Mittwoch, 30. September 2009

Filmrätselstöckchen 1332


Seit 2007 geht unter filmbegeisterten Bloggern das berüchtigte "Filmrätselstöckchen" umher, ein Ratespiel mit Filmbildern. Bei Thomas hatte ich nun das Glück, Rosemary's Baby zu erraten, einen meiner Lieblingsfilme.

Ich darf hier also das nächste Rätsel stellen:



beetFreeQ hat erstaunlich schnell den wunderschönen Streifen Paper Moon erraten. Weiter geht es nun also bei ihm.

Hier noch einige Bilder:






Sonntag, 27. September 2009

Writer-Directors



Die besten Drehbuchautoren Amerikas

Muss ein guter Regisseur auch seine Drehbücher selbst schreiben? Eine Frage, um die unter Filmschaffenden und -interessierten seit Anbeginn des Kinos gestritten wird. Oft wird dabe die filmische Welt polemisch in eine bipolare Ordnung eingeteilt - hier Europa mit seinem anspruchsvollen "Auteur"-Film, dort Amerika mit seinem kommerziell durchdrungenen Studiosystem. Ohne Frage trifft das auch in der Zeit nach dem "New Hollywood" noch auf viele sogenannte "Blockbuster-Regisseure" zu, welche oftmals auch den Posten des Produzenten bekleiden, und selbstverständlich kann ein Regisseur reihenweise fantastische Filme machen, ohne sich auch nur einmal an die Schreibmaschine zu setzen - man denke nur an David Fincher.
Trotzdem darf man nicht vergessen, dass es heute zahlreiche angesehene amerikanische Regisseure gibt, die nebenbei eben auch grossartige Autoren sind und die Stories zu ihren Werken bevorzugt selbst schreiben. Anderseits gibt es natürlich genauso Drehbuchautoren, die irgendwann ins Regiegeschäft einsteigen und auch dort glänzen - Paul Haggis beispielsweise.

Da ich der festen Überzeugung bin, dass der Einfluss eines guten Drehbuchs auf das Gelingen eines Filmes vielerorts unterschätzt wird, möchte ich also an dieser Stelle die meiner Meinung nach grössten "Writer-Directors" des aktuellen amerikanischen Kinos würdigen. Es sind diejenigen Regisseure, denen ich - nicht ganz, aber beinahe - blind vertraue, weil man stets davon ausgehen kann, dass neben der Optik auch in die Story ihrer Filme die gewohnte Sorgfalt investiert wurde.

Hier also - wie es sich gehört - in Form einer Top 10:


1. Christopher & Jonathan Nolan


Die meiner Meinung nach besten Drehbuchautoren des heutigen Kinos sind die Brüder Christopher und Jonathan Nolan. Die beiden Briten scheinen sich perfekt zu ergänzen und führen seit Jahren eine ausgesprochen fruchtbare Geschäftsbeziehung, die sich weniger in Quantität denn in Qualität auszeichnet. So haben sie bisher erst drei Drehbücher zusammen geschrieben (während Christopher ausserdem bei Insomnia und Batman Begins Regie geführt hat), doch daraus sind drei der bisher besten Filme des Jahrzehnts geworden. Mehr noch - ich persönlich würde "Memento" ohne zu Zögern als eines der besten Drehbücher aller Zeiten einstufen.

