Donnerstag, 29. Oktober 2009

"Avatar" Trailer



You are on Pandora, ladies and gentleman.

Schon seit geraumer Zeit läuft der Teaser von James Camerons Mega-Spektakel Avatar als Vorschau in den Kinos. Heute wurde nun der offizielle, dreieinhalb Minuten lange Trailer auf Yahoo veröffentlicht.

Wie schon der "Teaser", welcher mit über zwei Minuten bereits eine stattliche Länge hatte, beeindruckt der Trailer in erster Linie durch die unendlichen Details der computergenerierten Bilder und die optische Wucht des Planeten Pandora, auf dem die Haupthandlung des Science Fiction-Filmes spielt. Es werden nun mehr Handlungsdetails preisgegeben und die Nebenfiguren eingeführt, darunter die von der Alien-Veteranin Sigourney Weaver gespielte Ärztin Grace Augustine. Die Musik im ersten Viertel stammt übrigens aus dem Soundtrack des Filmes The Island.

Nach wie vor sieht das Ganze nach einer gewaltigen Materialschlacht aus, deren digitaler Charakter sich in 3D - und dafür wurde der Film gemacht - hoffentlich weniger penetrant auswirkt. Ob Cameron es tatsächlich geschafft hat, das Uncanny Valley endlich zu überbrücken, darf nämlich weiterhin angezweifelt werden. Die kurzen Dialogauszüge zwischen den elfenartigen, blauhäutigen Na'vi bestechen nicht gerade durch ihre Natürlichkeit und wecken nach wie vor etwas unliebsame Computerspiel-Assozationen. Ausserdem vermag der Plot auch im Trailer noch nicht vom Hocker zu reissen - ein Mix aus "Star Wars", "Pocahontas" und "World of Warcraft"? - allerdings darf hier wohl darauf vertraut werden, dass Cameron noch so einiges in petto hat.

So oder so wird man mit einem Urteil über den Film, der angeblich den Auftakt zu einem neuen Kinozeitalter markieren soll, warten müssen, bis er am 17. Dezember endlich in den 3D-Kinos auf der ganzen Welt anläuft. Also: Wir sehen uns in Pandora!

Hier noch einige Schnappschüsse aus dem Trailer:








Sonntag, 18. Oktober 2009

Kontroll (DVD Review)



Kontroll

Als diesen Juli bekannt gegeben wurde, dass ein gewisser Nimród Antal beim kommenden "Predator"-Sequel Predators, das von Robert Rodriguez produziert wird, Regie führen soll, haben sich wohl die meisten gefragt: Wer zum Geier ist das? Tatsächlich hat die Hollywood-Karriere des aus Ungarn stammenden Antals erst vor wenigen Jahren begonnen, nämlich mit dem Mystery-Thriller Vacancy. Auf sich aufmerksam gemacht hat Antal hingegen schon 2003, nämlich mit seinem Kino-Debüt Kontroll - ein low-Budget Film, der ausschliesslich im U-Bahn-System vom Budapest spielt. Der Film wurde auf zahlreichen Festivals gezeigt und von vielen Kritikern als surreales Meisterwerk gelobt.

Handlung:
Kontroll handelt von einer fiktiven Gruppe wenig erfolgreicher Fahrkartenkontrolleure im U-Bahn-System der Stadt Budapest, die von den Fahrgästen kaum ernst genommen werden und oft genug in Konflikt mit Unruhestiftern kommen. Der Film spielt komplett in den Anlagen der Metro und präsentiert eine Vielfalt skurriler Charaktere. Die Haupthandlung dreht sich um Bulcsú, ein junger Kontrolleur, der Tag und Nacht unter der Erde verbringt und viel zu intelligent scheint, als dass er sich mit einem solchen Job abgeben müsste. Er wird aus seinem gewohnten Alltag gerissen, als ein mysteriöser Killer mit einer schwarzen Kapuze mehrfach zuschlägt, indem er scheinbar willkürlich Leute vor fahrende Züge stösst. Seltsamerweise schafft es der Killer dabei, stets alle Überwachungskameras zu umgehen.
(frei nach Wikipedia)

