genres.

Das Augenfälligste und Berühmteste am Film ist aber natürlich die Inszenierung. Spielte "Django" in einer heruntergekommenen Kleinstadt, so trifft das auch auf "Il Grande Silenzio" zu, mit dem grossen Unterschied, dass die Stadt nicht im Schlamm, sondern im Schnee versinkt. Die weisse Masse ist das Markenzeichen des Filmes und Corbucci hat hier schlicht fantastische Arbeit geleistet. Gleich zu Beginn sehen wir einen einsamen Reiter in einem Meer von Weiss, von dem nur die Konturen erkennbar sind. Von da an wechseln die Bedingungen von klarem, eiskaltem Sonnenschein bis zu dichten Schneestürmen am Rande der Sichtlosigkeit. Mit gekonnten Kulissen und gedämpft-bräunlichen Farben dazu hat es Corbucci geschafft, die Kälte für den Zuschaur förmlich spürbar zu machen, was "Il Grande Silenzio" zu einem der der atmosphärischsten Western überhaupt emporhebt. Schuld daran ist auf jeden Fall auch Ennio Morricone, dessen meisterhafte Filmmusik das Geschehen untermalt.

Ebenfalls aussergewöhnlich ist an dem Film die Hauptperson und sein Gegenspieler. Silenzio schweigt nicht wie Clint Eastwood aus cooler Überlegenheit, sondern weil ihm als Kind die Kehle durchgeschnitten wurde. Er ist ein Krüppel, ein gesellschaftlicher Aussenseiter, der durch das Land zieht und zu keinen sozialen Interaktionen in der Lage ist. Ausserdem ist er auch nicht einfach "gut", sondern trotz ehrenhaften Absichten in seiner Vorgehensweise schonungslos und hinterhältig, wodurch er dann auch die Saat seiner Gewalt ernten muss. Gespielt wird er bemerkenswert von Jean-Louis Trintignat, welcher ihn ambivalent verletzlich und stark erscheinen lässt.
Im Gegensatz dazu ist die Figur des Kopfgeldjägers Loco einfach nur böse. Es ist purer Genuss, dem grossen Klaus Kinski zuzusehen, wie er seinen Bösewicht mit unglaublicher Boshaftigkeit und bestialischer Schläue verkörpert. Hier stimmt jede Geste, jede Mimik drückt so kühl kalkulierte wie animalische Gefahr aus. Somit bietet "Il Grande Silenzio" eine tolle Inszenierung, zwei faszinierende Hauptdarsteller und dazu eben noch einen interessanten Inhalt. Es ist sicher kein Film für dem Western nicht Vertraute und Freunde des simplen Gutmenschenkinos.

In dem Sinne war Corbucci hier mit einiger Konsequenz und dem spürbaren Willen, dem Zuschauer etwas zu erzählen, am Werk. Inhaltliche Schwächen sind natürlich trotzdem einige vorhanden, was von etwas unnötigen Klischees und einer dürftigen Laufzeit bis zu zeitweiliger Vorhersehbarkeit reicht. Trotzdem. Das Drehbuch muss man deshalb so loben, weil es der hervorragenden Inszenierung zumindest beinahe gerecht wird. Dies ist dann schlussendlich auch der ausschlaggebende Grund, warum "Il Grande Silenzio" besser ist als "Django": Weil er hinter optischen und schauspielerischen Glanzleistungen eben noch etwas mehr zu bieten hat.

"Il Grande Silenzio" ist ein fesselnder, unangenehmer Film, der auf erzählerischer Ebene nicht völlig überzeugt, hingegen mit einmaligen Bildern und einem furiosen Klaus Kinski auftrumpfen kann. Einer der besten Italowestern überhaupt.

ca. 9 von 10 Punkten


Weitere Bilder:







Samstag, 18. Oktober 2008

August Rush, Speed Racer, Enchanted (DVD Reviews)



August Rush


Musikfilme gibt es ja zuhauf. Darunter auf jeden Fall auch wirklich gute, man denke nur an Walk the Line. Im Gegensatz zu diesem ist August Rush rein fiktiv und erzählt die Geschichte von einem Waisenjungen, der eine Odysse durch New York erlebt, um schliesslich endlich seine seit der Geburt getrennten Eltern zu finden. Natürlich ist es ein Kinderfilm und somit kann man auch nicht allzu grossartiges erwarten, aber ein bischen mehr könnte man nach all den guten Reviews schon erwarten. "August Rush" hat einfach viel zu viele Schwächen, um als guter Film bezeichnet werden zu können. Man denke schon allein an die ganze Story: Sie ist nicht nur extrem unglaubwürdig, an den Haaren herbeigezogen, gezwungen belehrend und undurchsichtig konstruiert, sonder vor allem ...kitschig. Kitsch, Kitsch, Kitsch und noch mehr Kitsch, der sich gegen das Ende hin immer mehr anhäuft und immer mehr unerträglich wird.
Wenig überzeugende Darsteller - Freddie Highmore haben wir jetzt langsam echt gesehen und Keri Russel ist eine einzige Katastrophe - helfen da auch nicht wirklich weiter, auch wenn Robin Williams durchaus etwas Sympathien zu wecken vermag. Immerhin wurde der Film ganz nett inszeniert und kann deswegen als sehenswert eingestuft werden, zumindest wenn man zur Sparte von Zuschauern gehört, die sich gerne einen Film durch vollheulen. 

