Montag, 21. Juli 2008

The Silence of the Lambs (DVD Review)



Das Schweigen der Lämmer

Jodie Foster und Anthony Hopkins gehören heute beide zu der obersten Stufe der Hollywoodstarts. Beide waren zwar schon längerem keine völlig unbekannten Gesichter und dem einen oder anderen bekannt, Foster etwas aus Taxi Driver und Hopkins aus A Bridge Too Far, aber zu Weltrum gelangt sind beide erst 1991, und zwar mit Jonathan Demmes vielfach Oscar-gekrönten Psychothriller The Silence of the Lambs

Die junge FBI-Agentin Clarice Starling befindet sich noch in der Ausbildung, als sie in einem besonders schwierigen Fall die Hauptrolle übernehmen muss. Das FBI ist auf der Jagd nach einem Serienmörder, der von den Boulevard-Medien „Buffalo Bill“ getauft wurde. Dieser hat bereits mehrere junge Frauen ermordet und Hautstücke der Opfer segmentartig abgezogen. Nun wird die Tochter einer Senatorin vermisst. Da die Ermittler keinen Schritt weiterkommen, entschließen sie sich zu einer ungewöhnlichen Taktik. Ausgerechnet der inhaftierte Serienmörder Hannibal Lecter, der mit Vorliebe die Innereien seiner Opfer verspeist, soll ihnen bei der Aufklärung des aktuellen Falls helfen. Der Psychopath ist zwar einerseits hochgefährlich, aber als gelernter Psychiater hat er einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Polizei. Er kann sich in die Gedanken des Täters hineinversetzen und seine nächsten Schritte erahnen.
Clarice trifft Hannibal in seiner Gefängniszelle. Der Mörder zeigt sich kooperativ, aber er stellt eine Bedingung. Für jede Information, die er herausrückt, will er etwas Privates von der Polizistin erfahren.
(frei nach Wikipedia)

Eigentlich sollte ja der Protagonist die wichtigste Figur eines Filmes sein, aber hie und da kommt es vor, dass dem Bösewicht viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Batman ist so ein klassischer Fall, da man angesichts Jack Nicholsons grandioser Leistung beinahe vergisst, dass Michael Keaton auch noch mitspielt. Auch "The Silcence of the Lambs" ist ein Film, der grandios mit unserer Faszination am Bösen spielt. Wobei "böse" nicht wirklich der passende Ausdruck zu sein scheint, denn irgendwie mag man ihn, diesen Dr. Hannibal Lecter. Der kleine ältere Herr mit seiner weichen, einfühlsamen, mysteriösen Stimme weckt das Gefühl einer Art väterlichen Geborgenheit in uns. Und gleichzeitig lässt er uns einen kalten Schauer über den Rücken laufen, denn wir wissen, dass dieser Mensch ein Monster ist, ein kaltblütiger Kannibale. Selten sah man eine so faszinierende Ambivalenz auf der Leinwand. Zu verdanken ist sie - natürlich - Sir Anthony Hopkins. Er spielt den Psychopathen mit einer solchen Präsenz, dass man sich wie Clarice von seinem Blick beinahe hypnotisieren, bis hinterste Versteck der Gedanken durchleuchtet fühlt. Einmal mehr ging der Oscar an die richtige Adresse. 
Man könnte meinen, dass Dr. Lecter in all seiner Wucht der eigentlichen Hauptdarstellerin völlig die Show stiehlt. Auf der Ebene der Handlung tut er das möglicherweise, aber schauspielerisch sind Hopkins und Foster auf Augenhöhe, denn letztere überzeugt ebenso als unsichere, traumatisierte Polizistin. Beide sind hier wahrscheinlich in der besten Rolle ihrer bisherigen Karriere zu sehen und harmonieren fantastisch zusammen. 

Dazu kommt, dass es der restliche Film ebenso in sich hat. Ted Tally schrieb auf der Basis von Thomas Harris' drittem Roman ein klassisches, durchdachtes Drehbuch, das von Jonathan Demme mit atmosphärischen, düsteren Bildern zu einem nervenzerreissenden Film umgesetzt wurde. Ein ist praktisch allen Aspekten souveränes Werk, das zu Recht mit fünft Goldstatuen geadelt wurde. Demme arbeitet auch gekonnt mit Symbolik, etwa wenn sich Clarice Zugang zu Lecters ehemaligen Arbeitsplatz verschafft und sich dabei verletzt, als ob die Hölle der menschlichen Abgründe ein paar Tropfen Blut als Tribut für den Eintritt fordern würde. Gleich darauf folgt mit einer ausgestopften Eule eine herrliche Anspielung auf Psycho, den Vater aller Psychopathenfilme. 

Natürlich ist der Film nicht jedermanns Tasse Tee. Er ist tabulos, blutig, hässlich und brutal, auch wenn sich viele der schlimmsten Szenen lediglich im Kopf des Zuschauers abspielen. Ein psychologischer Horrorfilm, der sich mit den extremen, aber auch den alltäglichen Abgründen der menschlichen Seele, den sexuellen und zerstörerischen Trieben befasst.

"The Silence of the Lambs" ist ein durch das lumpenreines Drehbuch und zwei Schauspieler in Top-Form flankierter, hoch spannender Psycho-Horrorthriller. Ganz grosses Schauspielkino mit einem der faszinierendsten Bösewichte aller Zeiten. 

ca. 9 von 10 Punkten


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Sonntag, 20. Juli 2008

Memento (DVD Review)



Memento

Eine von vielen Faustregeln des Filmemachens lautet: Es wurden schon aus guten Drehbüchern schlechte Filme gemacht, aber noch nie ein guter Film aus einem schlechten Drehbuch. Abgesehen von den Regel-bestätigenden Ausnahmen kann man sich also die Frage stellen, wie wichtig das Drehbuch für einen Film eigentlich ist. Auf jeden Fall nimmt es gegenüber dem Lohnanteil des Schreibers am Budget, welcher traditionell etwa 1-3% beträgt, überproportional viel Platz ein. Aber wie viel? Das schwankt natürlich so stark wie es unterschiedliche Arten von Filmen gibt. Wenn der Fokus mehr auf die Aufmachung und die optischen Schauwerte gelegt wird oder auch wenn die Absicht in erster Linie die Innovation und Rebellion, das Brechen der alten Gesetze ist, kann das Pendel ziemlich stark nach unten ausschlagen. Auf der anderen Seite stehen diese Filme, bei denen das Drehbuch alles ist. Christopher Nolans Memento beispielsweise.

Am Anfang jedes Filmes steht die Idee. Die Idee kann gut, aber mässig ausgeführt sein , die Idee kann unspektakulär, aber gut ausgeführt sein. Bei "Memento" ist die Idee nicht nur gut, sondern revolutionär.

Nachdem seine Frau vergewaltigt und ermordet wurde, hat Leonard sein Langzeitgedächtnis verloren. Er besitzt zwar noch sein Kurzzeitgedächtnis, kann aber seither keine neuen Erinnerungen mehr für längere Zeit speichern. Das bedeutet, das sein Leben in kleine Splitter von 5 bis 10 Minuten zerfallen ist, nach denen er jeweils wieder alles vergisst und jedes Mal neu rekonstruieren muss, wie er hierher gekommen ist, wo er ist und was er hier macht. Doch während andere mit einem solchen Zustand nicht zurecht kommen, hat Leonard seinen Weg gefunden, ein Leben ohne Erinnerungen möglich zu machen: Routine. System. Er fotographiert Personen, Orte und Gegenstände, die ihm begegnen mit einem Polaroid (Sofortbild-Kamera) und schreibt kurze Notizen darunter. Wichtige Informationen tätowiert er sich auf den Körper und vertraut nur der Logik und unumstösslichen Fakten. Er hat auch einen guten Grund weiterzuleben. Er will Rache. "John G. raped and murdered my wife" steht auf seiner Brust.
Nicht ganz leicht, daraus ein Thriller zu machen. Aber es geht. Nolan macht Leonards Zustand für den Zuschauer nachvollziehbar, indem er gerade mal so jegliche traditionelle Regel über Bord wirft und beschliesst, seinen Film von hinten nach vorne aufzurollen. Das bedeutet, er nimmt all diese Splitter von Leonards Wahrnehmung und ordnet sie in umgekehrter Reihenfolge an. Von Ende bis Anfang. Als wäre dies noch nicht genug, schiebt er jedem Abschnitt ein parallel laufender Erzählstrang in schwarz-weiss dazwischen, welcher chronologisch korrekt läuft. Die beiden Strahlen treffen sich also am Ende des Filmes. Das hört sich nun vielleicht ziemlich kompliziert an. Ist es auch. Und auch wenn man sich doch erstaunlich bald an diese unorthodoxe Erzählweise gewöhnt hat, so bleibt es zu keiner Zeit ein leicht durchschaubarer Film. Hier ist mitdenken gefragt.

Das Rückwärtslaufen der Handlung gibt in diesem Fall auch mehr als Sinn. Daraus entsteht nämlich der geniale Effekt, dass wir nach jedem Abschnitt am selben Punkt wie Leonard stehen. Wir sind irgendwo, wir wissen nicht, wie wir hierher kamen, noch was wir hier wollen. Der Zustand der Krankheit wird in all seiner Hilflosigkeit und Unüberschaubarkeit für uns geradezu physisch nachvollziehbar.