Filmographie:
Memento, The Prestige, The Dark Knight

2. Joel & Ethan Coen


Schon wieder zwei Brüder! Es gibt kaum etwas zu schreiben über die jüdisch-stämmigen Joel und Ethan Coens aus Minnesota, was nicht schon geschrieben wurde. Seit den 80ern sind die beiden im amerikanischen Indepentent-Film präsent und können eine bis heute ungebrochenen Schaffenskraft vorweisen. Dank "Frago" und "The Big Lebowski" wurden sie Ende des letzten Jahrtausends dem breiteren Publikum bekannt, blieben sich und ihrem Stil jedoch treu und konnten mit "No Country for Old Men" 2007 sogar einen Oscar-Abräumer verbuchen. Ganze 13 Filme haben sie seit ihrem Erstling "Blood Simple" 1984 schon abgedreht, wobei sie stets das Script zusammen schreiben, während Joel meistens als Regisseur und Ethan als Produzent aufgeführt wurde. Aber so genau lässt sich das wohl nicht trennen, denn man sagt, die Coens könnten in dieser Hinsicht als Zwillinge durchgehen, so sehr stimmen ihre Visionen von einem Film jeweils überein. Auf jeden Fall gehören sie zu den cleversten Drehbuchautoren der heutigen Zeit und verblüffen jedes Mal aufs Neue mit Geschichten voller skurriler Figuren, unvorhersehbaren Wendungen und rabenschwarzem Humor. Der 21. Januar 2010 sollte bei jedem Fan rot im Kalender eingetragen sein, denn da startet A Serious Man, ihr nächster Film.


Gott sei Dank hat Charlie Kaufman letztes Jahr mit Synecdoche, New York sein Regiedebüt abgeliefert (Kritiken nach ein Überragendes), sonst könnte ich ihn nicht in dieser Liste aufführen. Doch hier gehört er ohne wenn und aber hin, gibt es doch heutzutage kaum Drehbuchautoren im Indepentent-Bereich, die sich mit ihm messen können. Müsste man eine typische Kaufman-Story mit einem Wort umschreiben, wäre es "bizarr". Man denke nur an "Being John Malkovich", wo die Handlung darin besteht, dass jemand in einem Büro eine Geheimtür findet, die direkt in den Kopf von John Malkovich führt. Oder an "Eternal Sunshine of the Spotless Mind", der grösstenteils aus einer surrealen Reise durch das Gedächtnis der Hauptperson besteht. Abstruse Storyideen alleine machen selbstverständlich noch keinen guten Film, doch was Charlie Kaufman auf dem Papier daraus zu zaubern vermag, ist schlicht und einfach meisterhaft. Was seine Drehbücher neben höchst durchdachten Plots auszeichnet, ist stets eine - trotz künstlerisch "abgehobenen" Themen - unglaubliche Nähe zum Leben, die sich in ergreifend menschlichen Figuren manifestiert. Dazu kommt, dass seine Drehbücher gewöhnlich von kompetenten Regisseure umgesetzt werden - sei es von Spike Jonze oder Michel Gondry. Es bleibt zu hoffen, dass Kaufmans kreative Ader nicht abbricht und er sich zukünftig auch als Regisseur zu weiteren Höhenflügen aufschwingen kann.

Filmographie: (Auszug)
Being John Malkovich, Adaptation., Eternal Sunshine of the Spotless Mind

4. Quentin Tarantino


Kaum ein Filmschaffender hat in den letzten Jahrzehnten so sehr polarisiert wie der ehemalige Videothek-Mitarbeiter aus Tennessee mit dem klangvollen Namen Quentin Tarantino. 1992 erregte er mit "Reservoir Dogs" Aufsehen, schuf mit "Pulp Fiction" den Kultfilm eines Jahrzehnts und hat sich seither als eigenwilliger Genreregisseur etabliert. Seine Drehbücher schreibt er dabei selbstverständlich immer selbst und spickt sie mit Zitaten aus der ganzen Filmgeschichte, die nicht einmal der eingefleischteste Filmfan alle erkennt. Als Markezeichen kann man jedoch in erster Linie seine ausschweifenden, bis zur Perfektion geschliffenen Dialoge und den ausgiebigen Einsatz von Gewalt sehen, was er bisher in allein seinen Filmen zelebriert hat und ihm von vielen Seiten auch Kritik einbringt. Viel wichtiger ist schlussendlich jedoch die Tatsache, dass Tarantino der vielleicht einzige Regisseur im "Big Business" ist, der sich praktisch alle Freiheiten gönnen und seine künstlerischen Absichten ungehemmt durchsetzen kann. Dies mag nicht nur positive Nebeneffekte haben, nichtsdestotrotz gehört Tarantino zu den interessantesten Filmemachern unserer Zeit - gerade weil er niemals Durchschnitt produziert - und hat ohne Zweifel ein unvergleichliches Händchen für furios strukturierte, hervorragend geschriebene und höchst cinephil durchdrungene Drehbücher. Umso befriedigender, dass er mit "Inglourious Basterds" wieder einen grossen Erfolg verbuchen konnte.