ca. 4 von 10 Punkten


Speed Racer


Mannomann, was war denn das? Schon schade, wie tief die Macher vom genialen Matrix sinken können. Mit Speed Racer haben sie auf jeden Fall einen ziemlichen Fehltritt begangen. Eine altbekannte Rennfahrerstory, aufgeblasen mit Farben, Farben und nochmals Farben. Computeranimationen an allen Enden und übertriebene, quietschbunte Kostüme und Kulissen dominieren das Bild. Zwar kann man sagen, dass "Speed Racer" durchaus ein technischer Schritt nach vorne ist und zeigt, wieviel heute schon möglich ist, aber es ist eben zu viel. 
Als wären die Macher unter Drogen gewesen, sehen wir in haarsträubendem Tempo durch die Luft springende Autos, exzessive Kamerafahrten bis zur Schmerzensgrenze, Muster und Lichter, die man nur noch verschwommen wahrnimmt, was sich schlussendlich beinah in einem Orgasmus von Farben entlädt. Nein, das ist zu viel. Vor allem, da hinter der überladenen Fassade kaum mehr als eine typische Rennfahrerstory auf Kinderniveau mit hölzernen Charakteren vorhanden ist. Schade, das Geld und der optische Einfallsreichtum hätte man in viel besserem kanalisieren können. 

aufgerundet ca. 4 von 10 Punkten


Enchanted


Wer kennt sie nicht, die guten alten Disneyfilme? Die Zeichentrick-Meisterwerke gehören zum festen Bestandteil vieler Kindheitserinnerungen und weisen viele immer wieder kommende Schemata auf. Höchste Zeit also, dass sie mal richtig auf die Schippe genommen werden! Genau das hat Enchanted vor, indem er in den ersten zehn Minuten ein scheinbar klassisch-kitschiges Zeichentrickmärchen vortäuscht, bis die Prinzessin von der bösen Hexe in einen magischen Brunnen gestossen wird und plötzlich im New York des Jahres 2007 landet. Gags en masse sind somit vorprogrammiert, wenn sich die naive Giselle in der modernen Welt zurechtfinden und entdecken muss, dass hier längst nicht jeder an die ewige Liebe glaubt. 
Die Idee von "Enchanted" lässt sich sicher sehen und Disney hat daraus auch einiges gemacht. Der Film ist sauber, flüssig und unterhaltsam umgesetzt und hat auch einige wirklich komische Szenen in petto. Natürlich ist der Film keine echte Parodie, da er trotz aller Selbstironie schlussendlich genau nach dem klassischen Schema funktioniert und in der zweiten Hälfte kaum mehr überrascht. Und wenn schon. 
Stören tut da schon eher, dass Amy Adams dem Zuschauer mit ihrer übertriebenen Art irgendwann auf den Geist zu gehen beginnt. Bei James Marsden als Prinz Edward ist das schon viel eher zu verkraften, weil man es ja nicht ständig zu ertragen hat. Dafür ist Patrick Dempsey wirklich sympathisch und ziemlich glaubwürdig. Insgesamt ist "Enchanted" sicher kein herausragender Film, aber immerhin kurzweilige, schnell vergessene Unterhaltung. 

ca. 6 von 10 Punkten


Hellboy 2: The Golden Army (Kino Review)



Hellboy 2: The Golden Army

2004 belebte Guillermo der Toro den Dämonen Hellboy, der für die Regierung Moster jagt, aus dem gleichnamigen Comic für die Leinwand neu und machte ihn zum Star. Nun schlägt der rote Riese mit dem steinharten rechten Hacken erneut zu, nämlich in Hellboy 2: The Golden Army.

Handlung:
Weihnachten 1955 wird dem jungen Hellboy eine Geschichte erzählt, die den alten Kampf zwischen Menschen und Elfen behandelt. Die Goblin Schmiede hatten eine unstoppbare Armee für Balor, den König der Elfen gebaut, die nur von jenen mit königlichem Blut kontrolliert werden kann. Die Goldene Armee von 4900 Soldaten oder „70 mal 70 Soldaten“ hat die Menschen so erbarmungslos dezimiert, dass Balor gezwungen ist, eine Waffenruhe zu schmieden, um das Blutvergießen zu stoppen. Balors Sohn, Prinz Nuada, kann den Waffenstillstand nicht akzeptieren und wird im Exil zurückgelassen. Die Krone, die die Armee kontrolliert, wurde in drei Teile zerbrochen, ein Teil für die Menschen und zwei für die Elfen, sodass die Goldene Armee sich nie mehr erheben würde. Der Film wechselt nun in die Gegenwart und zeigt den Diebstahl eines Kronenteils durch Prinz Nuada. Doch seine Schwester, die den fehlenden dritten Teil besitzt, flieht vor ihrem grausamen Bruder. Ein Job für Hellboy. 
(frei nach Wikipedia)

Als erstes muss man sich hier fragen, was man als Zuschauer von diesem Film erwartet. Und wenn man das Richtige erwartet, ein Sequel von "Hellboy" nämlich, kann man eigentlich nichts falsch machen. Diesen Vorsatz erfüllt "Hellboy 2: The Golden Army" nämlich voll und ganz. Die Geschichte wird da weitergeführt, wo sie aufgehört hät, und Del Toro wartet mit vielen neuen Ideen auf, auch wenn das Gesamtschema etwa das selbe geblieben ist. Der Film wurde aber nicht nur weitergeführt, sondern auch weiterentwickelt. Del Toro hat wohl den Kritikern ein aufmerksames Ohr geschenkt und da gefeilt, wo es nötig war: Myers ist raus ("versetzt nach Alaska"), die Schauplätze einfallsreicher und fantastischer und der Bösewicht besser. Letzterer erhält durch den Elfenprinzen Nuada nämlich viel mehr Glaubwürdigkeit und Tiefe, was vor allem gegen Schluss ziemlich hilft. Und mit seinem Schwert-Rumgefuchtle ist er irgendwie einfach cool. Anstelle von Myers tritt nun mit Johann Krauss ein weiterer Freak, der für etwas Abwechslungs und ein paar witzige Szenen sorgt, wahrscheinlich aber auch nicht viel mehr als für diesen einen Film hergibt. 