Natürlich sollte man keine falsche Erwartungen an "Kontroll" haben: Gekostet hat der Film gerade mal eine halbe Million Euro und steht somit sogar im europäischen Vergleich erst weit hinten in Sachen Budget. Der positive Aspekt daran ist sicherlich, dass sich Regisseur Antal - gemeinsam mit Jim Adler auch Drehbuchautor - dadurch niemandem verpflichtet fühlen musste und seine Kreativität ungehemmt auf die Leinwand bringen konnte.
So fällt an "Kontroll" sehr bald auf, dass er sich keinem eindeutigen Genre zuordnen lässt - vielmehr ist es ein wilder Mix verschiedener Filmrichtungen, der überdies eine recht grosse Anzahl Charaktere beherbergt. Somit bestand von Anfang die Gefahr, dass der Film den roten Faden und der Zuschauer den Überblick verlieren könnte. Es überrascht somit umso mehr, dass "Kontroll" mit einen runden Spannungsbogen und ein stimmiges Gesamtbild überzeugt.

Gelungen sind in erster Linie die Charaktere, die dazu überaus schillernd und glaubhaft von den (in Ungarn zu einem grossen Teil bekannten) Darstellern verkörpert werden. Hier gibt es die ganze Bandbreite, vom unerfahrenen Neuling bis zum abgebrühten, zynischen Alten, wobei keine einzige Figur wirklich normal zu sein scheint und man sich gerade deswegen so sehr mit ihnen identifizieren kann. Beinahe schon ein Herz aus Stein müsste man haben, wenn man nicht bereits nach wenigen Minuten mit dieser schrulligen Truppe von Kontrolleuren mitfiebert und mitleidet in der Welt ihrer täglichen Probleme.
So gesehen jongliert der Film auch sehr geschickt mit den zahlreichen Handlungssträngen, die sich wie das unterirdische Netz von Gängen, Rolltreppen und Gleisen überkreuzen. Das Drehbuch darf man als eine beachtliche Leistung bezeichnen, da es seine Geschichte voller Abwechslung erzählt: Mal witzig, mal rasant, mal romantisch, mal ernst, mal melancholisch und dann wieder sehr, sehr düster. Auch die temporeiche, atmosphärische und ausgewogene Umsetzung lässt unter den gegebenen Umständen nichts zu wünschen übrig.
Grandios ist auf jeden Fall, wie originell die gewöhnlich anmutende Ausgangslage inszeniert wird: Statt ein dokumentarisches Drama zu erzählen, gestaltet Antal das unterirdische System als moderner Western geradezu mit Steampunk-Ambiente. Wie hoffnungslos unterlegene Sheriffs streifen die Kontrolleure durch die heruntergekommenen Metro-Stationen und liefern sich Konflikte mit Hip-Hoppern, Betrunkenen, gewaltbereiten Banden und sogar mit ihren Konkurrenten, den anderen Kontrolleuren. Dabei kommt es inmitten dieser von endlosen Gleisen, schmutzigen Säulenhallen und grossen Turbinen beherrschten Welt zu handfesten Duellen, als ginge es um den universellen Kampf zwischen Gut und Böse selbst. Was Realität und was Illusion ist, weiss man in Antals Film dabei nie so genau, ist aber auch nicht allzu wichtig.

Zusammen mit rockigem Techno-Soundtrack ist "Kontroll" ein Film geworden, der einen erstaunlichen Spagat fertigbring: Ein Drehbuch, das bezüglich Absurdität geradezu von Albert Camus stammen könnte, kombiniert mit einer Inszenierung, die sich an David Lynch und Andrei Tarkovsky orientiert. Herausgekommen ist ein Film, den man gleichzeitig als eine Sozialstudie ala La Haine und als Fantasy-Thriller ala Wächter der Nacht sehen kann. Ein kleiner, aber feiner Film und ein starkes Stück osteuropäisches Kino.

"Kontroll" ist ein düsterer, aber auch humorvoller Genremix, ein urbaner Untergrund-Western mit skurrilen Charakteren.

ca. 8 von 10 Punkten


Weitere Bilder:










Stay (DVD Review)



Stay

Dass der Schweizer Regisseur Marc Forster auch anderes als Mainstream wie Quantum of Solace drehen kann, hat er schon mehrfach unter Beweis gestellt. Am konsequentesten tat er dies ohne Frage 2005 mit dem komplexen Psychothriller Stay, der zwar vom Publikum praktisch ignoriert wurde, bei vielen Kritikern jedoch Anklang fand.