Filmographie: (Auszug)
Reservoir Dogs, Pulp Fiction, Death Proof, Inglourious Basterds

5. Andrew Stanton


Ich bin der Meinung, dass der anhaltende Erfolg der Animationsschmiede Pixar weniger in der jeweils bahnbrechenden Machart der Filme, denn in unglaublich gut geschriebenen Drehbüchern liegt. Denn Pixar ist im Gegensatz zu oft eher durchschnittlicheren Animationsfilmen aus dem Hause Dreamworks oder Sony Pictures stets in der Lage, Geschichten zu erzählen, welche Zuschauer von jung bis alt bewegen und erstaunen. Hauptantrieb (unter anderem) ist dabei Andrew Stanton, für "Toy Story", "Finding Nemo" und WALL-E für den Oscar in der Kategorie Originaldrehbuch nominiert. Zusammen mit Pixar-Kollegen wie John Lasseter oder Brad Bird (siehe unten) hat er computergenerierte Welten geschaffen, die dank unverwechselbaren Charakteren weit echter wirken als die meisten Realfilme. Stantons grossartigste Werke sind bisher "Monster, Inc." und "Finding Nemo".

Filmographie:
Toy Story 2, Monster, Inc., Finding Nemo, Wall-E

6. Paul Haggis


Der Kanadier Paul Haggis ist nach langjährigem Schaffen als TV-Autor erst 2004 zu den Regisseuren gestossen. Mit dem erschütternden Sozialdrama Crash räumte er den Oscar für den besten Film und das beste Drehbuch ab und gab dem Autorenfilm in Hollywood neuen Aufwind. Seitdem hat er auch mit In the Valley of Elah überzeugt, während er nebenbei brillante Drehbücher für Filme wie Million Dollar Baby und "Casino Royale" schrieb. Zwar wird nicht alles, was er anfasst, zu Gold, wie im letztjährigen Quantum of Solace zu bemerken war, trotzdem hat kaum ein Autor in derartiger Weise handwerkliches Geschick und ein Auge für die soziale Situation Amerikas wie Haggis.

Filmographie: (Auszug)
Crash, Million Dollar Baby, Flags of our Fathers, Letters from Iwo Jima (nur Story), Casino Royale, In the Valley of Elah

7. Paul Thomas Anderson


1997 wurde der geborene Kalifornier Paul Thomas Anderson für seinen zweiten Spielfilm "Boogie Nights" für den Drehbuch-Oscar nominiert und als talentierteste Neuentdeckung seit langem bejubelt. Dies geschah wohl nicht ohne Grund, lieferte Anderson zwei Jahre später doch den Grossstadt-Episodenfilm "Magnolia" und vorletztes Jahr das Öl-Epos There Will Be Blood mit dem überragenden Daniel Day Lewis. Gemein haben alle diese Filme, dass sie eigentlich nur mit dem Adjektiv "gross" zu umschreiben sind. Anderson macht zwar keine tricktechnisch aufwändige oder in fremden Welten spielende Blockbuster, aber seine Filme haben stets eine Laufzeit von über zweieinhalb Stunden und porträtieren etwas "Grösseres", sei es eine ganze Generation über ein Jahrzehnt (im Falle von "Boogie Nights"), die moderne Gesellschaft (im Falle von "Magnolia") oder einen Teil der amerikanischen Geschichte am Beispiel eines Mannes (im Falle von "There Will Be Blood"). So bieten seine meisten Filme eine grosse Anzahl an Figuren und eine sehr komplexe Handlung. Unglaublich erfrischend an Andersons Geschichten ist sein überragendes Handwerk, sein Auge für das Herz einer Figur und seine ehrliche, ausbalancierte und entlarvende Erzählweise. Andersons Filme sind wie das Leben selbst - ein gewaltiges Auf und Ab und unheimlich spannend.