Angenehm überraschend ist ebenfalls, dass die Chemie innerhalb des Teams hier besser stimmt als je zuvor, was einmal mehr zeigt, dass Del Toro nicht nur als Zauberkünstler sondern auch als Drehbuchautor etwas auf dem Kasten hat. Wie die vier Figuren harmonieren und für schillernde Konflikte sorgen, erinnert teilweise sogar an die guten alten "Star Wars" Filme und verschafft dem Film einiges an Charme, wobei der Humor die Klasse aus dem ersten Film beibehalten hat. 
Liz ist wieder einmal toll gespielt von Selma Blair und sie darf mit Red auch einige neue Facetten ihrer Beziehung entdecken. Trotz dem und auch hier einigen tollen Szenen wirkt die Liebesgeschichte jedoch zeitweise etwas überflüssig und stört den Fluss des Filmes. Denn nebst den Weiterentwicklungen gibt es natürlich auch Schwächen, dazu gehört, dass der Film in der zweiten Hälfte etwas nachlässt. Aber das kennen wir ja schon aus dem ersten Teil.

Weiterentwickelt hat sich selbstverständlich auch die Technik, die sich hier wieder von ihrer besten Seite zeigt. Del Toro haut mit den Effekten gehörig auf den Putz und erfüllt die kühnsten Träume des Zuschauers. Dazu ist er auch in der Lage, denn bunte Einfälle sind en masse vorhanden und Geld scheint auch mehr zu Verfügung gestanden zu sein als beim Vorgänger. Überhaupt ist der Film optisch eine Wucht und allein schon deswegen Pflicht für jeden Fantasy- und Action-Fan. Von letzterem ist natürlich auch genug vorhanden, vor allem wenn Hellboy selbst richtig cool in Szene gesetzt wird und es mit Kreaturen jeglicher Grössenordnung zu tun kriegt. So mögen wir's schliesslich.

Was die Qualität von "Hellboy 2" schlussendlich ausmacht, ist die Erkenntnis, dass Del Toro einmal mehr mit sehr viel Liebe an die Sache gegangen ist. Seit Pan's Labyrinth wissen wir ja, dass er auch zu grossem, tiefgreifendem Kino fähig ist, und so können wir ohne schlechtes Gewissen dabei schmunzeln, wenn er uns in seine moderne Comic-Märchenwelt entführt. Das Tolle daran ist, wie viel merklich spürbare Freude er dabei hat. Es ist im Grunde eine klassische, fantastische Welt voller Elfen, Trollen, Dämonen und Goblins, eine Geschichte von Liebe, Vertrauen, Selbstfindung und den grossen mysteriösen Mechanismen des Bösen. Ein echtes modernes Märchen für Erwachsene also, welches Del Toro mit dem richtigen Gespür für Action und Bilder ausgeschmückt hat. Und das macht ihn zu einem mindestens so grandiosen Geschichtenerzähler wie Tim Burton.

Natürlich ist der Film kein Meisterwerk. Natürlich ist er oberflächlich und natürlich gibt es einige übertriebene wie unnötige Szenen, aber hey! Es ist schliesslich Hellboy. Dem grossen roten Kerl zuliebe drücken wir doch ein Auge zu. Und wie kann man sich über solche Kleinigkeiten aufregen, wenn Hellboy einmal mehr über die Dächer springt und seine berühmten One-liner zum besten gibt? Genau, kann man nicht. Oh, crap!

"Hellboy 2: The Golden Army" ist ein Action-Märchen, das nicht nur durch seine optische Wucht, sondern auch durch seine naive Art eines Kindes, das im Bonbonladen steht, genau dieses in jedem von uns in den Bann zu ziehen vermag.

ca. 8 von 10 Punkten

Hellboy (DVD Review)



Hellboy

Bevor ich nun den zweiten Teil im Kino sehen gehen würde, habe ich mir zuvor endlich noch den ersten Hellboy zu Gemüte geführt. Viel falsch machen kann man ja nicht, wenn man als Fan von Filmen wie "Pan's Labyrinth", "Der Herr der Ringe" und "Spider-Man 2" einen Fantasy-Comic-Film von Guillermo del Toro vorgesetzt bekommt. Und siehe da, es hat gefunkt!

Handlung:
Hellboy ist ein Dämon, den die Nazis im Jahre 1944 mit Unterstützung der Thule-Gesellschaft und Grigori Rasputin, einem nicht totzukriegenden Berater des letzten russischen Zaren, durch Öffnung eines Dimensionsportals heraufbeschworen hatten, um den Krieg mit Hilfe überirdischer Mächte zu gewinnen. Die Alliierten, unter ihnen Professor Trevor „Broom“ Bruttenholm, unterbrachen jedoch die Zeremonie und fanden einen kleinen, roten Dämonen, den sie Hellboy nannten. Danach nahm Bruttenholm Hellboy unter seine Fittiche.
Etwa 60 Jahre später ist Hellboy immer noch nicht ganz erwachsen, dafür zu einem riesengroßen und unkontrollierbaren Dämon geworden, der für die Behörde Bureau of Paranormal Research and Defense (einer Unterabteilung des FBI) auf Dämonenjagd geht. Er verfügt über große Kraft und Beweglichkeit und ist mit einem Revolver bewaffnet, der Weihwasserkugeln verschießt. Hellboy hat aber auch viele menschliche Eigenschaften: er raucht Zigarren, isst gerne Schokolade, Nachos und kümmert sich um kleine Kätzchen.
Schließlich wird Rasputin von seinen Gehilfen wiederbelebt und plant, mit Hellboys Hilfe die Apokalypse herbeizuführen
(frei nach Wikipedia)