Handlung:
Dr. Sam Foster (Ewan McGregor) ist ein Psychiater, der von seiner erkrankten Kollegin Dr. Beth Levy die Behandlung ihres Patienten Henry Letham (Ryan Gosling) übernimmt. Der junge Mann ist depressiv und gibt mysteriöse Vorhersagen von sich. Anfangs glaubt Foster ihm nicht sonderlich, doch als Henry unter anderem einen Hagelschauer vorhersagt, der tatsächlich eintrifft, beginnt Foster langsam, seinen Patienten ernst zu nehmen. Schließlich kündigt Henry an, sich nur wenige Tage später, und zwar genau an seinem 21. Geburtstag, um Mitternacht das Leben zu nehmen.
(frei nach Wikipedia)

Gibt es etwas schöneres, als zu Beginn eines Reviews einfach mal vorbehaltlos die Inszenierung eines Filmes loben zu können? Das hat sich Forster mit "Stay" nämlich verdient. Hier lässt er seinen ganz eigenen Stil, wie man ihn etwa aus Stranger Than Fiction in frappierender Ähnlichkeit kennt, jede Sekunde durchblicken. Die Bilder des Filmes zeichnen sich dadurch aus, dass sie hervorragend ausgeleuchtet sind, durch Tiefe und Dynamik glänzen und kunstvoll mit den verschiedenen Ebenen arbeiten. Beeindruckend auch, wie sie höchst unkonventionell zu einem Gesamtbild zusammengeschnitten wurden. Das stimmige optische Gesamtbild des Filmes ist zweifelsohne der Tatsache zu verdanken, dass Regisseur Foster, Kameramann Robert Schäfer und Cutter Matt Chesse ein eingespieltes Team sind und bisher in nicht weniger als sechs Kinoproduktionen zusammengearbeitet haben. Diese erfolgreiche künstlerische Verbindung kulminiert etwa in höchst komplex verschachtelten Übergängen, wie man sie bisher erst selten gesehen hat.

Nicht ganz so vorbehaltlos lässt sich das Originaldrehbuch von David Benioff (Troy, X-Men Origins: Wolverine) loben. Dies beginnt bereits bei den Dialogen, welche teilweise etwas gar plump und konstruiert daher kommen, wobei auch die Figurenzeichnung nicht mit allen Wassern gewaschen ist. Sowohl Ryan Goslings so wie Naomi Watts Figur wirken stellenweise einseitig und zu passiv, und auch ihre Darsteller vermögen nicht viel mehr als Durchschnitt daraus zu machen. Deutlich positiver bleibt Ewan McGregor als Dr. Sam Foster in Erinnerung, der trotz einer Figur, die ebenfalls nicht allzu viel herzugeben scheint, praktisch durchweg zu überzeugen vermag.

Generell kann man wenn, dann vor allem dem Drehbuch vorwerfen, dass "Stay" kein Mystery-Thriller auf dem genialen Niveau eines David Lynch (Mulholland Dr.) geworden ist - denn das würde der Film gerne sein. Es bleibt der Eindruck, dass sich Benioff etwas zu viel vorgenommen hat, indem er voller Tatendrang und in bester Science-Fiction-Manier Realität und Fiktion verwebt. "Stay" beginnt als normaler, gewöhnlicher Film über einen Psychiater und seinen Patienten, deren Story in der ersten Hälfte durchaus berechenbar daherkommt. Doch dann wird diese Normalität immer mehr von Deja-Vùs, psychedelischen Zwischensequenzen und ruckartigen Handlungssprüngen (Jump-Cuts) verdrängt. Gewiss, das vermag hartgesottene Fans des Independentkinos zu unterhalten und bald einmal wird dann auch klar, dass man in diesem Film dem gezeigten keinen Glauben schenken darf. Das eigentliche resultierende Problem ist wahrscheinlich, dass man fortan abgesehen von der Prämisse, dass sich Henry am Samstag umbringen will, nichts Handfestes mehr hat, an dem man sich festhalten kann - es fehlt der rote Faden. So wird der Zuschauer vom Geschehen längst nicht so sehr mitgerissen, wie es möglich wäre, da die überladene optische Aufbereitung und die konfuse Handlung mehr und mehr zum Selbstzweck zu verkommen scheinen.