Filmographie: (Auszug)
Boogie Nights, Magnolia, There Will Be Blood

8. Tony Gilroy


Schade, bot das Oscarjahr 2007 so viele auszeichnungswürdige Exponenten, sodass der Politikthriller Michael Clayton trotz sieben Nominationen praktisch leer ausging. Das Regiedebüt vom New Yorker Tony Gilroy verblüffte neben fantastischen Schauspielern nämlich auch durch ein klassisches, nicht minder überzeugendes Drehbuch. Gilroy, welcher sich in letzter Zeit als Drehbuchautor der Bourne-Trilogie einen Namen machte, ist seit bald zwanzig Jahren in diesem Business tätig und verfügt mittlerweile über ein überaus solides Handwerk. Der Politikthriller scheint ihm am meisten zu liegen, erst dieses Jahr überzeugte er nämlich wieder als Co-Autor in "State of Play". Es bleibt zu hoffen, dass er zukünftig auch noch andere Genres mit der selben Finesse erschliesst.

Filmographie: (Auszug)
The Bourne Ultimatum, Michael Clayton, State of Play

9. Brad Bird


Wenn man Andrew Stanton erwähnt (siehe oben), kommt man wohl auch um den Namen Brad Bird nicht herum. Der Regisseur und Drehbuchautor arbeitete zuerst für Disney, anschliessend kurz für Warner Bros. und wechselte schliesslich zu Pixar, wo er die beiden Hits "The Incredibles" und "Ratatouille" schrieb und inszenierte (beides Mal wurde er für den Oscar für das beste Originaldrehbuch nominiert). Noch bei Warner Bros. schuf er ausserdem den wunderschönen Trickfilm "The Iron Giant", welcher leider kein übermässiger Erfolg war.

Filmographie:
The Iron Giant, The Incredibles, Ratatouille

10. James Cameron


Seit The Terminator ist der Kanadier James Cameron eine feste Grösse im Big-Budget-Geschäft Hollywoods. Kaum ein Regisseur hat mit seinen Filmen insgesamt so viel Geld eingenommen und nicht nur mit "Titanic" hat er (inklusive elf Oscars) Filmgeschichte geschrieben. Ein bedeutender Grund dafür ist auf jeden Fall, dass Cameron sich stets mehr als viele seiner Kollegen um die Geschichte seiner Filme kümmerte und alle seine Drehbücher selbst verfasste. Von seinem Science Fiction-Meilensteinen wie "Aliens" oder "The Abyss" bis hin zum vielleicht grössten Actionfilm der 90er, Terminar 2: Judgement Day, bestechen nicht alle, aber die meisten von Camerons Filmen trotz Mainstream durch Geschichten, die nicht nur ausgewogen und unheimlich spannend sind, sondern eben auch einen echten Kern haben. Das allein ist schon Grund genug, mit hohen Erwartungen dem Kinostart von Avatar am 17. Dezember entgegenzusehen.

Filmographie: (Auswahl)
The Terminator, Aliens, The Abyss, Strange Days, Titanic

Kleine Aktualisierung


Ich wollte an dieser Stelle noch kurz auf eine geringere Änderung im Layout dieses Blogs zu Sprechen kommen: Neuerdings befindet sich auf der rechten Seite unter den Profilangaben ein kleiner Kasten mit dem Titel "ZULETZT GESEHEN". Dort finden Sie ab jetzt stets eine Angabe der vier Filme, die ich mir zuletzt angesehen habe.

Ich bin zwar kein Fan von anonymen, kalten Punktewertungen - trotzdem schreibe ich jeweils eine solche dazu, damit die Sache nicht ganz sinnlos ist. Ich schreibe nämlich längst nicht zu allen Filmen, die ich sehen, ein Review und so können Sie sich doch etwas ein Bild machen. Natürlich sind Sie herzlich dazu eingeladen, nachzufragen, wenn Sie Fragen haben oder schlicht eine Begründung haben möchten.

Ausserdem wollte ich noch kurz angemerkt haben, dass ich nun mein Studium der Filmwissenschaft an der Universität Zürich angetreten habe. Ich hoffe natürlich, dass dadurch die Qualität (idealerweise auch die Quantität) meiner Reviews gesteigert werden kann, aber auch, dass ich meinen Hang zu gutem Mainstream-Kino nicht verliere. Das wäre nämlich schade.