Comciverfilmungen bekommen wir zur Zeit ja mehr als genug zu sehen, Hellboy hingegen hebt sich sofort und ohne Mühe von der breiten Masse dieses Genres ab. Das liegt sicher an der Vorlage, welche nämlich kein Marvel, sondern eher ein Fantasy-Horror-Comic ist, und an Guillermo del Toro, der sie als Drehbuchautor und Regisseur auf die Leinwand brachte. Das Ungewöhnlichste ist in erster Linie die Hauptperson an sich. Hellboy ist alles andere als ein strahlender Held mit Doppelleben, der eine Berufung zum Kampf gegen das Böse empfindet, im Gegenteil: Er IST das Böse, welches "bekehrt" wurde und nun für die gute Seite kämpft. Dies tut er jedoch nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern aus Verbundenheit zu seinem Vater, weil es ihm eine Möglichkeit gibt unter den Menschen zu leben und weil es einfach sein Job ist.

So ist es ihm auch herzlich egal, wenn bei den von der Regierung zu vertuschen versuchten Aktionen so einiges zu Bruch geht und sowieso gefällt es ihm nicht, alles klammheimlich zu erledigen. Dieser jähzornige, unkomplizierte, grobe Riesenkerl, der stets mit einem zynischen Spruch und einer Zigarre zwischen den Lippen dem alltäglichen Kampf gegen die Ungeheuer des Bösen nachgeht, trägt den Film über die ganze Strecke problemlos auf seinen gewaltigen Schultern, da sein Charakter schlicht so gut gezeichnet ist, wie man es in dieser Sparte Film nicht allzu oft sieht. Das Ganze funktioniert nach einem ähnlichen "Harte Schale, weicher Kern"-Schema wie Shrek, und es funktioniert reibungslos. Denn unter Hellboys Testosteron-geladenen Oberfläche kommt immer wieder eine Person zum Vorschein, die versucht, mit ihrer ewigen Aussenseiterrolle in der Gesellschaft zu Recht zu kommen. Del Toro hat dabei wirklich gute Arbeit geleistet und den roten Riesen mit Ron Perlman auch perfekt besetzt. 

Auch die Charaktere von Sapien und Liz überzeugen, was schlussendlich zu einer erzählerischen Tiefe führt, die eine hervorragende Abwechslung zur an der Oberfläche dominierenden Action bildet. Schade, dass die Figur Myers, die an sich Potential gehabt hätte, mit Rupert Evans ziemlich verbraten wurde, da dieser wenig Sympathie und Dreidimensionalität zu wecken vermag. Auch vom Bösewicht Rasputin hätte man etwas mehr erwarten können, was aber durch seine Gehilfen, den Dämon Sammael und den Gasmasken-Nazi Krönen, teilweise kompensiert wird und daher vergeben werden darf. 
Schliesslich ist der Film vor allem in der ersten Hälfte absolut sauber geschrieben und teilweise ungeheuer spannend, während in der zweiten Hälfte hie und da Längen entstehen. Zusammen mit den fantastischen Bildern kommt somit, wenn man als Zuschauer den Draht zu dieser Art von Film hat, richtig Feeling auf. Man bemerkt auch sofort, dass Del Toro selbst aus der Tricktechnikabteilung stammt. Sehr gekonnt und detailverliebt setzt er Kostüme, Kulissen und Animationen ein und vermag es auch, jeder wuchtigen Actionszene eine eigene Atmosphäre zu geben. Wenn dann noch die coolen Sprüche von Hellboy dazukommen, ergibt das zwei Stunden lumpenreine Unterhaltung.

"Hellboy" ist eine rundum überzeugende Comicverfilmung: Wuchtig, detailverliebt, spannend, düster und extrem cool. Dieser Hellboy ist der John McClane unter den Superhelden.

ca. 8 von 10 Punkten

Sonntag, 5. Oktober 2008

Match Point (DVD Review)



Match Point

Im Jahr 2005 legte Regieveteran Woody Allen seinen 39ten Film Match Point vor, mit dem er etwas frischen Wind in sein Werk bringen wollte. Dazu gehört, dass der Film komplett in London (statt New York) spielt und der Meister selbst nicht vor der Kamera zu sehen ist.

Chris Wilton, der aus einfachen irischen Verhältnissen stammt und seine mittelmäßige Karriere als Tennisprofi aufgegeben hat, kommt nach London, um als Tennislehrer in einem exklusiven Club zu arbeiten. Dabei schließt er Bekanntschaft mit dem reichen Tom Hewett, der einer Industriellenfamilie entstammt und Mitglied der Londoner High Society ist. Beide schwärmen gleichermaßen für italienische Opernmusik – Aufnahmen u.a. mit Enrico Caruso bilden den Soundtrack – und bald wird Chris zum gerne gesehenen Gast im Haus der Familie Hewett. Den Vater beeindruckt Wilton durch ein Gespräch über Dostojewski, außerdem verliebt sich Toms Schwester Chloe nach einer Tennispartie in ihn. Sie vereinbaren ein Treffen in der Saatchi Gallery, gehen ins Kino, und nachdem Chris sie küsst, entspinnt sich zwischen ihnen eine Liebesbeziehung. Doch bei den Hewetts lernt Chris außerdem die schöne, aber erfolglose amerikanische Schauspielerin Nola Rice kennen, die mit Tom verlobt ist. Ihre aggressive Erotik trifft auf das Begehren des Tennisspielers, der mittlerweile Chloe geheiratet hat und durch die Beziehungen des Stiefvaters ein teures Leben führen kann.
(frei nach Wikipedia)