Natürlich, die finale Totalauflösung ist überaus originell, reisst gegen Schluss doch noch kräftig die Kurve Richtung Gänsehaut herum und so kann man bei "Stay" sicher nicht von einem misslungenen Experiment sprechen. Was Forster hier abgeliefert hat, ist anspruchsvolles Kunstkino auf hohem Niveau, das nebenbei auch einfach toll aussieht. Trotzdem wäre mehr aus der Grundidee herauszuholen gewesen.

"Stay" ist ein atmosphärisch äusserst dichter, storymässig teilweise konfuser Mystery-Thriller, der scheinbar etwas mehr sein möchte, als er ist.

abgerundet ca. 7 von 10 Punkten


Weitere Bilder:










Mittwoch, 7. Oktober 2009

Zitate aus der Kino-Debatte



Kino - Der gefährlichste Erzieher des Volkes

Eine kleine Notiz am Rande: Es ist doch erstaunlich, wie wenig der Mensch aus der Geschichte zu lernen pflegt - gerade was Erfindungen, Neuerungen und grosse kulturelle Veränderungen anbelangt. Hört man sich heute die Argumente der Befürworter von Zensur im Kino an, wenn sie über geistige Verdummung, schlechte Vorbilder und Nachahmungs-Taten klagen, so fühlt man sich doch ziemlich an die Anfänge der Kinogeschichte erinnert. Vor ziemlich genau hundert Jahren - und ohne Zweifel seither immer wieder - wurden nämlich die exakt selben Argumente gegen diese gefährliche, kulturschädigende Neuerscheinung Kino ins Feld geführt.

In der Zeit, bevor das Kino etwa 1916 im deutschsprachigen Raum als Kunstform akzeptiert wurde, herrschte die sogenannte "Kinodebatte", in deren Zuge vor allem Lehrer und Geistliche, die voller Unbehagen das neue Vergnügungsmittel der Massen beäugten, nach einer strengen Zensur, teilweise sogar Beschränkung des Kinos auf bildungstechnische Zwecke riefen. Ich möchte hier kurz einige Stellen aus damaligen Publikationen zitieren, die aus heutiger Sicht wirklich köstlich zu lesen sind:

Robert Gaupp stellt in "Die Gefahren des Kino" noch ganz nüchtern fest, was bis heute offensichtlich vollkommen unverändert geblieben ist:
"Es hat physiologische Ursachen, wenn der humoristische Film und die derbe Situationskomik die Jugend am meisten entzücken."
Weiter beobachtet er, was sich verblüffenderweise praktisch eins zu eins auf die heutige Zeit übertragen lässt:
"Die Inhaber der Kinematographentheater wissen längst, dass nicht die belehrenden Filme, sondern die derb-komischen Szenen und das Schauerdrama die Kassenstücke darstellen."
Etwas düsterer wird der Tonfall bereits wenige Seiten später:
"Die widerliche Spekulation auf die Freude des Menschen am Krassen und Schauerlichen [...] macht sich breit."
Das kommt einem doch vage bekannt vor, nicht?

Noch 1919 schrieb Clara Zerkin in Worten, die an Pathos kaum mehr zu übertreffen sind:
"Die Filmkunst spekuliert auf die niedrigsten Leidenschaften, die brutalsten Instinkte, um ein unerzogenes, sensationslüsternes, wie ein übersättigtes und stärkste nervenaufpeitschung verlangendes Publikum anzulocken und die Lichtspieltheater zu füllen. Es münzt die Schwächen, Rückständigkeiten, Entartungstriebe der Bevölkerung zu Geld, das bekanntlich nicht stinkt, auch wennn es aus Schmutz und Blut aufgehoben wird."
Ganz konkret wird Gaupp übrigens auch bezüglich Gewaltverherrlichung auf der Leinwand:
"Für noch gefährlicher halte ich die oft grauenhaft plastischen Darstellungen aus dem Verbrechenleben."
"Der Abschreckungswert des moralischen Schlusses fällt gar nicht ins Gewicht gegenüber der tiefen Wirkung, welche die Heldentaten des kühnen Verbrechers auf das jugendliche Gemüt ausüben."