Montag, 14. September 2009

District 9 (Kino Review)



District 9

Ein Zeichen, dass sie genug vom nicht abbrechenden Strom an Remakes, Sequels und Franchisen haben, setzten die amerikanischen Kinozuschauer diesen August, indem sie den kleinen, in Südafrika gedrehten Science Fiction-Film District 9 zum Überraschungserfolg machten. Zwar kann sich der Film mit dem Namen Peter Jackson (Der Herr der Ringe, King Kong) als Produzent schmücken, trotzdem hätte wohl niemand gedacht, dass der für Genre-Verhältnisse mit 30 Millionen Dollar Produktionskosten überaus günstige Film Blockbuster wie G.I. Joe oder G-Force auf die Plätze verweisen würde.

Handlung:
Im Jahr 1982 stoppt ein riesiges außerirdisches Raumschiff über Johannesburg in Südafrika. Doch nichts geschieht, es verharrt dort unbeweglich und so entschliessen sich die menschen nach dreimonatigem ereignislosem Warten, einen Weg in das Raumschiff zu schneiden. Dort finden sie über eine Million insektoide Außerirdische vor, welche gesundheitlich in einem sehr schlechten Zustand sind. Ein Kommandant des Schiffes wird nie gefunden. Die extraterretrischen Wesen werden in einem behelfsmäßigen Flüchtlingslager untergebracht, welches den Namen District 9 trägt und sich rasch zu einem Slum entwickelt.
20 Jahre später, im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist die Multinational United (MNU), ein privates Sicherheits- und Militärunternehmen, verantwortlich für die Überwachung der mittlerweile 1,8 Millionen Insektoiden und beschliesst deren Umsiedlung in ein Camp 240 Kilometer nordwestlich von Johannesburg. Wikus van de Merwe, ein eher unauffälliger Büroangestellter, wird zum Leiter der Umsiedlungsaktion ernannt. Er muss sich nun mit einem Spezialteam nach Disctrict 9 begeben, um die Aliens über ihre bevorstehende Umsiedlung zu "informieren".
(frei nach Wikipedia)

Schon an der diesjährigen Comic-Con in San Diego liess sich erahnen, dass Peter Jackson einmal mehr das richtige Gespür für einen Hit gezeigt hat. Dort wurde "District 9" nämlich in eher kleinem Rahmen aufgeführt und begeisterte die anwesenden Genrefans derart, dass sich die Rückmeldungen auf Twitter, Blogs und Foren vor Euphorie geradezu überschlugen. Ursprünglich geplant gewesen war eigentlich, dass Neill Blomkamp, Regisseur und Drehbuchautor von "District 9", die von Jackson produzierte Verfilmung des Videospiels "Halo" drehen sollte, doch fiel dieses Projekt leider ins Wasser. Jackson, beeindruckt von Blomkamps Ideen, wollte jedoch unbedingt mit ihm zusammenarbeiten und so einigten sie sich auf "District 9", frei nach Blomkampfs Kurzfilm Alive in Joburg, auch wenn dafür schlussendlich nur ein Bruchteil des erhofften "Halo"-Budgets zur Verfügung stand.

Das Endergebnis, das wir nun begutachten dürfen, ist in mehrerer Hinsicht verblüffend. In erster Linie erstaunt allein, wieviel Blomkamp und Jackson aus dem Budget herausgeholt haben. Zwar gibt es keine extrem aufwändige Massen- und CGI-Szenen auf fremden Planeten wie in Star Trek - stattdessen konzentrierte man sich bei "District 9" ganz offensichtlich darauf, den Computer dosiert und gezielt einzusetzen - aber das, was zu sehen ist, sieht auf jeden Fall verdammt gut aus. So besticht der Film von Anfang an durch einen ungewohnte greifbare Atmosphäre, wenn das riesige Raumschiff in dokumentarisch wirkenden Aufnahmen über Johannesburg schwebt. Auch die Aliens wurden mit grosser Sorgfalt gestaltet, sodass sie zwar mit ihrem Insekten-Äusseren stark an bekannte Vorbilder von Alien bis hin zu den Geonosianer aus Star Wars: Attack of the Clones erinnern, aber selten so realistisch in reale Aufnahmen integriert wurden wie hier. Generell darf man es somit beinahe als Vorteil von "District 9" sehen, dass sein Budget beschränkt war und Blomkamp dadurch gar nicht erst in Versuchung kam, überall möglichst spektakulär auf die CGI-Tube zu drücken. Das führt auch dazu, dass kein einziges bekanntes Gesicht zu sehen ist, was dem Film ungeheuer gut tut. Denn nur so lässt sich der Realismus, dem sich Blomkamp ganz offensichtlich verschrieben hat, konsequent und mit der gewünschten Wirkung durchsetzen - selbstverständlich nur ein formaler Realismus, über inhaltliche Glaubwürdigkeit lohnt es sich kaum nachzudenken.