Was man bei einem Film von Woody Allen wohl immer als erstes loben muss, ist das Drehbuch. Man bemerkt sofort, dass dieses von meisterhafter Hand geschrieben wurde und das ist sicherlich die grösste Stärke des Filmes. Es besticht durch äusserst feine Charakterzeichnung, tiefgreifende Dialoge, eine saubere Handlungsabfolge und einem Spannungsbogen, der sich mit der Zeit immer mehr zuspitzt. Es ist diese zielstrebige Art, dieses kompromisslose Vorwärtschreiten, die Tatsache, dass man den Eindruck hat, dass in diesem Film nichts wirklich überflüssig ist, welche "Match Point" auszeichnet. Von daher ist es ein von dem Aufbau her sehr klassischer und gerade deshalb spannender Film. Die Handlung erinnert stark an Literatur aus dem 19ten Jahrhundert und an die alten griechischen Sagen, und wurde zwar beinahe als Oper (rein klassicher Soundtrack), aber dennoch modern umgesetzt. Das bedeutet, dass die Grundstory überhaupt nichts neues ist, aber trotzdem schlicht zu unterhalten vermag. Zumindest, wenn Feinarbeit von jemanden wie Woody Allen geliefert wurde.

Der Film ist an sich erstaunlich ernst und lässt sich nicht so leicht in ein Genre einordnen. Dieses wechselt nämlich mit der Zeit zweimal. Zuerst glaubt man sich in einer typischen Romanze mit Gesellschaftsaspekt, dann befindet man sich plötzlich in einem von Besessenheit getriebenen Drama und findet sich schlussendlich in einem Krimi. Das bringt Abwechslung in die Sache, stört aber auch etwas das Gesamtbild. Denn teilweise wird man das Gefühl nicht los, nicht zu wissen was der Film will. Und vor allem in der ersten Hälfte geschieht über längere Strecken nichts wirklich bemerkenswertes, was nebst der Tatsache, dass die Grundstory wie schon erwähnt eh nicht aussergewöhnlich ist, den positiven Eindruck trübt, den vor allem die zweite Hälfte hinterlässt. "Match Point" schwächelt also ab und zu, das aber zumindest auf hohem Niveau. Lobenswert ist sicher, wie Allen die Geschichte sehr britisch und mit überzeugenden Bildern umsetzt. Jonathan Rhys Meyers ist als Hauptdarsteller nicht schlecht und gewollt unheldenhaft, aber etwas steif und undurchsichtig. Mehr überzeugt da schon Scarlett Johansson (The Island), die ihre Rolle ziemlich ambivalent zu gestalten versteht und ausserdem von Allen sehr aufreizend und beeindruckend in Szene gesetzt wurde.

Insgesamt ist "Match Point" über einen grossen Teil der Laufzeit kein übermässig herausragender Film, kann aber mit dem Ende viel kompensieren. Die Endauflösung ist komplett unerwartet, faszinierend und fügt sich perfekt in das Thema des Filmes, Zufall und Glück, ein. Es hilft nun mal immer, ein Ass im Ärmel zu haben.

"Match Point" ist ein zielstrebiger, gekonnt geschriebener Film, der manchmal etwas unspektakulär vor sich hin dümpelt. Eine klassische Tragödie, modern und spannend verfilmt.

abgerundet ca. 7 von 10 Punkten

Tsotsi (DVD Review)



Tsotsi

2006 kam Tsotsi in die Kinos, die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Athol Fugard. Der südafrikanische Film von Gavin Hood war international sehr erfolgreich und erhielt unter anderem den Oscar für den besten fremdsprachigen Film.

In den Vorstädten der südafrikanischen Stadt Johannesburg hat der 19-jährige Tsotsi (Presley Chweneyagae) alle Erinnerungen an seine Kindheit verdrängt. Vor seinem alkoholsüchtigen Vater flüchtete er, als die Mutter an Aids starb. Früh verwaist, hat er sich eine zweifelhafte Existenz als Anführer einer kleinen Gang aufgebaut – als „Tsotsi“ eben, was im Straßenslang schlicht Gangster oder Schläger bedeutet. Mit seinen Freunden Boston, Butcher und DieAap stiehlt und prügelt Tsotsi im Vorbeigehen und schreckt auch vor Mord nicht zurück. Eines Tages überfällt er alleine und spontan in einem reichen Vorort eine junge Frau, schießt auf sie und stiehlt ihren Wagen. Hals über Kopf flieht er. Er baut vor Schreck einen Unfall, als er das drei Monate alte Baby auf der Rückbank bemerkt. Nach kurzem Zögern steckt er das Kind zu den anderen erbeuteten Dingen in eine Papiertüte und nimmt es mit nach Hause, in seine Welt.
(frei nach Wikipedia)

Es gibt nicht wenige Geschichten, die in irgendeiner Art davon handeln, dass jemand mit einer negativen (Verbrecher-)Lebensweise mit einem Kind konfrontiert und dadurch mehr oder weniger geläutert wird. "Tsotsi" ist eine Variante dieser Geschichte, erzählt in den dreckigen, heruntergekommenen Armenviertel von Johannesburg. Nicht nur wegen diesem Schauplatz drängt sich früher oder später der Vergleich mit City of God auf. Und, soviel muss man ganz klar anmerken, "Tsotsi" kann sich auf jeden Fall nicht mit Fernando Meirelles' Meisterwerk messen. Muss er aber auch nicht unbedingt.