Aber im Gegensatz zu Leonard können wir je länger je mehr all die Puzzleteile zu einem Bild zusammensetzten und wissen stets, was danach folgt, weshalb der Fokus also nie auf dem Endergebnis liegt, sondern darauf, wie es dazu kommt. Somit schafft Nolan eine ungewohnte Art von Spannung, die den ganzen Film durchzieht. Dazu kommt, dass er aus der Grundidee wirklich alles herausholt und zu einem Drehbuch formt, wie es nur ganz wenige gibt. Er verzichtet auf jegliche Art von Oberflächlichkeit oder Bequemlichkeit und spickt die Zeilen voll mit tiefgreifenden Dialogen, überzeugenden Charakteren und dem richtigen Mix von schnellen und langsamen Szenen, das Ganze keineswegs überladen oder kopflastig, sondern immer wieder mit kleinen Spritzer Humor. Vor allem bei den Figuren bohrt er kräftig nach, verschleiert ihre Motive und lässt nichts so sein, wie es auf den ersten Blick scheint. Alles zusammen rundet er ab durch einen perfekten Spannungsbogen, der ähnlich wie in Pulp Fiction eben künstlich und nicht chronologisch korrekt ist, und der in einem furiosen, alles über den Haufen werfenden Finale mündet, das seinesgleichen sucht. Das vielleicht best-geschriebene Filmende, das ich kenne. Überhaupt bietet "Memento" eines der besten und intelligentesten Drehbücher, die das Kino je zu Gesicht bekommen hat, und beweist eindrücklich, dass man all den Pomp, den Aufwand, den Luxus von Hollywoodproduktionen nicht braucht, um eine schlicht geniale Geschichte zu erzählen.

Doch glücklicherweise ist das Script nicht der einzige Grund, weshalb man "Memento" lieben kann. Nolan beweist nämlich auch als Regisseur sein Können und findet für sein wegweisendes Gedankenkonstrukt die richtigen einsamen, bedrückenden, an den Film Noir erinnernden Bilder. Abgesehen von einer rückwärts laufenden Sequenz zu Beginn (beziehungsweise zum Schluss) betritt der Film aber keineswegs visuellen Neuland, was auch ganz klar zu viel des Guten gewesen wäre. Grandiose, aussergewöhnliche Bilder braucht ein solcher Film nun wirklich nicht, ja sie wären sogar fehl am Platz.
Wichtiger sind da schon die Schauspieler und auch hier hat Nolan die scheinbar perfekte Wahl getroffen. Carrie-Anne Moss (Matrix) spielt die Barkellnerin Natalie grandios zwischen tückischer Verführerin und sensibler Leidensgenossin. Ihr Matrix-Kollege Joe Pantoliano (Bad Boys 2) überzeugt als immer gut aufgelegter Teddy, von dem man ebenfalls nie weiss, ob er Leonard nun helfen oder ihn ausnützen will, und dessen (Schlüssel)Rolle bis zum Schluss/Anfang unklar bleibt. Doch vor allem ist Guy Pearce (The Proposition) zu loben, der es mit seinen aufgestellten Haaren und seinem kantigen Kinn fertig bringt, die zerrissene Figur des Leonard glaubhaft darzustellen. Keine leichte Sache, einen Menschen, der alles verloren hat und nur noch ein Bruchstück seines alten Ichs ist, der die Hilflosigkeit seines Zustandes durch Coolness, Direktheit und Rationalität überspielen zu versucht, der sich in all seiner Einsamkeit an das letzte das ihm geblieben ist, die Erinnerung an seine Frau und die Suche nach deren Mörder, klammert, für den Zuschauer nachvollziehbar und vertraut zu machen. Eine grossartige Leistung. Eine noch nie gesehene Form des Racheengels.

Nolans Film besticht also nicht nur durch formelle Brillianz, sondern auch durch eine solide Umsetzung und tolle Darstellerleistungen. Er ist weit entfernt von einem verkopften Arthouse-Schinken, sondern fesselt in erster Linie durch sein Thrill, seinem Nervenkitzel, und ist somit allen zu empfehlen, die sich mal etwas abseits von der gängigen, altbekannten Hollywoodschiene unterhalten lassen möchten. Doch das ist noch längst nicht alles. Für die, die sich gerne etwas mehr Gedanken zu einem Film machen, bietet er noch viel mehr als blosse gut gemachte Spannung. Auf der Ebene der Aussage ist er nämlich mindestens ebenso vielschichtig.

In erster Linie packt Nolan die Themen Erinnerungen, Vergessen und Gedächtnis an. Damit verbunden ist die Suche nach Identität, das Wahrnehmen von Zeit und auch ganz allgemein unser durch die Wahrnehmung der Welt definiertes Bewusstsein. All dies, über das man alles eigene Bücher schreiben kann, angemessen ausgeführt in einem Film unterzubringen, ist weissgott eine Kunst.
Für uns ist das Gedächtnis die Grundlage unseres Handelns im Hier und Jetzt, es fungiert als Stütze, als Fundament, auf dem wir unsere Zukunft, sei es die nächste Minute oder das nächste Jahr, planen. Leonard fehlt dieses Fundament. Er muss anhand von reiner Logik und Kombination der Informationen entscheiden, muss sich auf Fakten verlassen. Er ist wie jemand, der beim dicksten Nebel auf der Autobahn fährt und der blind auf die Strassenschildern vertrauen muss. Ausser seiner selbstauferlegten Mission hat er keinen Bezugspunkt zur Welt, keinen Fixpunkt in seinem Leben. Er kann seine Identität nicht durch seine festgelegte Rolle in einer Struktur, Klasse oder sonstigem gesellschaftlichen Netz finden, sondern muss durch seine Erinnerungen definieren, wer er ist. Und da liegt das Problem. Seit er sein Gedächtnis und damit verbunden die Fähigkeit, Veränderungen wahrzunehmen, verloren hat, weiss er selbst nicht mehr wer er ist, auch wenn er das nicht wahrhaben will. Er wurde aus seinem alten Leben heraus gerissen und ist in einem Zustand der Zeitlosigkeit festgefahren. Für ihn ist Zeit kein fortlaufender Strahl mehr, sondern lediglich ein Hier und Jetzt ohne Vorher und Nachher, das sich endlos wiederholt. Sein Bewusstsein wurde mit dem Schlag auf den Kopf in tausend Scherben zerschlagen, was toll symbolisiert wird, indem die Kamera, nachdem Leonard zu Boden gegangen ist, von seinem blutenden Kopf in das scheinbar endlose Mosaik des Badezimmerbodens fährt. Seither macht er Fotos als Ersatz für seine Erinnerungen und schreibt das elementar wichtigste auf seinen eigenen Körper. Seine Tattoos sind sein Gedächtnis, wie von innen nach aussen gekehrt.
Nicht grundlos wird das Poster des Filmes von einer endlos-Fotographie geziert.

Viele weitere zentrale philosophische Themen wie Wahrheit, Schuld/Unschuld, Realität, Freudsche Verdrängnis oder Wissen werden ebenfalls angeschnitten, worüber man auf jeden Fall ewig diskutieren könnte. Es lohnt sich auch, den Film mehrmals zu sehen, aufgrund seines deutlichen allegorischen Gehaltes. Natürlich sind hier - wie oft - sehr viele Deutungsansätze möglich, ich will lediglich einige aufführen, die mir speziell aufgefallen sind.

[in den folgenden Absätzen sind leichte offene Spoiler enthalten]

"Memento" bietet tatsächlich einige Elemente, die man sehr leicht als Gesellschaftskritik, ja wenn nicht als Satire auffassen könnte. Wenn Nolan sagt, dass jeder Mensch Fakten, certainties im Leben braucht, um sich daran festhalten zu können, dann überspitzt er das gleichzeitig mit dem Fall Leonards und führt das totale, blinde Vertrauen in sogenannte Fakten ad absurdum. Wenn Leonard Personen auf wenige knappe Worte reduziert, die er auf seine Fotos schreibt, dann hat das einen so tragischen wie ironischen Aspekt. Auch das sture Folgen nach dem System wird ein wenig durch den Dreck gezogen.
Ein zentraler Punkt ist die Anonymität der heutigen Gesellschaft. Sein eigenes Rätselspiel führt Leonard einer Odyssee gleich durch eine namenlose Stadt, von Wohnung zu Wohnung, die Inseln gleichen. Es ist eine gesichtslose, seelenlose, urbane Welt, in der die Menschen wie auf Inseln der Einsamkeit durch das Wasser treiben. Leonard wacht jeden Morgen in einem anonymen Motelraum auf, es spielt keine Rolle ob er schon eine Woche oder ein Monat dort ist, es bleibt alles immer gleich. Da er keine Erinnerungen mit ihnen verbindet, haben die Gegenstände keine Bedeutung, es sind bloss Objekte. Sein Leben ist (zwangsweise) durch Routine bestimmt. Wenn er nicht seine Frau rächen müsste, würde er den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzen und Werbungen sehen.
In seiner Verzweiflung versucht er, seinem Leben einen Sinn zu geben. Und auch wenn er nur einen sehr beschränkten Zugang zur Wahrheit hat und auf eine Art in seiner eigenen kleinen Scheinwelt lebt, auch wenn er sich selbst etwas vorgaukelt, so spielt das keine Rolle, solange es ihm einem einen Grund gibt, weiterzumachen.
Ich bin mir bewusst, dass das vielen wieder nicht in den Kragen passen wird, aber mann könnte das auch religiös deuten: Es ist schlussendliche egal, ob Gott existiert oder nicht, der pure Glaube an ihn erfüllt seinen Zweck selbst. Der Weg ist das Ziel, könnte man sagen.