"Die Zeitungen melden uns erschreckende Vorkommnisse, bei denen jugendliche Personen das im Kino gesehene Verbrechen in der Wirklichkeit nachahmen wollen."
Offenbar schien nicht einmal die - meistens - moralisierende Auflösung der damaligen Stummfilme Gaupp zu besänftigen - was hätte er da wohl zu den heutigen Splatter-Orgien wie Hostel gesagt?

Generell wirkt es so, als könne das Kino überhaupt nur destruktive Einflüsse auf die "Psyche der Masse" ausüben. Hermann Kienzl schreibt von einer "Geistesverpöbelung", Franz Pfemfert von einer "trostlosen [kulturellen] Öde unserer modernen Zeit" und gar von einem "Strudel der Trivialität", der die ganze Gesellschaft "zu verschlingen droht". Zusammenfassend stellt Gaupp fest:
"Und so wird der Inhalt des Dramas zur verhängnisvollen Suggestion für die willenlos hingegebene Psyche des einfachen Menschen."
Pfemfert fügt noch hinzu, dass er die technischen Errungenschaften des Kinos zwar würdige, macht jedoch sogleich klar:
"Aber das gleicht den Schaden nicht aus, den Kino als Erzieher im Volke angerichtet hat und anrichtet. [...] Kino ist der gefährlichste Erzieher des Volkes."
Es darf wohl behauptet werden, dass die Geschichte ihm nicht Recht gegeben hat.


Die Auszüge stammen aus dem Buch "Prolog vor dem Film. Nachdenken über ein neues Medium 1909-1914" (Amazon)

Samstag, 3. Oktober 2009

Cargo (Kino Review)



Cargo


Ein Schweizer Science Fiction-Film! Hätte vor 10 Jahren jemand davon zu träumen gewagt? Ja, hätte jemand. Dieser jemand heisst Ivan Engler und hat vier Jahre lang zusammen mit Produzent Marcel Wolfisberg an der Idee getüftelt, den Schweizer Film in eine völlig neue Sphäre vorstossen zu lassen, sozusagen die Filmlandschaft Schweiz um die Unendlichkeit des Alls zu erweitern. Nun, fünf Jahre und eine nicht ganz krisenfreie Produktionszeit später, ist sein Werk endlich vollendet und Cargo ist in den Kinos gestartet. Es ist Zeit, Hand aufs Herz zu legen und sich abseits aller nationalen Sympathiegefühlen zu fragen: Was taugt er wirklich, dieser erste Schweizer Science Fiction-Film?

Handlung:
Es ist das Jahr 2237. Nachdem die Erde nach einem Öko-Kollaps unbewohnbar geworden ist, leben die verbliebenen Menschen auf überfüllten Raumstationen im All. Die junge Ärztin Laura Portmann ist eine von ihnen. Da sie auf eine bessere Zukunft auf dem fernen Planeten Rhea hofft, lässt sie sich auf dem heruntergekommenen Raumfrachter Kassandra anheuern, um auf dem vierjährigen Flug genügend Geld zu verdienen. Doch sehr bald wird klar, dass es auf dem Raumschiff nicht mit rechten Dingen zugeht.
(frei nach Wikipedia)

Nach den ersten Zahlen sieht es nicht danach aus, als würde "Cargo" ein grosser Kassenerfolg werden. Das ist schade und für die hiesige Filmlandschaft frustrierend, war jedoch zu erwarten. Denn der Film entpuppt sich sehr bald als das, was nach dem Trailer prognostiziert wurde und beinahe wie ein Fluch über der neuer Generation von "grossen" Schweizer Filmen zu liegen scheint: Handwerklich top, inhaltlich Flop - müsste man die Problemsituation auf eine pauschalisierende Formel bringen, wäre es wohl so zu umschreiben. Dass man Englers Traumprojekt damit nicht gerecht wird, sollte hingegen selbstverständlich sein.