Die Einführung von Tsotsi darf man als gelungen bezeichnen, wie er ohne Skrupel und Moralvorstellungen Leute ausraubt und man erst einige Zeit später erfährt, wie er dazu gekommen ist. Zuerst kann man ihn als Zuschauer praktisch nicht mögen und erst als er entscheidet, das Baby zu sich zu nehmen, treten langsam seine positiven Seiten, die unter all der Kriminalität und Gewalt vergraben waren, zum Vorschein. Der Prozess, während dem sich Tsotsi plötzlich mit einer bisher unbekannten Verantwortung konfrontiert sieht, wurde sehr menschlich und nahegehend gestaltet. Übermässige Spannung muss man nicht suchen, aber die Geschichte fesselt insofern, dass der Zuschauer bald mitfühlt und wirklich dabei ist. Das liegt sicher auch an der Atmosphäre, die durch die tollen Bilder und den passenden Soundtrack entsteht. Somit überbrückt der Film die Länge von 90 Minuten spielend und macht insgesamt einen äusserst harmonischen Eindruck. Hie und da gibt es auch einige Szenen, die sogar faszinieren und grossartig gelungen sind. Das Problem ist vielleicht eher, dass der Film zwar durchweg gute Absichten hat und der Wandlung des Protagonisten auch viel Sorgfalt widmet, jedoch in der zweiten Hälfte etwas zu brav wird. Er wird nämlich immer mehr zum reinen Drama, dessen "vom Saulus zum Paulus"-Story irgendwann ziemlich vorhersehbar, wenn nicht sogar unglaubwürdig wird. Hier wäre wirklich noch etwas mehr möglich gewesen.
Anderseits bestich der Film durch seine zuweilen doch kraftvolle Botschaft und der Art, wie Tsotsi lernt, mit den Konsequenzen seines rücksichtslosen Handelns fertig zu werden. Somit ist Gavin Hood ein wichtiger, absolut überzeugend gemachter Film gelungen, der aber deswegen noch nicht mit dem furios-hervorragenden "City of God" auf eine Stufe gestellt werden kann.

"Tsotsi" ist eine dramatische, wichtige und menschlich erzählte Geschichte über Armut, Gewalt, Vergebung und Verantwortung, aus der man noch etwas mehr hätte herausholen können. 

ca. 7 von 10 Punkten


Weitere Bilder:






Before Night Falls (DVD Review)


Before Night Falls

Julian Schnabel ist eigentlich hauptberuflich Maler, aber ab und zu greift der New Yorker auch mal zur Kamera. Drei Kinofilme hat er bis heute gedreht und alle stellten sie Portraits von Künstlerkollegen dar. Seinen grössten Erfolg konnte er gerade dieses Jahr mit dem für vier Oscars nominierten Schmetterling und Taucherglocke feiern. Seinen cineastischen Durchbruch hatte er aber schon im Jahr 2000 mit Before Night Falls, einer filmischen Biographie des kubanischen Schriftstellers Reinaldo Arenas.

Der Film zeigt einige Episoden seit der Kindheit von Reinaldo Arenas. Nachdem schon seine Lehrerin einen starken Hang zur Poesie in ihm entdeckt hatte, schreibt Reinaldo als Erwachsener in Havanna sein erstes Buch und wird damit hochgelobt. Es wird gedruckt und als weitere Belohnung darf er in der Bibliothek arbeiten. Dabei trifft er Pepe, seinen späteren Freund und zieht bei einer Bekannten dessen ein. Er schätzt sich glücklich, im Besitz einer Schreibmaschine zu sein und kann nun schneller und auch ungestörter schreiben. Aber im Kuba der 1970er ist nicht nur Homosexualität strafbar. Sämtliche nachfolgende Bücher werden nämlich zensiert und verboten. Angebliche Pornografie ist der Grund, jedoch ist es im Castro-Regime kaum erlaubt auf irgendeine weise kreativ zu sein, weil die Gefahr besteht, es könne sich gegen das Regime wenden. An einem sonnigen Tag am Meer, gerät Reinaldo in einen Streit mit seinem Freund Pepe. Dabei kommt es zu einer Prügelei. Währenddessen stiehlt man ihnen die gesamte Kleidung und Reinaldo entschließt sich dazu, dies der Polizei zu melden. Die jugendlichen Täter werden unweit des Tatorts gestellt, behaupten aber in ihrer Not fälschlicherweise, Arenas hätte sie sexuell belästigt. Somit wird Arenas verhaftet.
(frei nach Wikipedia)

Zu Beginn erzählt uns Schnabel, wie Arenas als Kind inmitten der Natur und nur unter Frauen aufwächst. Damit macht er glaubwürdig, dass Reinaldo später eine Leidenschaft für Poesie und Männer entwickelt. Diese Glaubwürdigkeit zieht sich auch durch den restlichen Film, etwa wenn Schnabel tabulos die sexuelle Revolution Kubas in Szene setzt. Er stellt die Homosexualität dabei nicht anders dar als zwischengeschlechtliche Liebe und macht sie teilweise sogar nachvollziehbar. Auch wenn gewisse Episoden der Geschichte wie ein Märchen scheinen, so bringt es der Film doch fertig, die politische Situation und der Zeitgeist des damaligen Kubas äusserst packend und realistisch zu porträtieren. Nicht umsonst wurde "Before Night Falls" von manchen Kritikern als der "kubanischste Film aller Zeiten, und das von einem nicht-Kubaner" bezeichnet. Sehr geschickt umgesetzt wurde auch die ständige Zuspitzung der öffentlichen Lage von Schwulen und Künstlern, die darin kulminiert, dass Reinaldo in eine Art Konzentrationslager gesperrt wird. Diese Szenen könnte man vielleicht als die besten des Filme bezeichnen, nicht nur, weil Johnny Depp einen kleinen, aber einmaligen Auftritt hat und die Paranoia einer dreckigen Einzellzelle in der Filmgeschichte selten so erschütternd dargestellt wurde. "Before Night Fall" ist aber keineswegs ein Gefängnis-Film, sondern insgesamt sehr abwechslungsreich. Man muss aber auch sagen, dass einige Episoden nicht besonders begeistern und hie und da auch etwas Langeweile aufkommen kann. Zwar bleibt der Film durchgehend auf einer hohen Qualitätsebene, aber teilweise fehlt etwas, das die einzelnen Szenen denkwürdig gemacht hätte. Schade auch, dass er gegen Ende deutlich abfällt und der Schluss trotz allem Realismus und einer herausragenden Szene, die den Kreis von Geburt bis Tod mit einem poetischen Monolog Reinaldos schliesst, den Zuschauer nicht befriedigt.