Manchmal wollen wir die Wahrheit gar nicht. Manchmal ist es besser, zu vergessen. Manchmal ist es besser, in einer Traumwelt zu leben. Denn schlussendlich steht Leonard mit seinem Zustand ohne Langzeitgedächtnis symbolhaft für unser aller Leben. Nach blanker Logik spielt es keine Rolle, wie er handelt, da er in zehn Minuten eh alles wieder vergisst. Nach blanker Logik spielt es auch keine Rolle, was wir in unserem Leben tun, da wir am Ende eh alle sterben und zusammen mit unseren Erinnerungen, die unser Ich definieren, ausgelöscht werden. Nach blanker Logik gibt es keinen Grund, sich für irgendetwas im Leben einzusetzen. Deshalb brauchen wir einen Sinn in unserem Leben, auch wenn wir ihn uns nur vorlügen. Wir brauchen die Sicherheit, dass es etwas ausserhalb unserer Gedanken gibt. Wir brauchen die Gewissheit, dass die Welt noch da ist, wenn wir die Augen schliessen.
Jeder braucht seinen John G.

Ich stelle mit rauchenden Fingern fest, dass ich gerade das längste Review meiner bisherigen Blogkarriere. Aber ich denke, das war es wert, der Film ist schliesslich einer meiner absoluten Favoriten.
"Memento" ist ein Independent-Thriller, der mit seinem innovativen Drehbuch alle Prunkwerke Hollywoods überflügelt und eine Geschichte über Erinnern und Vergessen erzählt, die so vielschichtig, so innovativ, so einzigartig ist, dass man nicht aus dem Staunen herauskommt. Ein wahres Meisterwerk.

ca. 10 von 10 Punkten


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Freitag, 18. Juli 2008

Design-Update


Möglicherweise bringen zwei Anglizismen in einem Ausdruck Unglück. Ich hoffe trotzdem, dass die neue Aufmachung meines Blogs bei ihnen ankommt. Die Welt des Brauns hat er hinter sich gelassen und präsentiert sich nun in selbstsicherem Schwarz und Weiss, das ganze mit einem Hauch von Blau. Der messerscharfe Kontrast soll jegliche Ablenkung vom Text im Keim ersticken und maximale Aufmerksamkeit gegenüber dem Inhalt ermöglichen. Oder so. 

Ausserdem ist der Header neu gestaltet und zwar mit zwei Helden der alten Schule, niemand geringerem als Cheyenne und Harmonica. Mit stahlhartem Blick wachen sie nun über die Worte und kontrollieren, dass sie keinen Mist erzählen. 

Ja, ich habe gerade etwas zu viel Zeit. 

Soundtrack Quiz 7


Hier habe ich ihnen ja schon mein eigenes kleines Quiz zu Filmmusiken vorgestellt. Dieses geht nun mit Teil 7 in die nächste Runde. Viel Spass beim Raten!

Movie Soundtrack Quiz 7




Die Lösungen vom Teil 6 sind:

1. Raiders of the Lost Ark (John Williams)
2. Control ("She's lost Control" by Joy Division)
3. Pan's Labyrinth (Javier Navarrete)
4. 300 (Tyler Bates)

Die Lösungen zu Teil 7 folgen mit Teil 8. 

Escape from New York (DVD Review)



Die Klapperschlange

John Carpenter, der damals mit Filmen wie Halloween oder The Thing viel zur Entwicklung des modernen Horrorfilms beigetragen hat und dessen Werke heute teilweise Remakes über sich ergehen lassen müssen, hat 1981 auch einen Ausflug in die Zukunft gemacht (nicht sein einziger) und bei Die Klapperschlange (mit dem uncoolen Originaltitel "Escape from New York") nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch geschrieben. Allerdings, wirklich viel zu schreiben gab es da nicht. 

USA 1997. Das Verbrechen hat derart zugenommen, dass herkömmliche Gefängnisse nicht mehr ausreichen. Ganz Manhattan ist ein Hochsicherheitsgefängnis. Wer dort einfährt, kommt nie wieder heraus. Abgeschottet von der Außenwelt werden dort etwa drei Millionen Gefangene sich selbst überlassen und haben eine eigene Gesellschaftsform entwickelt.
Eines Tages lassen Terroristen die Präsidentenmaschine Air Force One über New York abstürzen und die Rettungskapsel des Präsidenten landet ausgerechnet in Manhattan, wo er von den Häftlingen als Geisel genommen wird.
Dem Sträfling und Ex-Elite-Soldaten Snake Plissken wird die Freiheit versprochen, sofern es ihm gelingt, den Präsidenten mitsamt einer Audiokassette, die wichtige Informationen enthält, wieder heil aus Manhattan heraus zu holen. Da der Präsident auf dem Weg zu Friedensgesprächen mit China und Russland war, bleiben Plissken nur 24 Stunden Zeit. 
(frei nach Wikipedia)

Viel zu schreiben gab es deshalb nicht, weil die eigentliche Handlung nicht das aussergewöhnliche am Film ist. Spannung ist zwar genügend vorhanden, aber der rote Fade schlägt weder grosse Haken, noch ist der durch bemerkenswerte Dialoge oder Charaktere ausgeschmückt. Aber das ist hier auch gar nicht so wichtig. Denn das Aussergewöhnliche an "Die Klapperschlange" sind die Ausgangslage, das Setting und der Hauptdarsteller. 

Die Grundidee - eine Stadt als von Anarchie beherrschtes Gefängnis - ist famos und hat in der Filmwelt nachhaltige Spuren hinterlassen. Nicht wenige Filme haben sich davon beeinflussen lassen, von den überdeutlichen Parallelen des aktuellen Doomsday bis zum klaren Remake-Charakter von Banlieu 13. Die Idee, einen vertrauten Ort in die Zukunft zu verlegen und mit einer Gesellschaft ohne Recht und Ordnung zu kombinieren, fasziniert also bis heute. Ob eine solche Darstellung einen Wunsch in unserem Unterbewusstsein nach einer Art Apokalypse befriedigt, lässt sich diskutieren. Freud würde wohl sofort zustimmen. Dabei ist das Szenario gar nicht so fiktiv. In Bolivien gibt es tatsächlich die Gefangenenstadt Palmasola, wo die Menschenrechte auf jeden Fall nicht mehr als blosse Worte auf dem Papier sind. 

Nicht nur die Idee des Filmes hat bis heute begeisterte Nachahmer gefunden, auch das Setting war wegweisend. Von den Zigeunermässig-wild-dreckigen Kostümen der Gangmitglieder bis zu der kunstvoll beleuchtete, verfremdeten Kulisse Manhattans wurde alles mit viel Mühe und Sorgfalt gestaltet, sodass die Bilder auch ein Vierteljahrhundert danach noch überzeugen. Vor allem die nächtlichen Strassen gefallen mit ihrer sehr dichten Atmosphäre. Die Kameraführung und die Regie sind fortschrittlich, die Actionszenen solide inszeniert. 

Der dritte Punkt, weshalb der Film in das Gedächtnis der Filmgemeinde eingebrannt wurde, ist der Hauptdarsteller. Kurt Russel als Snake Plissken. Einer der coolsten Antihelden der Filmgeschichte. Carpenter orientierte sich an den guten alten Italowestern und schuf einen Testosteron-sprühenden, einäugigen und wortkargen Verbrecher, der den Präsidenten nicht aus Vaterlandsliebe sondern aus purem Eigennutz rettet. Dadurch bekommt der Film einen leichten politischen Subplot. Russel erhielt mit seiner Augenklappe, dem Schlangentattoo und der wallenden Mähne Kultstatus und wurde zum erwachsenen Hollywood-Star. Ansonsten bietet der Film zwar einige bekannte Gesichter (beispielsweise "Sentenza" Lee Van Cleef und Donald Pleasence aus Gesprengte Ketten), aber keine herausragenden Darstellerleistungen. Wie unsinnig Carpenter seine Lebensparnerin Adrienne Barbeau inszenieren muss, kann einem sogar fast auf die Nerven gehen. 

Insgesamt ist der Film auf jeden Fall kein Meisterwerk, dafür sind gewisse Schwächen zu offensichtlich, gehört aber mit Mad Max und Blade Runner zu den filmischen Szenarien, die um das Jahr 1980 herum dem Science Fiction eine völlig neue Richtung gegeben haben. 