Die gute Nachricht: Es hätte viel schlimmer sein können. Grösstenteils bewegt sich Englers Schiff auf solidem Kurs, ohne zuviel Risiko einzugehen, und erreicht seinen Ziel durchaus, einen Schweizer Film auf die Beine zu stellen, der alles bisher dagewesene übertrifft - sei es auch nur visuell. Die schlechte Nachricht: "Cargo" hätte viel besser sein müssen, um die Leute tatsächlich ins Kino zu ziehen und eventuell sogar jenseits der Landesgrenze erfolgreich zu sein. Der Film bietet zwar zahlreiche positiv hervorstechende Aspekte, radiert diese jedoch geradezu systematisch durch ebenso viele negative Punkte aus.

Der grösste Erfolg des Projektes ist es, dass man ihm seine wenig begüterte Herkunft nicht ansieht. Was Engeler mit seiner Crew über ein halbes Jahrzehnt aus verhältnismässig mikroskopischen 5 Millionen Franken Budget herausgeholt hat, ist gewiss beeindruckend und erstickt die meisten Gedanken, dass man eben "nur" einen Schweizer Film vor sich hat, im Keim. Die resultierenden Erwartungen, eine ausgeklügelte, spannende Story von Hollywood-Massstäben vorgesetzt zu bekommen, kann Engleler (und Co-Drehbuchautoren wie Arnold Bucher und Patrik Steinmann) hingegen auch nicht befriedigen.
Zwar geschieht sehr viel in "Cargo", nichtsdestotrotz bleibt am Ende der Eindruck, dass doch nicht wirklich etwas geschehen ist. Logiklöcher grosszügig beiseite gelassen, macht die Geschichte als Ganzes nur bedingt den Eindruck eines harmonischen Ganzen, dessen Einzelteile man auf einen packenden gemeinsamen Nenner bringen könnte. Vielmehr kommt immer wieder das Gefühl auf, dass sorgfältig aufgebaute Atmosphäre unvermittelt gestört wird - sei es nun durch deplatzierte Romantik, unnötige Hollywood-Action oder plötzliche 360-Grad-Wendungen der Story. Ein grosser Teil der zweiten Hälfte, eigentlich sogar das ganze Showdown, wirkt überstürzt erzählt, zu bemüht und unkontrolliert wird das sprichwörtliche Ruder herumgerissen.
Nicht, dass unerwartete Wendungen in diesem Genre eine schlechte Idee wären, nur müssten sie sorgfältiger eingeführt werden, um den Zuschauer nicht fahrlässig zu überrumpeln. Doch genau das tut "Cargo" und schleudert uns am Ende geradezu ins leere All hinaus, ohne genügend auf den Hintergrund der Zukunftsversion einzugehen, damit man sich richtig in diese fiktionale Welt hineinversetzen und -fühlen könnte. Davon ist bei "Cargo" leider zu wenig zu spüren. Hätte sich der Film konsequent auf das Innere des düsteren Frachters konzentriert - dessen Setdesign übrigens auch im Detail überzeugend gestaltet wurde - hätte die Sache vermutlich besser funktioniert. Doch damit schien sich Engeler nicht zufrieden zu geben und erliegt der Versuchung, nicht nur handwerklich, sondern auch inhaltlich zu den Sternen zu greifen.

Es wirkt generell so, als könne sich der Film nie richtig entscheiden. Einerseits will er Hollywood sein, anderseits auch wieder nicht; "Cargo" will beides sein, Alien und 2001, sowohl Star Trek als auch Blade Runner. Es ist nicht nötig, noch einmal zu wiederholen, auf welche Filme speziell angespielt wird - meistens ist es offensichtlich und wurde schon ausreichend dokumentiert. Darin liegt auch nicht das grundsätzliche Problem, denn der Film hätte durchaus funktionieren können als Versatzstück von 60 Jahren Weltraum-Popkultur (wie es District 9 erst kürzlich getan hat), doch in "Cargo" hat man zwar die Iris-Grossaufnahmen von "Blade Runner" und die mysthischen Wolkenformationen aus "2001", wirklich etwas damit anzufangen weiss der Zuschauer jedoch nicht, da sich Engeler dagegen wehrt, seinen Film schubladisieren zu lassen.
So funktionieren viele einzelne Szenen nach Hollywood-Schema - und an sich funktionieren sie grösstenteils - sei es nun in Sachen Weltall-Suspense, Holzhammer-Romantik oder einfach Action (welche leider etwas gar unübersichtlich inszeniert wurde), und doch schwebt über allem spürbar der Anspruch, mehr zu sein als dumpfe Daueraction. Vielmehr möchte "Cargo" auch ein Charakterdrama sein, ein düsteres Kammerspiel - nur leider fehlt von den dazu notwendigen Charakteren jede Spur.