Formal gibt es wenig auszusetzuen, im Gegenteil: Schnabel hat die Filmbiographie sehr gekonnt und mit viel Sorgfalt umgesetzt, was teilweise zu malerischen Bildern führt. Diese werden auch immer vom gelungenen Soundtrack von Carter Burwell begleitet, wodurch eine bemerkenswerte Atmosphäre entsteht. Grandios ist auch, wie bei Schnabel die Kamera mit Ort und Zeit verschmilzt. In der naturnahen Kindheit etwa ist der Film frisch, unbefangen und existenziell, in der Schwulenszene Havannas wild, schnell und tabulos, in New York grau, dokumentarisch und zermürbend. Das ist visuelle Kunst auf hohem Niveau.
Dazu kommt natürlich Javier Bardem, welcher nicht grundlos für den Oscar nominiert wurde. Er ist glaubwürdig und überzeugt absolut, allerdings war seine Leistung in No Country for Old Men klar die atemberaubendere. Dafür bekam er dann ja schliesslich auch das Goldmännchen. In zwei (!) Nebenrollen dürfen wir - wie schon erwähnt- Johnny Depp geniessen, ausserdem hat Sean Penn einen Miniauftritt, den man dank viel Make-up kaum erkennt.

"Before Night Falls" ist ein schillerndes, kunstvoll gefilmtes Portrait eines Mannes, seiner Zeit und seines Landes, das zwischenzeitlich mit beinahe himmlischer Poesie zu berühren weiss.

ca. 7 von 10 Punkten


Weitere Bilder:





Samstag, 4. Oktober 2008

Wall-E (Kino Review)



WALL·E

Wenn ein neuer Film der Animations-Firma Pixar im Kino anläuft, dann ist das ein Ereignis. Unlängst hat sie die Nachfolge von den guten alten Disney-Klassikern angetreten und hat seit 1995 neun Spielfilme produziert, die durchweg im Spektrum gut bis ausgezeichnet anzusiedeln sind. Nach dem grossartigen Ratatouille vom letzten Jahr folgt diesen Herbst der kleine Roboter WALL-E.

In einer fernen Zukunft haben die Menschen die Erde verlassen, da sie durch Umweltverschmutzung unbewohnbar wurde. Eine Horde von Müllrobotern WALL-E wurde zurückgelassen um aufzuräumen. Im Jahre 2815, nach 700 Jahren des Müllsammelns und der Müllverarbeitung ist der Protagonist WALL-E der einzig Verbliebene. Der Roboter durchläuft über die Jahrhunderte eine Evolution und entwickelt ein eigenes Bewusstsein, dies geht so weit, dass er Ersatzteile für sich selber sucht. Somit ist er das einzige hochentwickelte Lebewesen auf der Erde. Als eines Tages ein Raumschiff auf der Erde landet, lernt er den Roboter EVE (Extraterrestrial Vegetation Evaluator) kennen und verliebt sich in sie. Keine leichte Sache für eine Maschiene, die eigentlich für das Aufräumen programmiert wurde.
(frei nach Wikipedia)

Was macht einen guten Kinderfilm aus? Diese Frage muss man sich eigentlich zwangsläufig stellen, wenn man die Filme von Pixar mit denen von Konkurrenzfirmen wie Dreamworks (Madagascar) vergleicht. Abgesehen davon, dass er die Kinder unterhalten, ansprechen und belehren sollte, ist das vielleicht wichtigste Kriterium, dass sich auch Erwachsene dafür begeistern lassen. Und das bedeutet nicht unbedingt, dass sich schlicht kindergerechte und erwachsene Witze abwechseln, sondern dass die Geschichte das gewisse etwas hat, das man als universell bezeichnen könnte. Egal was es ist, "WALL-E" hat es.