"Die Klapperschlange" ist ein Cyberpunk-Actionfilm, dessen Ausgangslage, Aufmachung und Hauptdarsteller nach nur einem schreien: Kult!

ca. 8 von 10 Punkten


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Donnerstag, 17. Juli 2008

Pulp Fiction (DVD Review)



Pulp Fiction

Wenn man über "grosse Filme" und absolute Must-Klassiker spricht, dann liegt der Gedanke nicht weit, eine Liste über die besten Motion Pictures aller Zeiten zu erstellen. Versuche in dieser Richtung gibt es an der Zahl wie Sand am Meer, beinahe jeder Filmfan hat mal einen unternommen (jawohl, auch ich), die grösste ist die Top 250-Liste der Internet Movie Data Base. Mit pro Film etwa 80'000 Bewertungen sagt sie wahrscheinlich am meisten aus über den Filmgeschmack der westlichen Welt. In dem Fall verträgt sich mein Geschmack ganz gut mit dem der westlichen Welt. Das war schon immer so. Mit einer grossen Ausnahme.
Pulp Fiction, von vielen Fans als Bibel der Neuzeit angebetet, mochte ich nie besonders. Nun habe ich mich zu einer zweiten Chance durchgerungen und Tarantinos Meisterstück noch einmal angeschaut.

Den Versuch, einen Handlungsabriss zu verfassen, starte ich gar nicht erst. Ich möchte schliesslich noch vor 4 Uhr Morgens ins Bett kommen. Allerdings ist das auch gar nicht so wichtig.

Wenn jeder seinen ganz persönlichen Two-Face-Film hat, dann ist "Pulp Fiction" wohl meiner. Denn ich pflege eine recht ambivalente Beziehung zu ihm. Dazu muss man vielleicht sagen, dass ich kein grosser Fan vom Herrn Tarantino bin. Sicher, ich mag alle seine Filme irgendwie. Denn er kann gute Dialoge und verzwickte Storys schreiben, und ich schätze nunmal gute Dialoge und verzwickte Story. Aber es fehlt meistens das gewisse etwas, damit ich richtig begeistert wäre.

Beginnen wir mit der Bright Side. Unter den gewohnt coolen bis erstklassigen Soundtracks, die Tarantino für seine Werke zusammenstellt, ist der von "Pulp Fiction" der hervorragendste. Mehr, es ist sogar einer der besten überhaupt, die ich kenne. Ein Album, das an sich schon zum immer wieder Hören einlädt, in Verbindung mit den jeweiligen Szenen eine nahezu perfekte Untermalung des Geschehens ergibt. Allein deswegen ist der Film einen Blick wert. Von "Surf Rider" über "Girl, You'll Be A Woman Soon" bis hin zu "Son of a Preacher Man" - man kann sagen was man will, aber das ist einfach gute Musik.
Der schwerwiegendste Punkt in der Plus-Schale ist aber natürlich das Drehbuch. Zu Recht mit einem Oscar geadelt, besticht es in erster Linie durch eine revolutionäre Erzählstruktur. Die Handlung wird nicht chronologisch präsentiert, sondern wild durcheinandergewürfelt. Wobei "wild" ein gänzlich falscher Ausdruck ist; sondern so, dass es einen perfekten Spannungsbogen ergibt. Darauf muss man auch zuerst einmal kommen. Nicht schlecht, Herr Specht.
Hinzu kommt Tarantinos Markenzeichen, die Dialoge. Messerscharf, pointiert, aalglatt, tragen sie den Film, beziehungsweise geben ihm in ihrer Nonsens-haftigkeit eine Basis. Wenn Killer minutenlang über Gottes Intervention philosophieren, dann ist das nicht nur erstaunlicherweise nie langweilig, sondern auch urkomisch.
Ein Grund dafür sind auf jeden Fall auch der Cast, der neben Tarantino-Veteranen Tim Roth und Harvey Keitel mit Namen wie John Travolta, Uma Thurman, Bruce Willis und Christopher Walken aufwarten kann. Alle passen sie gut bis perfekt in ihre Rollen und spielen sie mit viel Engagement. Und dann ist da noch Samuel L. Jackson. Als Jules füllt der schwarze Hüne die Leinwand soweit aus, dass sie an Coolness überzulaufen droht. Er spielt den sich neu orientierenden Killer sehr bedrohlich, sodass jede einzelne Szene mit ihm Stil pur hat und zu richtig beeindruckendem Kino wird.

Und damit sind wir schon bei der Dark Side angelangt. Die restlichen Szenen sind nämlich etwas mau. Ich könnte sogar so weit gehen und behaupten, jede Filmminute ohne Jackson - abgesehen von der Tanz-Szene - sei überflüssig. Soweit gehe ich aber nicht, sondern begnüge mich mit der Aussage, dass dort die Schwächen des Filmes liegen. Vor allem die gesamte Episode "The Gold Watch" ist zwar ganz nett - man sieht Bruce Willis ja aus Prinzip immer gerne - aber ziemlich weit weg von dem, was ich als "genial" betiteln würde. Wenn Christopher Walken erklärt, dass er eine Uhr zwei Jahre lang in seinem Arsch herumgetragen hat, und Ving Rhames etwas anderes genau dort zu spüren bekommt, dann sind das Momente, die ich nicht als kultig bezeichnen kann. Schade. Auf den gesamten Film bezogen muss ich sagen, dass die Struktur zwar so extravagant wie bewundernswert ist, aber das Ganze schlussendlich etwas von einem chaotischen Flickenteppich hat. Richtig gefesselt, geradezu gebannt, so wie ich es bei einem wahren Meisterwerk sein möchte, war ich auch beim zweiten Mal Sehen von "Pulp Fiction" höchstens bei gewissen Szenen. Die Versuchung liegt leider nahe, während dem Sehen immer wieder auf die Forward-Taste zu drücken, beziehungsweise überhaupt nur einige bestimmte Szenen anzuschauen.
Nicht zu vergessen ist, was ich schon im letzten Beispiel angetönt habe, nämlich die Darstellung von Gewalt und Drogen. Auch wenn viele genau das als speziellen Reiz des Filmes empfinden mögen, kann ich mich damit nicht recht anfreunden. Geschweige denn darüber lachen. Tarantinos Eklektizismus scheint auch nicht unbedingt meine Sache zu sein. Die ganze Zitatekiste ist zwar sehr geschickt eingebaut und zeugt von einer immensen Vertrautheit mit der Popkultur, einen wirklichen Mehrwert ergibt sich für mich daraus aber nicht.
Ich bin mir bewusst, dass der Film genau das und nichts anderes sein will, ein Schundwerk über eine Gesellschaft ohne Moral und Werte, mehr noch; geradezu eine Parodie darauf. Und ich bin mir auch bewusst, dass ich relativ alleine stehe, wenn ich meine, dass Tarantino diesen Vorsatz mit Death Proof etwas besser erfüllt hat.

Summa summarum: Nach dem zweiten Mal hat mir "Pulp Fiction" besser gefallen. Wenn es also hiesse, There are two kinds of people in the world: those who hate Pulp Fiction and those who love Pulp Fiction, dann drücke ich Mace Windu zuliebe ein Auge zu und reihe mich bei letzteren ein.

"Pulp Fiction" ist ein ironisch-cooler Gangsterfilm mit einem wegweisenden Script, einmaligem Cast und erstklassigem Soundtrack, der an einigen mässig beeindruckenden und schwer verdaulichen Szenen leidet.

ca. 8 von 10 Punkten


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The Happening (Review)



The Happening

M. Night Shyamalan ist ein Kuriosum. Der Inder, der mit The Sixth Sense Amerika im Sturm eroberte, hat sich seither in seinen eigenen Anforderungen verheddert und es nicht mehr geschafft, an den Erfolg anzuknüpfen. Mit The Happening wollte er das ändern, doch wieder klappte die Sache nicht.  

In den Großstädten der USA häufen sich ungeklärte Selbstmordfälle. Ein Mädchen sitzt auf einer Parkbank und ersticht sich plötzlich. Bauarbeiter stürzen sich vom Gebäude, welches sie bauen.
Der mit Alma verheiratete Elliot Moore arbeitet als Biologielehrer an einer High School in Philadelphia. Er ist mit seinem Kollegen Julian befreundet. Moore diskutiert gerade mit seinen Schülern über das in den Vereinigten Staaten auftretende ungeklärte Bienensterben als ihn und seine Kollegen die Nachrichten über die Ereignisse in New York erreichen. Die Behörden gehen zunächst von einem terroristischen Angriff mit Giftgas aus und leiten eine Grossevakuierung aus den Grossstädten ein. Die Moores, Julian und seine Tochter Jess fliehen mit einem Zug aufs Land, doch die unsichtbare Gefahr ist überall. 
(frei nach Wikipedia)

Die Idee ist ja ganz nett. Menschen, die sich plötzlich aus unerklärlichen Gründen selbst töten, das verspricht gruseligen Nervenkitzel. Und darauf zielt Shyamalan auch ab. Schade, dass er sein Ziel um Meilen verfehlt. Die meisten Fehler liegen beim Drehbuch, hat sich Shyamalan also selbst zuzuschreiben. 
Statt eine dichte, spannende Story aus der Grundidee zu stricken, lässt er den roten Faden einfach baumeln. In einer losen Struktur reihen sich Szenen an Szenen und man hat den Eindruck, mit der Handlung genauso verloren im Nirgendwo zu stehen wie Elliot Moore. Wir begleiten die Leute auf ihrer Flucht durch das Land, erhalten immer wieder ein paar Infos über die Quelle der Gefahr, und das ganze Treiben ist schrecklich fad. Tatsächlich wirkt der Film, abgesehen von ein paar schockierenden Momenten, zeitweilen wie eine Szene auf 90 Minuten ausgewalzt. Es passiert so nichts. Die Schauspieler irren durch grüne Felder, man hört den unheimlichen Wind heulen, es sterben wieder welche, und irgendwann, viel zu früh, ist man an dem Punkt angelangt, da es einem irgendwie Schnuppe ist, ob die Typen überleben oder nicht. Das darf nicht sein.