Eine gute und notwendige Entscheidung war es auf jeden Fall, den Film in Schriftdeutsch zu drehen, dennoch gibt es nur vereinzelt lobende Worte für das Schauspielerensemble zu verlieren. Newcomerin Anna-Katharina Schwabroh verkörpert die Protagonistin Laura bewusst kalt und verschlossen. Welche Absicht auch immer dahinter liegen mag, sie bleibt schleierhaft angesichts dem resultierenden Effekt, dass der Zuschauer kaum eine Verbindung mit ihr herzustellen vermag. Selbst wenn sie es durchaus vermag, punktuell Emotionen zu bewegen, steht die meiste Zeit die eisige Luft des Frachters wie eine Barriere zwischen dem emotionalen Geschehen auf der Leinwand und dem Publikum. Auch die Figur wurde zu kalt gezeichnet und wirkt trotz klar deklarierter Motivation über weite Strecken uninteressant gestrickt und sträflich unpersönlich.
Martin Rapold gibt neben ihr auch nicht viel mehr her als ein reduzierter Matthew McConaughey, der im Hintergrund herumsteht und gut aussieht, im weiteren Verlauf der Geschichte zwar mehr ins Scheinwerferlicht gerät, dort aber nur als umso blasser erscheint. Auch der Rest der Crew bleibt auf eine oder zwei Eigenschaften beschränkt und sorgt nur begrenzt für grosse Momente, selbst bei der klassischen Duo-Konstellation der beiden Mechaniker entsteht keine spürbare Chemie. Es bleibt der Eindruck von Schauspielern, die auf einer unterkühlten, virtuellen Theaterbühne agieren.

Im Gegensatz zu Figuren und Darsteller kann man über die Optik praktisch ausschliesslich lobende Worte verlieren, worüber allerdings wohl ebenfalls schon genug geschrieben wurde. Worin der Film auf jeden Fall grandios funktioniert, ist die Einführung, wo man von Beginn weg mit einer ungeahnten Fülle an aufwändig visualisierten CGI-szenen konfrontiert wird, wie man es im Schweizer Business noch nie auch nur ansatzweise gesehen hat. Selbstverständlich kann sich kann sich "Cargo" nicht mit einem Star Trek messen, das muss er aber auch nicht. Denn dank seinen Effekten entsteht tatsächlich - in Kombination mit atmosphärisch ausgeleuchteten Setaufnahmen - ein Feeling, auf das sich der Film bis zum Schluss immer wieder stützen kann. Dadurch driftet "Cargo" trotz Handlungsschwächen zu keinem Zeitpunkt in absolute Teilnahmslosigkeit ab und kann sogar den spektakulär überspannten Schluss gerade noch so verkraften - auch wenn für manchen Geschmack an dieser Stelle der Bogen brechen mag.

So oder so, am Ende kann man nicht anders, als kopfnickend in die Hände zu klatschen angesichts des enormen Durchsetzungswillens, den es zur Fertigstellung eines solchen Projektes in der Schweiz - leider - bedarf. Trotzdem bleibt der Wunsch nach einem grossen Schweizer Film, der eben nicht nur handwerklich, sondern auch dramaturgisch vollständig überzeugt, weiterhin unbefriedigt. So ist "Cargo" zwar der beste Schweizer Science Fiction-Film bisher, aber eben auch der schlechteste.

"Cargo" ist tricktechnisch beeindruckender und optisch einprägsamer Weltall-Thriller, der leider zwischen Stuhl und Bank fällt: Für den Mainstream-Konsumenten zu düster, zu kompliziert und zu wenig actiongeladen, für Filmliebhaber und hartgesottene SciFi-Fans zu flach, zu unausgereift und zu deutlich von grossen Vorbildern inspiriert.

ca. 6 von 10 Punkten