So bewegt sich "District 9" zu Beginn überaus deutlich auf den Pfaden von Cloverfield, indem er das Geschehen ausschliesslich durch TV-Berichte und Interviews aufrollt, sich also als Mockumentary präsentiert. Dies widerspiegelt den Geist der Zeit und zeigt einmal mehr, dass solche neuen Methoden weit über die Wackelkamera von Blair Witch Project vor einem Jahrzehnt hinausgehen und tatsächlich "grosses" Kino schaffen können. Denn Blomkamps Film vermag die Vorteile dieses Pseudo-Realismus' durchaus auch zu nutzen und hebt sich gerade dadurch auf originelle Weise vom sterilen Krawallkino eines Michael Bays ab, als dass er eine direkte Verbindung zum Zuschauer aufbauen kann. Hat man mittlerweile den Eindruck, der ausufernde und zum Selbstzweck verkommene CGI-Overkill eines Transformers 2 führt mehr und mehr zu einer Abstossung und emotionalen Abschottung des Zuschauers, sind die Effekte in "District 9" wieder viel mehr ein Mittel, um den Zuschauer in die Story hineinzuziehen - was ja eigentlich der Sinn der Sache ist.

Der Look ist generell eine höchst willkommene Abwechslung zum modernen Blockbuster-Hochglanz, denn hier sieht man wieder deutlich, dass Peter Jackson eben doch seine Finger im Spiel hatte: "District 9" ist dreckig, sehr dreckig. Das Risiko eines nicht ganz massentauglichen Filmes in Kauf nehmend, wurde der Film mit einer eindeutigen Trash-Ambiente ausgestattet. So geizt Blomkamp zeitweise nicht mit Gore- und Splattereffekten, inklusive abgerissener Arme und zerfetzter Körper, was manches empfindliche Gemüt vor den Kopf stossen mag. Doch gerade dieser konsequent schmutzige Ton - auch auf Handlungsebene - ergänzt sich hervorragend mit der Umgebung, den Slums von Johannesburg, und kann höchstens in gewissen Szenen etwas billig oder übertrieben wirken. Vielmehr orientiert sich "District 9" geschickt an zahlreichen Klassikern des Genres und sieht seinen Trash-Faktor viel mehr als eine Art liebevolle Hommage.
Darüber hinaus sollte auch nie der Verdacht aufkommen, Blomkamp hat viel mehr als Unterhaltung im Sinn. Zugegeben, die Alien-Einwanderung als verschmitze Parabel über die reale Flüchtlingsthematik ist ein überaus hoch gegriffener Einstieg und verschafft dem Film von Beginn weg eine grössere Tiefe als vielen anderen dystopischen Szenarien. Aber sehr bald regt sich ebenfalls die Befürchtung, es mit einem Film zu tun zu haben, der sich als eine mit dem Zeigefinger vorgetragene Moralpredigt inklusive bedeutungsschwangeren Allegorien versteht. Doch diese Befürchtung erweist sich sehr bald als unbegründet, denn Blomkamp geht im weiteren Verlauf des Filmes nur noch am Rande auf dieses Thema ein und manövriert die Story in ungefährlichere Gewässer. Wahrscheinlich ist es besser so, alles andere hätte wohl auf die Dauer lediglich plump gewirkt. So ist "District 9" in erster Linie Unterhaltung, wenn auch ungewohnt geradlinige, konsequent dreckige und mit interessanten gesellschaftskritischen Gedanken angehauchte Unterhaltung.