Es hängt auch damit zusammen, dass die Figuren an sich völlig uninteressant sind. Sie haben null Profil und gleichen Schatten, die durch die Handlung huschen, ihre traditionellen Konflikte austragen und Lückenfüller-Dialoge von sich geben. Zum Gähnen. Dazu kommen von a bis z unterdurchschnittliche Schauspieler, an ihrer Spitze Mark Wahlberg, der mit The Departed für den Oscar nominiert wurde und hier die Ambivalenz eines Holzhammers an den Tag legt. Sein Acting beschränkt sich auf diesen einen verstörten, unwissenden Blick, als wolle er uns sagen "Hilfe! Was mache ich in diesem Film?" 

Und dann wird nicht einmal die Grundidee spannend ausgeführt. Schon nach zehn Minuten ist klar, woher die Gefahr kommt und welche überraschende Message damit vermittelt werden soll. Die weiteren Details über die Epidemie, die mit der Zeit herauskommen, sind an den Haaren herbeigezogen und ein plumpes Mittel, die eben gewünschten Szenen zu ermöglichen. 

Naja. Ganz so katastrophal ist die Sache aber natürlich auch wieder nicht. Von der Inszenierung her zeigt Shyamalan, dass er durchaus sein Geld wert ist, auch wenn er etwas gar viel bei Hitchcock abzuschauen pflegt. Er schafft es vor allem im Mittelteil, zeitweise eine unheimliche, spannende Atmosphäre heraufzubeschwören, welche zeigt, wieviel Potential der Film gehabt hätte. Aber eben, dieses Drehbuch. Und der Schluss trägt auch nicht gerade dazu bei, dass man den Film in guter Erinnerung behält. 

"The Happening" ist ein uninteressanter, orientierungsloser Öko-Thriller. Die abgeknabberten Fingernägel von "Sixth Sense" wird man hier auf jeden Fall nicht riskieren.

ca. 4 von 10 Punkten

Superhero Movie (Review)



Superhero Movie

Die Vorgeschichte. Allerdings ist sie so gruselig, dass ich sie nur flüsternd und hinter vorgehaltener Hand erzählen kann. Also es war einmal im Jahre 2000, da erblickte ein Film namens Scary Movie das Licht der Leinwand. Er legte es darauf an, die aktuellen Teenie-Horrorfilme zu parodieren, in erster Linie Scream. Da die Kohle floss, folgten sehr bald weitere Teile. Das ganze mag ja anfangs ganz lustig gewesen sein (ich kann es nicht beurteilen), aber irgendwann war die Sache schon ziemlich ausgelutscht. Statt etwas neues zu wagen, hat sich die Autorengruppe nach Scary Movie 4 aufgeteilt und beschert und seither Filme nach dem exakt selben Prinzip. Gemeinsamkeiten? Aneinanderreihung von 1:1 Parodien, keine eigene Handlung, Fäkalhumor, Fliessbandproduktion, das Wort "Movie" im Titel. Die Schuldigen heissen Jason Friedberg und Aaron Seltzer. Ihre Schundwerke Date Movie, Epic Movie, Meet the Spartans und Disaster Movie. Alle wurden sie unterdessen von Kritikern und Filmfans zur Schande des heutigen Kinos erklärt und auf die schwarze Liste der Feindbilder gesetzt. Aber die Kohle fliesst immer noch. Im Gegensatz zu Uwe Boll können die beiden nämlich auf eine gewisse (unverständliche) Fanbasis zählen, die ihnen regelmässig ansehnliche Einspielergebnisse von über 80 Mio Dollar beschert. Fragen sie mich nicht warum, aber das Geschäft lohn sich offenbar. Und solange werden wir wohl noch weitere "Parodien" aus diesem Hause über uns ergehen lassen müssen. 

Die aktuelle Variante heisst Superhero Movie. Und ...es ist eine Parodie auf Superhelden. Wer hätte das gedacht! Da die Macher selbstverständlich zu faul sind, sich eine eigene Handlung für ihren Film auszudenken, sind mal eben kurz zum Script von Spider-Man gegangen und haben copy-paste gedrückt. Nun noch kurz einige tolle Änderungen einfügen, Doubles für Tobey Maguire, Willem Dafoe, Kirsten Dunst und den Rest suchen, die Szenen mit Kostümen aus der Verkleidungskiste nachdrehen und fertigt ist eine waschechte, ultrawitzige Parodie! 

Von wegen. Das Ergebnis ist mehr traurig als komisch. Traurig wird es nämlich dann, wenn man zwei Sekunden vor einer Slapstick-Einlage diese genau vorhersehen kann. Traurig wird es, wenn der Film nicht einmal mehr den Charme eines B-Movies hat. Traurig wird es, wenn sich die Witze zum hundertsten Mal wiederholen. Es gibt ja auch gute Parodien. Mel Brooks hat es damals gekonnt, die Monty Python haben es genial beherrscht. Aber dazu gehört ein Mindestmass an Kreativität, das "Superhero Movie" völlig abhanden geht. Eine solch ideenlose Aneinanderreihung von Verarschungen könnte genauso gut von einer seelenlosen Maschine produziert worden sein. 

Natürlich kann man über den Film lachen. Genauso, wie man in der richtigen Gesellschaft und mit den richtigen Stoffen (oder falschen?) über "Mystic River" oder über Leute, die einen Football in die Eier kriegen, lachen kann. Und für eine solche Runde eignet sich der Film womöglich tatsächlich ganz gut. Ausserdem stammt der Film von Craig Mazin, einem weiteren "Scary Movie"-Fritzen, ist also gegenüber der Geschmacklosigkeiten von Friedberg-Seltzer geradezu "light" und gut verdaulich. Und es gibt einen gnädigen Extrapunkt für die Auftritte von Leslie Nielsen

"Superhero Movie" ist ein seelenloser Fliessbandfilm, der in seinem Bestreben, den heutigen Mainstream Hollywoods zu parodieren, sich selbst als ein trauriges Abfallprodukt dessen entlarvt. 

aufgerundet ca. 3 von 10 Punkten

Achja, nur um das klarzustellen: Für einen solchen Film gebe ich kein Geld aus. 

Notes on a Scandal (DVD Review)



Notes on a Scandal

Die über 60-jährige Barbara Covett ist Geschichtslehrerin an der Londoner St.-Georgs-Schule, an der sie nach altmodischen sittenstrengen Methoden ihren Unterricht gestaltet. Sie gilt als hart und ist nicht beliebt, wird aber als Lehrkraft von ihren Kollegen geachtet. Außerhalb der Schule führt sie hingegen ein eher einsames Dasein, ohne Freunde und auch ohne eine eigene Familie. Dies ändert sich, als eines Tages die 37-jährige Kunstlehrerin Sheba Hart an ihre Schule versetzt wird. Die pädagogisch eher unvermögende neue Lehrerin wird sofort von Covett in Augenschein genommen, die durch die genaue Beobachtung der Kollegin und erste Kontaktversuche ihren trüben Alltag zu bereichern versucht. Covett freundet sich mit der unkonventionellen, aufgeschlossenen Kollegin an und fühlt sich stark von ihr angezogen. In einem Gespräch vertraut sich Sheba später Barbara an; sie beklagt das Erlöschen der Leidenschaft in der Beziehung zu Richard, ihrem 20 Jahre älteren Mann, und wünscht sich, dem Dasein als Mutter ihrer Kinder, der 15-jährigen, von Liebeskummer geplagten Polly und Ben, ihrem Sohn mit Down-Syndrom, zu entfliehen.
Als Barbara während einer Schulaufführung beobachtet, wie Sheba mit dem Schüler Steven Conolly schläft, bricht für sie eine Welt zusammen. 
(frei nach Wikipedia

Und wieder einmal ein Britischer Film, der es in sich hat. Die Briten können das halt, Filme machen. Mit Notes on a Scandal (Deutsch: "Tagebuch eines Skandals") begibt sich Regisseur Richard Eyre in die Welt der bürgerlichen Mittel- und Oberschicht. Er reisst dessen heuchlerische Fassade ein und packt das unangenehme Thema der Obsession an. Er erzählt von zwei Frauen, die beide auf unterschiedliche Art besessen sind. Sheba kann ihr unerfülltes Leben als Mutter nicht mehr aushalten und flüchtet in eine neurotische Beziehung mit einem Schüler, dem sie bald hoffnungslos verfällt. Barbara wiederum hat ihr Leben lang ihre Triebe unterdrückt und ist besessen von der Vorstellung, Sheba zu besitzen. Beide leiden sie unter einer Art existenzieller Einsamkeit, einem Durst nach sowohl körperlicher wie auch seelischer Nähe. Daraus ergeben sich hässliche Verstrickungen und Intrigen, die zunächst unter der Oberfläche brodeln, bis sie endlich herausbrechen. Und genau das ist es, was den Film auszeichnet: Mut zur Hässlichkeit. Er wählt nicht die unschuldig scheinende Sheba als Protagonistin, sondern die hässliche alte Hexe. Und durch eine brilliante Darstellung von Judi Dench bleibt der Zuschauer stets hin und her gerissen zwischen Abscheu und Mitleid. Mal hilflos, mal verbittert, bringt sie eine grossartigen Ambivalenz auf die Leinwand, die unterstützt wird durch die zweite Frau im Bunde, die grosse Cate Blanchett. Momentan womöglich die vielseitigste Schauspielerin am Starhimmel Hollywoods, vermag sie hier als betörendes, unsicheres Unschuldslamm zu überzeugen und hat einige wirklich starke Szenen. Im direkten Duell verliert sie jedoch gegen die überpräsente Dench.  