Schon die ersten Minuten machen unmissverständlich klar, dass hier kein gewöhnlicher kurzweiliger Kinderfilm folgt. Wir befinden uns in einem beinahe postapokalyptischen New York, zwischen gewaltigen Trümmern von Häusern und verlassenen, von Schrott übersähten Strassen, über dem allem eine erdrückende staubige Luftmasse hängt. Es scheint fast so, als würde sich Pixar milde lächelnd über I am Legend lustig machen, den es mit Leichtigkeit vom Tisch fegt. Inmitten diesem gewaltigen Szenario entdecken wir plötzlich diesen winzigen, einsamen Roboter, der durch die endlosen Müllhalden rattert. Was nun folgt, ist ein Geniestreich sondergleichen. In den folgenden Minuten wird uns diese Maschine vorgestellt, dieses rostige, scheppernde, quitschende Ding, das Spielzeuge genauso wie Weihnachtsbeleuchtung sammelt und mit naivster Ordentlichkeit seiner Tagesbeschäftigung nachgeht. Diesen Roboter muss man als Zuschauer ohne wenn und aber ins Herz schliessen. Die gesamte Anfangssequenz glänzt nicht nur durch eine unvergessliche Bildsprache, traumhafte Musik und gewitzte Storyeinfällen, sondern durch Humor. Keine aufdringlichen Bombardements von Möchtegern-Brüllern und kein sich-über-anderes-lustig-machen, sondern schlicht und einfach Situationen, die gleichzeitig berührend schön und erheiternd komisch sind. Dazu kommen Szenen, die mit ihrer ergreifenden Aura von Sehnsucht, Melancholie und Romantik jeden irgendwo bewegen dürften. Über den ganzen ersten Drittel des Filmes beweist Pixar eine seltene Grösse, indem es den Film gänzlich ohne Dialog auskommen lässt und inmitten der beeindruckenden Kulisse die eigentlich Handlung auf das elementare, beinahe ursprüngliche Wesen von Unterhaltung und Komik reduziert. Er ist wahrlich ein kleiner Charlie Chaplin, dieser WALL-E.

Der einfühlsame, romantische, beinahe magische und im höchsten Masse zeitlose Anfangsteil von "WALL-E" weckt sehr grosse Hoffnungen, nämlich auf ein weiteres Meisterwerk. Leider vermag der Film diesen Kurs nicht beizubehalten. Denn ab der Stelle, da WALL-E die Erde verlässt, verlässt auch Pixar die Sphäre des Unvergleichbaren. Natürlich ist es keine Frage, dass man den Film langsam in Schwung bringen und ihm eine handfesste Handlung geben musste, und so ist es ja auch keine Überraschung, dass sich der Film je länger je mehr in ein klassisches Erzählgefüge einschaukelt. Es ist einfach deshalb schade, weil man nach dem hervorragenden Beginn nicht umhin kommt, etwas enttäuscht vom nachfolgenden, eher bodenständigen und gewöhnlichen Plot zu sein. Nicht, dass der Film jemals schlecht wäre. Im Gegenteil, stets bleibt Pixar auf dem Niveau "sehr gut", was es auch durch die Animationen im Alleingang beinahe schaffen würde. Ideen sind bis zum Schluss mehr als genug vorhanden, und fehlende lebendige Charaktere oder temporeiche Story kann man ihm sicher nicht vorwerfen. Einige unglaublich starke Szenen gibt es durchaus auch in der zweiten Hälfte, aber auch einige, die nicht völlig überzeugen. Als Ursache für die geringere emotionale Tiefe der zweiten Hälfte könnte man vermuten, dass WALL-E selbst etwas aus dem Rampenlicht tritt, beziehungsweise dass die Entwicklung seiner Figur etwas vernachlässigt wurde. Anderseits, nach einer derartigen Charaktereinführung kann man sich das auch irgendwie leisten. Fest steht, dass es in der ersten Hälfte einen gewissen Bruch gibt, der sich meinetwegen positiv oder negativ auffassen lässt. Man könnte dem Film eventuell noch vorwerfen, dass er seine, zuweilen recht satirische, Öko-Botschaft etwas gar simpel transportiert und deshalb etwas einseitig wirkt. Aber hier muss man sich wohl angesichts all der Grösse des Filmes wieder darauf zurückbesinnen, dass das Zielpublikum Kinder sind. Und bei denen mag die gut gemeinte, für Erwachsene mindestens ebenso wichtige Botschaft auf jeden Fall ankommen. Erwähnenswert sind ausserdem die zahlreichen, gewitzt platzierten Filmzitate, die das Herz von jedem Science Fiction-Fan höher schlagen lassen sollten, und die ziemlich frechen und höchst eigenwilligen Apple-Anspielungen, die wohl nicht jedem zusagen werden.

Es ist wohl müssig, grosse Worte über die Technik von "WALL-E" zu verlieren. Die Animationen sind ein weiterer grosser, unglaublicher Schritt nach vorne und man sieht überdeutlich, wo die 180 Mio Dollar Produktionskosten gelandet sind. Pixar ist somit nicht nur auf erzähltechnischer, sondern auch auf visueller Ebene seinen Konkurrenten um eine deutliche Nasenlänge voraus. Das macht den Film für jede Altersstufe zu einem Genuss sondergleichen für die Augen. Man muss sich ernsthaft fragen, wie sich dies weiterentwickeln wird. Der Oscar für den besten animierten Spielfilm ist auf jeden Fall mehr als verdient und alles andere wäre eine Beleidigung.

Trotz allem bemängelswerten kann man sagen: "WALL-E" ist zu Sphären vorgestossen, die vielleicht noch nie zuvor ein Animationsfilm gesehen hat. Mit viel Sympathie und Eleganz befreit er sich von den Ketten, die seit jeher auf dem Genre der Kinderfilme liegen, und erzählt eine grosse Geschichte von universeller Schönheit, die im Detail mit ebenso zeitloser Brillianz überzeugt. Das macht ihn nicht zwingend besser als "Ratatouille", beweist aber, dass Pixar die Ideen noch nicht ausgegangen sind und mit einem solchen Mass an Innovation noch immer neue Horizonte erobert werden können. Weiter so!

"WALL-E" ist nicht das beste Werk von Pixar, aber nichtsdestotrotz ein Meilenstein des Animationsfilms, weil er nie dagewesene Effekte bietet und auf allen Ebenen zu den Sternen greift. Trotz klaren Schwächen in der zweiten Hälfte ist Pixar längst weit, weit darüber hinausgegangen, was man als die eingeschränkten Konventionen eines Kinderfilmes bezeichnen könnte.

aufgerundet ca. 9 von 10 Punkten