Die völlig unbekannten Schauspieler sind - wie erwähnt - eine Wohltat und werten den Film stark auf. Im Zentrum steht natürlich Kino-Debütant Shartlo Copley als Wikus Van de Merwe (mit herrlichem Akzent), der sich auf einen ausgezeichnet geschriebenen Charakter stützen kann und einen Protagonisten gibt, wie man es in diesem Genre selten sieht. Man könnte meinen, Blomkamp hätte den Hauptdarsteller einer durchschnittlichen romantischen Komödie genommen - ein Bürogummi im mittleren Alter, ein etwas ungeschickter Spiesser, dem keiner wirklich etwas zutraut und der einen etwas seltsamen Sinn für Humor hat - und ihn in die Szenerie eines düsteren SciFi-Thrillers gesetzt. Copleys schafft es, seine Figur schon ab dem ersten Interview ungeheuer sympathisch zu machen, und steht damit im angenehmen Kontrast zu dem seit Blade Runner in diesem Genre beinahe zur Regel gewordenen, düsteren Antihelden. Stört man sich nicht an der Optik oder stellenweise furiosen Inszenierung, kann man hier also mit einem tollen Protagonisten mitfiebern und ihm durch eine Story folgen, die gerade deswegen keine Sekunde Langeweile aufkommen lässt.

Wie erwähnt geht das Konzept der Mockumentary im ersten Teil des Filmes mehr als auf, Blomkamp war es offenbar jedoch klar, dass es sehr schwierig sein würde, diesen Stil über zwei Stunden beizubehalten. So entwickelt sich der Film spätestens in der zweiten Hälfte zu einem eher üblich inszenierten Action-Streifen im Stil von Terminator 4. Möglicherweise war dies die beste Lösung und stets vermag der Film sein überdurchschnittliches Niveau zu halten, was jedoch nicht darüber hinwegzutäuschen vermag, dass "District 9" gegen Schluss zum Teil vorhersehbar wird und sich dem Reiz der Materialschlacht nicht entziehen kann.
Erstaunlicherweise bietet "District 9" in der ersten Hälfte nämlich kaum rohe Action, sondern baut dank der ausgezeichnet eingeführten Ausgangslage eine enorme Spannung auf und positioniert die temporeiche Story klug zwischen den verschiedenen Fronten von Regierung, Gangs und Aliens. Überhaupt erweist sich Blomkamp als ein Kenner der Materie und vermag es geschickt, unzählige grundlegende, klassische Elemente des Genres auf verschiedenen Ebenen miteinander zu verweben und zu kombinieren. So bietet der Film nicht nur das kennzeichnende Thema des "First Contact", sondern auch eine gruselige Metamorphose und Dystopie-typische Gesellschaftskritik, was das Herz jedes SciFi-Fans schlagen lassen müsste. Dazu kommen wie schon erwähnt die unzähligen filmhistorischen Anspielungen auf grosse Werke des Genres, von Starship Troopers über "Alien", "Star Wars II", Independence Day und Matrix 3 bis hin zu The Fly, aber auch genreübergreifend auf Filme wie Black Hawk Down, wobei die Grenze zwischen Würdigung und direkter Inspiration mehrmals verwischt. Ein Meisterwerk ist Blomkamp nämlich auch mit Unterstützung von Jackson nicht gelungen, aber auf jeden Fall ein realistisch wirkender, gerade deswegen sauspannender Kracher, der mit seinem ungewöhnlichen Setting, einem abwechslungsreichen Drehbuch, einem tollen Hauptdarsteller, intelligenten Untertönen und einem hohen Mass an Kreativität und Durchsetzungswille einen frischen Wind ins Genre bringt. Einmal Fortsetzung, bitte!

"District 9" ist ein spannender, vor allem in der ersten Hälfte furios in Szene gesetzter Science-Fiction-Action-Film mit vielen originellen Ideen. Trash auf extrem hohem Niveau.

abgerundet ca. 8 von 10 Punkten