Auch wenn der Film seine innere Spannung nicht über die gesamte Länge aufrecht zu erhalten vermag und von dem Zuschauer einiges an Bereitschaft abverlangt, so runden die saubere Kamera- und Regiearbeit ein interessantes Werk ab, das nicht an der Oberfläche, sondern in seiner intelligenten Art spektakulär ist. 

"Notes on a Scandal" ist ein unangenehmes Psychogramm zweier Frauen, das, weil hervorragend gespielt, lange nachwirkt. 

ca. 8 von 10 Punkten

Mittwoch, 16. Juli 2008

Four Brothers (DVD Review)



Four Brothers

Bei der Beerdigung ihrer ermordeten Adoptivmutter treffen die Brüder Bobby, Angel, Jeremiah und Jack wieder in ihrer Kindheitsstadt Detroit zusammen. Die Jungs sind unterdessen zu richtig harten Kerlen geworden und überlassen die Aufklärung natürlich nicht der Polizei. Die Vier finden heraus, dass Gangsterboss Victor Sweet hinter der Ermordung steckt und schwören Rache.

Die Zeit der Blaxploitation-Filme ist eigentlich vorbei, weshalb John Singletons Four Brothers auf den ersten Blick etwas irritieren mag. Im Grunde habe ich aber nichts gegen Retro-Filme im 70er-Stil und die Atmosphäre ist ja auch gut hingekriegt. Doch zuerst kommen mal die negativen Punkte an die Reihe. 

Machen wir es kurz und schmerzlos: Die Handlung ist dünn, die Wendungen vorhersehbar, die Charaktere oberflächlich, die Dialoge ziemlich hölzern. Kurz gesagt: Der Film ist etwas dumm. An sich nicht weiter schlimm, ich gehöre ja zu den Leuten, die auch mal abschalten können. Ich habe nichts gegen dumme Filme. Ich habe etwas gegen unehrliche Filme. Beispielsweise dumme Filme, die behaupten, dass sie nicht dumm wären. Dumme Filme, die so tun, als ob ihre Handlung logisch und nachvollziehbar wäre. Dumme Filme, die sich seriös geben. Denn dann fangen die Probleme an. Darf man zwei wehrlose Menschen erschiessen? Darf man einen 10-jährigen Jungen für einen Mord missbrauchen? Darf man Frauen als reines Objekt behandeln? Fragen, die sich aufdrängen, wenn ein dummer Film sich selbst ernst zu nehmen versucht. Fragen, mit denen ich bei einem dummen Film einfach nichts am Hut haben will. 
Marv darf meinetwegen mit Freude einen Bischof foltern, Leonidas darf meinetwegen mit Genuss Asiaten zerschnetzeln. Nichts dagegen! Denn sie präsentieren sich nicht als realistisch, "Four Brothers" hingegen schon. 

Zu dem relativ schwachen Drehbuch kommen Schauspieler, die einen nicht gerade zu Begeisterungsrufen veranlassen. Mark Wahlberg, mit The Departed zu Recht für den Oscar nominiert, spielt hier einen einschichtigen Prügelknaben, der ausser einem konstant grimmigen Blick nicht viel hergibt. Zu ihm gesellen sich zweit- bis drittklassige Jungtalente, die man vielleicht hie und da schon mal gesehen hat, aber kaum gross in Erinnerung bleiben. 

So düster wie es sich bisher anhört, ist die Sache aber selbstverständlich nicht. Unebenheiten im Drehbuch vermag Singleton mit einer einwandfreien Inszenierung zu glattzubügeln. Die Actionszenen sind nett inszeniert, die Bilder atmosphärisch, das Tempo vorhanden und die Musik ziemlich cool. So kann man sagen, dass der Film doch eine gewisse Spannung hat und deswegen durchaus sehenswert ist. 

Und schlussendlich kommt bekommt er einen kleinen Bonus, da er mit seinem Selbstjustiz-Plot einen modernen Western erzählt, was ihm einen gewissen Stil gibt. Ist ja schliesslich ein Remake. Aber eigentlich hätte ich jetzt mehr Lust auf das Original mit John Wayne und Dean Martin. 

"Four Brothers" erzählt eine klassische Rache-Story in moderner Form neu und nimmt sich dabei so ernst, dass er in moralischer Fragwürdigkeit strandet. Ein sehenswerter Film, von dem nicht allzu viel hängen bleibt. 

ca. 6 von 10 Punkten


Soundtrack Quiz 6


Hier habe ich ihnen ja schon mein eigenes kleines Quiz zu Filmmusiken vorgestellt. Dieses geht nun mit Teil 6 in die nächste Runde. Viel Spass beim Raten! 

Movie Soundtrack Quiz 6 


Die Lösungen vom Part 5 sind: 

1. Full Metal Jacket (Johnny Wright)
2. El Mariachi (Chingon)
3. The Mask of Zorro (James Horner)
4. Kill Bill Vol. 2 (Chingon)

Die Lösungen zu Teil 6 folgen mit Teil 7. 

Le Clan des Siciliens (DVD Review)



Der Clan der Sizilianer

Seien wir ehrlich: Wir sind fixiert auf amerikanische Filme. Auf der einen Seite machen die Filme aus den Staaten den grössten Teil des Kinoprogramms aus, auf der anderen Seite bevorzugt man sie sowieso. Sie liegen uns Osteuropäern einfach irgendwie nahe, wir sind in einer von ihnen beeinflussten Kultur aufgewachsen, wir hören und lesen am meisten über die Stars aus Hollywood. Ich könnte sogar so weit gehen und behaupten, dass die meiste Qualität tatsächlich von dort kommt.  Man sollte aber nie vergessen, dass die Amerikaner beileibe nicht die einzigen sind, die gute Filme drehen können. Deutschland hat seine grossen Werke, England sowieso, Italien auch, nicht zu vergessen China. Und natürlich Frankreich. Noch heute beschert es uns in regelmässigen Abständen Meisterwerke wie La Haine oder Amelie Poulain, aber die grosse Zeit des französischen Kinos ist vorbei. Und genau dorthin unternehmen wir jetzt einen kleinen Ausflug, genauer gesagt mit Henri Verneuils Gangsterfilm-Klassiker Le Clan des Siciliens von 1969. 

Die sizilianische Familie Manalese betreibt in einem Pariser Stadtviertel eine Firma für elektronische Spielgeräte und Flipper. Hinter den Kulissen ist sie jedoch in kriminelle Geschäfte verstrickt. Familienpatriarch fortgeschrittenen Alters ist Vittorio Manalese (Jean Gabin), der für die Zukunft seine Rückkehr nach Sizilien als geachteter Bürger plant, woher er als armer Emigrant in seiner Jugend nach Frankreich kam. Zu seiner Familie gehören seine Frau, drei Söhne samt Ehefrauen und ein kleiner Enkel.
Der Familienclan der Manaleses plant nun seinen spektakulärsten Coup. Einer der Söhne Vittorio Manaleses saß mit dem brutalen Polizistenmörder Roger Sartet (Alain Delon) in einer Gefängniszelle und hatte sich mit ihm angefreundet. Da Sartet inzwischen von einem anderen Mithäftling die Pläne für das Sicherheitssystem einer Juwelenausstellung erfahren hat, wird er während einer Überführungsfahrt befreit und soll den Manaleses im Gegenzug zur Hand gehen. Doch der raubeinige Kommissar Le Goff (Lino Ventura) ist ihnen dicht auf den Fersen. 
(frei nach Wikipedia

Viele Worte zu verlieren gibt es gar nicht. Das wichtige lässt sich in einem Satz sagen: "Der Clan der Sizilianer" ist ein in allen Belangen überzeugender Film. 
Henri Verneuil, gebürtiger Marseillaner und ehemaliger Schiffbauer, adaptiert die Romanvorlage gleich selbst und schreibt ein Script über eine Mafiafamilie, drei Jahre vor The Godfahter, und deren grosser Coup. Sogenannte Heist-Movies, Filme die sich um ein einziges Verbrechung und dessen Planung drehen, waren in den 60ern sehr beliebt und sind es ja teilweise noch heute (Inside Man, Jackie Brown, Bank Job). Man könnte sagen, dass dieser Film damals dieses Genre perfektioniert hat. Das liegt sowohl am Drehbuch, welches mit Spannungsaufbau, Charaktere und Dialoge glänzt, an der flotten, vorbildlichen Inszenierung als auch an der Besetzung. Jean Gabin, Alain Delon und Lino Ventura waren damals die grossen Stars des französischen Kinos und treten hier das einzige Mal gemeinsam auf. Zwar mögen die Gesichter heute in Vergessenheit geraten sein, aber die Leistung der drei Grossen bleibt zeitlos. Alain Delon als so kantiger wie erotischer Killer, Lino Ventura als so berechnender wie ungestümer Cop und Jean Gabin als so skrupelloser wie fürsorglicher Familienpatriarch, sie alle tragen den Film auf ihren Schultern und drücken sich durch die meisterlich durchdachte Handlung hindurch gegenseitig die Klinke in die Hand. Dazu kommt die Musik von Gigant Ennio Morricone, die zwar nicht ansatzweise an die Wucht seines Spiel mir das Lied vom Tod-Soundtracks heranreicht und vereinzelt durch einzelne ungeschickte Töne irritiert, jedoch insgesamt das Werk souverän untermalt und abrundet. Schlussendlich mag der Film nicht unbedingt durch grossartige Innovation glänzen, bietet aber über zwei Stunden ungewohnt dichte Spannung, die nur in der zweiten Hälfte kurzfristig etwas abflacht. 

"Le Clan des Siciliens" ist grosses französisches Kino der Extraklasse. Ein beeindruckender, spannender Gangsterfilm, der noch heute sehenswert ist und zu Recht als Klassiker bezeichnet werden darf. 

ca. 9 von 10 Punkten


Weitere Bilder:




Montag, 14. Juli 2008

In Bruges (Kino Review)



In Bruges

Es kommt nicht gerade oft vor, dass jemand in seinem allerersten Spielfilm mit Namen wie Colin Farrell aufwarten kann. Martin McDonaugh war wohl auch nur deshalb dazu in der Lage, weil er 2004 den Oscar für seinen Kurzfilm Six Shooter erhielt und zuvor ziemlich erfolgreich als Theaterregissuer und -autor tätig war. Glück für uns, denn der Engländer beschert uns einen richtig britischen Film. 

Ray und Ken sind Killer. Sie mögen sich nicht besonders. Und sitzen in Brügge (französisch: Bruges) fest. Denn nach einem missglückten Auftrag haben sie vom Boss die Anweisung bekommen, in der belgischen Stadt unterzutauchen und auf eine Nachricht zu warten. Und was tut man, wenn man tagelang nichts zu tun hat, inmitten der besterhaltenen mittelalterlichen Bauwerken Belgiens? Genau. Sightseeing! 

Filme über Killer und Gangster sind nichts aussergewöhnliches mehr, auch nicht Komödien, nicht zuletzt hat Quentin Tarantino sie salonfähig gemacht. In Bruges (Deutsch: "Brügge sehen ...und sterben?") schafft es trotzdem, etwas neues auf die Leinwand zu bringen, auch wenn sich der simple Handlungsabriss nicht danach anhört. In erster Linie hängt das damit zusammen, dass er neben den beiden Hitmen das titelgebende Städtchen als dritten Hauptperson besetzt. Mit viel Liebe beschwört er ein mystisches, verträumtes und geheimnisvolles Bild der Stadt herauf, mit ihren Kanälen, Brücken, Gassen und Kirchen, die vor allem in der Nacht eindrucksvoll beleuchtet und fotografiert in Szene gesetzt werden. Dies bildet die Theaterkulisse für ein einzigartiges Stück. 

Denn als Theater könnte man "In Bruges" tatsächlich beschreiben. Zwar lotet er mit beachtlichem Geschick die filmischen Mittel und Möglichkeiten aus, zeigt aber auf vielen Ebenen die Züge einer Schauspielhaus-Aufführung. Das bedeutet, dass er sich traditionell auf wenige zentrale Charaktere und Handlungsorte beschränkt und die Leistung der Darsteller in den Vordergrund stellt. Wir befinden uns von Anfang bis Schluss in Brügge und kriegen relativ wenig Action zu sehen. 

Wer jetzt aber zu denken beginnt, dies sei ein langweiliger, altmodischer Schinken, liegt meilenweit daneben. Ein wenig mehr hat sich McDonaugh für sein Erstlingswerk schon einfallen lassen. Bezeichnend ist hier, dass es sich um einen Autorenfilm handelt, also dass der Regisseur auch das Drehbuch geschrieben hat. Somit kann sich McDonaugh voll und ganz auf sein Script stützen und den Dialogen freien Lauf lassen. Und was für welche. Es ist schwer, etwas über sie zu schreiben, denn man muss sie einfach selbst erlebt haben. In ihrer wilden Art und zeitweiligen Sinnverweigerung brechen sie die von Hollywood traditionell eingetrichterten Gesetzte und sind trotzdem noch viel mehr als das nachgemachte "Pulp Fiction"-Palaver, das man mittlerweile ja schon oft genug gehört zu haben meint. Sie sind anders. Anders als die leichtfüssigen, stromartigen Tarantino-Dialoge, anders als die subtilen, unterschwelligen Coen-Dialoge. Sie sind schräg, sie sind absurd, sie sind konfus und vor allem sind sie schwarz. Rabenschwarz. Als ob man es nicht schon längst wüsste, aber nun ist es ein weiteres Mal bewiesen: Die Briten haben den besten Humor der Welt. Wozu braucht man eine grossspurige Handlung mit dreiundsiebzig Episoden und unzähligen Charakteren, wenn jemand wie Martin McDonaugh aus der simplen Konstellation von zwei Figuren Munition für zwei Stunden Lachkrämpfe herausholen kann? Wenn man nicht fürchten müsste, die nächste Pointe zu verpassen, würde man sich wohl am liebsten ständig vor Lachen auf dem Boden des Kinos kugeln. 
Natürlich wird dieser Humor nicht jedermanns Sache sein, das ist klar. Wer beispielsweise Monty Python mag, wird wohl auch etwas mit diesen bissig-bösem, politisch höchst inkorrekten Spässen anfangen können, aber das soll jeder selbst heraus finden. Auf jeden Fall ist dieser Film ein absurdistisches Glanzstück, das auch in seinen stummen Szenen begeistert, wie wenn beispielsweise der Killer auf der Jagd plötzlich inne hält und den Reiseführer zu Rate zieht. Nie vergessen wird dabei die Selbstironie, ja sie wird sogar in herrlichem Ausmass zelebriert und der Film tut zu keiner Zeit so, als wäre er realistisch. 

Und in diesem ganzen Feuerwerk der Gags nimmt sich McDonaugh immer wieder die Zeit und Ruhe, ernst zu werden. Er macht aus seinen Figuren weit mehr als Spassfaktoren, bringt sie dem Zuschauer emotional äusserst nahe und streift interessante Themen wie Schuld und Verantwortung. Dazu kommt, dass er den gesamten Film, passend zum oben erwähnten Theaterstil, hintergründig als eine Art Märchen auslegt. Der verlorene Sohn, die verführerische Schöne, der Zwerg, Selbstaufopferung, Sünde, Gottes Gnade, die ganze Kulisse; kombiniert mit der ruhigen, melodischen Klaviermusik wirken diese Elemente in ihrer Symbolhaftigkeit tatsächlich wie aus einem Märchen - wenn auch natürlich wieder ironisch und modern eingesetzt. Es schwebt jedenfalls über dem ganzen Film ein gewisse Atmosphäre von Magie, ein Hauch von Surrealität und Abstraktheit. Ein weiterer Grund, weshalb dieser Film einfach anders ist. 
Dies kommt nur deshalb zustande, da Regie und Drehbuch, wie erwähnt, beachtlich harmonisieren. 

Theater kommt bekanntlich nicht ohne Schauspieler aus, so auch "In Bruges" nicht. Gott sei dank, hat McDonaugh auch hier ins Schwarze getroffen. 
Ich mag Colin Farrell nicht besonders. Weder in Minority Report noch in Alexander hat er mir gefallen, bisher bin ich Filmen mit ihm eher aus dem Weg gegangen. Ich mochte ihn nicht. Mit diesem Film hat er es geschafft, meine vollumfängliche Sympathie zu gewinnen. Ich will gar nicht erst versuchen, sein Acting in Worte zu fassen - es ist grossartig. Dass dies die beste Rolle seiner bisherigen Karriere ist, würde ich jetzt einfach mal so behaupten, so sehr wächst er einem als Ray ans Herz. Leider ist es nicht der von der Academy bevorzugte Typ von Schauspielleistung, aber ein solcher Film braucht irgendwie auch gar keine Oscars. 
Ihm zur Seite stehen unser allzeit gern gesehener Ire Brendan Gleeson (Troy, Harry Potter) mit einer sehr soliden Leistung und der bedrohliche Brite Ralph Fiennes (Schindler's List). Dazu kommt die unglaublich zauberhafte Clémence Poésy, deren Rolle vielleicht nicht allzu viel hergeben mag, was aber kaum ins Gewicht fällt. Es ist übrigens verblüffend, wie viel besser als in Harry Potter sie mit der richtigen Inszenierung wirkt. Der gesamte Cast spielt jedenfalls hervorragend zusammen und verleiht dem Film einiges an Schwung. Natürlich ist es ein dringendster Ratschlag, den Film wenn möglich in englisch zu sehen, allein schon wegen Farrells herrlichem Akzent. 

Weiter ist der Film zeitweise blutig, aber keinesfalls gewaltverherrlichend, immer spannend, oft unvorhersehbar, und das in einer erfrischenden Hollywood-fremden Art. Frei nach dem Motto: Shoot first. Sightsee later. 

Inmitten der malerisch beleuchteten grün-gelben Kulisse "In Bruges" liefert Martin McDonaugh auf eine erfrischend ungewohnte Art einen rabenschwarzen Thriller über Fegefeuer, Schwäne und selbstmordgefährdete Zwerge. Der abgefahrenste, coolste und verdammt nochmals witzigste Film seit "Hot Fuzz". 

ca. 9 von 10 Punkten

Dienstag, 8. Juli 2008

Into the Wild (Kino Review)



Into the Wild

Schauspieler, die sich als Regisseure versuchen, sind keine Seltenheit mehr. Clint Eastwood hat es vorgemacht, andere ziehen nach. Und warum soll Sean Penn, der für dessen Thriller "Mystic River" einen Oscar abstauben konnte, das nicht auch können? Keine Frage - er kann es. Mit seiner neusten Regiearbeit "Into the Wild" legt er ein beeindruckendes Werk vor.

Nach der wahren Geschichte von Christopher McCandless begleiten wir einen jungen, hochintelligenten Studenten wohlhabender Herkunft, der eines Tages plötzlich genug von all den "things" hat und beschliesst, aus dem System auszusteigen. Er packt seinen Rucksack und marschiert los, ist ab jetzt auf der Strasse zu Hause, welche von vielen Halten und Begegnungen gesäumt ist, und an deren Ende nur eines steht: Alaska.

Ein Tramp, der auf der Suche nach der wahren Freiheit quer durch Amerika wandert? Hört sich nicht nach einer Story an, die jemanden 140 Minuten an der Stange zu halten vermag. Doch Penn nimmt die Adaption des Romans in die Form eines Drehbuchs gleich selbst in die Hand und zaubert eine abwechslungsreiche, verschachtelte Story mit Höhen und Tiefen aus dem Ärmel. Er erzählt die Geschichte eines jungen Menschen, der den Materialismus und die Verlogenheit der Gesellschaft nicht mehr aushält und einfach fort will, an einen Ort, wo er keine Lüge leben muss, sondern einfach leben kann. Er sucht nach dem ultimativen Lebensgefühl, man könnte sagen, nach naturgegebener Erleuchtung. Erfreulicherweise wird dabei der Realismus nicht aus dem Auge verloren. Immer wieder wird Chris mit der harten, grausamen Realität konfrontiert, sowohl von der Seite der Gesellschaft wie der Natur. Selbstverständlich wird das Bild des Rebellen und Aussteigers stark heroisiert, romantisiert, aber vor allem die Tatsache, dass Chris die Erkenntnis eigentlich die ganze Zeit vor der Nase gehabt hätte, sie aber durch seine Arroganz nicht sieht, verhindert eine totale Einseitigkeit. Auch die Wahl von Chris' Schwester als Erzählerin schafft eine gewisse angenehme Distanz zur Hauptperson, zudem vermeidet Penn glücklicherweise jegliche übertriebene Sentimentalität. Trotzdem muss man sich mit der Ideologie von Chris, welche ganz offensichtlich von Penn geteilt wird, anfreunden können, um den Zugang zum Film zu finden.

Penn erzählt die Geschichte von Chris' Ausstieg als ein ein zweites Leben nach dem falschen, verdorbenen in der Gesellschaft. Nach der Wiedergeburt folgt die zweite Kindheit, ein Abtasten und Kennenlernen der neuen Freiheit, dann die zweite Jugend, das zweite Mannesalter, das zweite Altern. Im Gedenken an die Romanvorlage wird die Odysse so in Kapitel unterteilt. Genauso wie Chris verweigert sich Penn weiter einer geradlinigen, sturen Erzählstruktur und wechselt wild und ohne Zwang zwischen Rückblenden und Vorblenden. 

Trotzdem, man muss Geduld eingepackt haben, wenn man sich diesen Film ansehen will. Er ist kein Hitchcock. Er nimmt sich Zeit, fasziniert nicht durch rasante Unterhaltung, geschweige denn durch einen Thrillereffekt, und "schnell" ist das letzte Wort, das einem zu diesem Film in den Sinn kommen würde. Er gehört zu dieser Art Kunst, die einen packt, mitreisst und zum träumen verleitet. Nicht durch Computereffekte und Fantasywelten, sondern durch seine ehrliche, existenzielle, zeitlose, epische, persönliche, frische, elektrisierende Art. Und das ist er nämlich im höchsten Masse, Kunst. Gar nicht zwingend nur wegen den einmaligen, unbeschreiblich schönen Naturaufnahmen, die man ja auch in Dokumentationen finden kann, sondern auch weil er das Auge des Zuschauers ebenso auf unsere ganze Umwelt wie auf die kleinen Dinge des Lebens lenkt, und ihn lehrt, diese zu schätzen. Und nicht zuletzt lässt er uns den Wert des menschlichen Lebens selbst erkennen.

Die Bilder spielen natürlich dennoch eine grosse Rolle. Penn setzt den Schwerpunkt auf das Wasser, das er in seiner archaischen Schönheit zu einem Symbol der Natur an sich stilisiert - wild, rätselhaft, unkontrollierbar, frei. Das Wasser ist nicht nur das Lebenselexir, sondern auch der Pfad, dem Chris folgt, um aus der Gesellschaft heraus zu kommen, gleichzeitig bedeutet es aber auch Gefahr, denn es reisst mit und setzt Grenzen. Bezeichnend ist die Szene, in der Chris nachts in der Wüste von einem urplötzlichen Hochwasser heimgesucht wird und die Wassermassen wie die Erkenntnis über ihn hereinbrechen. Am nächsten Tag lässt er das Auto stehen und verbrennt sein Geld. Der erste Schritt des neuen Lebens ist getan. Nicht nur, dass das Wasser für die gesamte Natur steht, es ist auch ein Symbol für den Film selbst. Mal wild, mal stürmisch, mal plätschernd, mal trüb, mal eiskalt,
Daneben fängt der Film auf phänomenale Art und Weise Elemente der Natur ein und begeistert mit seinen ruhigen, zeitlosen und mystischen Aufnahmen. Klar ist es bei beinahe allen Filmen besser, sie auf Grossleinwand zu geniessen; hier ist es Pflicht. Und es lohnt sich auf jeden Fall, man bekommt für sein Geld viel geboten. Aber wer ernsthaft über den Preis des Kinobillets nachdenkt, der ist sowieso falsch in diesem Film.

Nach der Story und den Bildern müssen die Schauspieler natürlich auch noch erwähnt werden. Dabei muss man als erstes festhalten, dass Emile Hirsch ein Idealbesetzung ist. Er beweist, dass er viel mehr als ein Leonardo Di Caprio-Doppelgänger ist, und bringt die Zerrissenheit, die Motivation, die Leidenschaft seiner komplexen Figur sehr natürlich und bewegend rüber. Auch wenn ihm zeitweise die Sicherheit der schauspielerischen Erfahrung zu fehlen scheint, so meistert er seine Aufgabe als weitgehende One-Man-Show mit Bravour und in den restlichen Szenen stehen ihm die mit ebensolchem Feingefühl ausgewählten Nebendarsteller zur Seite. Sowohl beim Casting als auch bei der Schauspielführung scheint Penn etwas von Clint Eastwood gelernt zu haben. Marcia Gay Harden überzeugt ebenso wie William Hurt, Jena Malone, Kristen Stewart und - eine Überraschung - Vince Vaughn. Aber alle stehen sie ein wenig im Schatten von Hal Holbrook als Rentner, der ebenso wie Chris vor der Gesellschaft geflohen ist, jedoch indem er sich nach innen gewendet hat statt nach aussen. Er schafft es, in seinen wenigen Filmminuten eine Beziehung zum Zuschauer aufzubauen, was die Oscarnomination wohl verdient macht. Aber das wäre sie für Emile Hirsch auch gewesen.
At last but not least, wie immer, der Soundtrack. Dieser stammt von Eddie Vedder, besteht aus ohrwurmverdächtigen Folksongs und fügt sich nahtlos in die melancholischen Bilder ein.

Und schlussendlich harmonieren in diesem Film die Kamera, die Regie, die Schauspieler und die Musik so sehr, dass er die zahlreichen Episoden der Geschichte in einem packenden Strom erzählt und einige Momente schafft, die nahe daran sind, das ultimative Lebensgefühl auf der Leinwand zu verkörpern. Magie pur.

Das engagierte Gesamtkunstwerk "Into the Wild" ist eine kraftvolle Ode an das Leben. Ein zweieinhalbstündiger Bio-Energy-Drink, der in seiner tiefsten Menschlichkeit berührt. 

ca. 9 von 10 Punkten

"I read somewhere... how important it is in life not necessarily to be strong... but to feel strong."