Freitag, 30. Januar 2009

Bridge to Terabithia (DVD Review)



Die Brücke nach Terabithia

Es ist kein Geheimnis, dass viele Projekte der aktuellen Fantasy-Welle im Kino lediglich darauf aus sind, an den grandiosen Erfolg von "The Lord of the Rings" anzuknüpfen. Tatsächlich funktioniert dies auch meistens, indem Filme wie The Chronicles of Narnia, Eragon oder The Golden Compass solide Gewinne verbuchen können. Auch Bridge to Terabithia, die Verfilmung des gleichnamigen Kinderbuches von Katherine Paterson, war alles andere als ein Flop. Trotzdem kann der Film, der bei uns gar nicht erst in den Kinos zu sehen war und generell kaum wahrgenommen wurde, als ein Opfer seiner eigenen Marketingstrategie bezeichnet werden.

Der elfjährige Jesse wird in seiner Familie gegenüber seinen vier Schwestern von seinen Eltern vernachlässigt. Auch in der Schule ist er ein Außenseiter und hat keine richtigen Freunde. Als schnellster Läufer seiner Klasse will er sich bei seinen Mitschülern Anerkennung verschaffen, was nicht gelingt, denn seine neu zugezogene, gleichaltrige Nachbarin Leslie läuft schneller als er und gewinnt das wichtige Rennen. Obwohl sich beide zunächst gar nicht verstehen, schafft es Leslie, auch sie an der neuen Schule eine Außenseiterin, sich mit Jesse anzufreunden. Leslie besitzt eine überschäumende Phantasie und entdeckt Jesses geheim gehaltene Leidenschaft für die Malerei. Gemeinsam schaffen sie sich im nahegelegenen Wald ein Phantasiereich, dass sie Terabithia nennen.
(frei nach Wikipedia)

Mit Filmtrailern ist das so eine Sache. Es gibt darunter sehr gelungene, welche die Stimmung des beworbenen Filmes optimal in drei Minuten einfangen. Oft genug erzählen sie aber auch schon viel zu viel der Handlung und nicht selten haben sie es auf dem Gewissen, dass ein guter Film völlig verkehrt wahrgenommen wurde.
Bei "Die Brücke nach Terabithia" beginnt die Katastrophe schon bei der DVD-Hülle. Zu sehen sind zwei Kinder, umgeben von allerlei Fantasykreaturen und fantastischen Orten. Auch der Trailer macht den Eindruck, als ob man einen weiteren Narnia-Teil unter anderem Titel gedreht hätte. Dies stimmt insofern, dass man beim Sehen tatsächlich einige Parallelen zu C. S. Lewis' Kinderbuchklassiker spürt, täuscht jedoch über die Tatsache hinweg, dass "Die Brücke nach Terabithia" die Akzente völlig anders setzt.

Der Film von Regisseur Gabor Csupo präsentiert sich nämlich viel weniger als Fantasyspektakel, denn als einfühlsames Jugenddrama. Anders als etwa bei Pan's Labyrinth ist zu jedem Zeitpunkt klar, dass sich die beiden Kinder ihre Fantasiewelt lediglich ausdenken, um dem oftmals nicht einfachen Alltag zu entkommen. Ohne grossen Anspruch auf Innovation und Brillanz im Detail, aber doch differenziert, wird dargestellt, wie sich Jesse sowohl in seiner Schule wie zu Hause ausgestossen fühlt und nur zu seiner Nachbarin Leslie wirklich Kontakt findet. Die beachtliche Leistung des Filmes ist, dass er zu keinem Zeitpunkt zu viel will und stattdessen mit seiner ruhigen und ehrlichen Art dem Zuschauer die Konflikte der Hauptperson nahe bringt.

Dazu kommt, dass die beiden Kinder mit Josh Hutcherson und AnnaSophia Robb (Charlie an the Chocolate Factory) sehr gut besetzt sind und die gezielt und sparsam eingesetzten Spezialeffekte von der Firma Weta Digial einwandfrei überzeugen. Somit ist gewiss kein herausragender Film entstanden; aber einer, der als eigenständiges, sehr persönliches Drama mit berührenden Momenten Aufmerksamkeit verdient.

"Die Brücke nach Terabithia" ist ein gutes Beispiel, wie man einen einen schönen, eingängigen Kinderfilm durch verfehltes Marketing verunstalten kann.

ca. 7 von 10 Punkten

Sonntag, 25. Januar 2009

Stranger Than Paradise (DVD Review)



Stranger Than Paradise

Jim Jarmusch, bekannt für seine ausgefallenen Werke und Regisseur von Filmen wie Down by Law und Dead Man, feierte 1984 seinen Durchbruch mit Stranger Than Paradise. Der Film ist ein Remake seines eigenen Kurzfilmes mit selbem Namen und wurde in Cannes und Locarno ausgezeichnet.

Handlung:
Der Film erzählt in drei Kapiteln die eigentlich unspektakulären Erlebnisse des selbsternannten „Hipsters“ Willie aus New York City. Eines Tage steht die Cousine Eva vor seinr Tür und Willie (eigentlich Bela) sieht sich plötzlich mit seiner Vergangenheit als Einwanderer konfrontiert. Während den zehn Tagen, die Eva im Big Apple auf ihren Flug nach Cleveland zur Tante warten muss, versuchen Willie und sein Kumpel Eddie mässig autoritär und gastfreundlich, ihr den "American Way of Life" näher zu bringen. Doch die beiden Taugenichtse scheitern sehr bald an der selbstbewussten Ungarin.

Es ist an sich keine Überraschung, dass "Stranger Than Paradise" auf zahlreichen Filmfestivals bejubelt wurde. Jarmuschs in schwarzweiss gedrehte Tragikkomödie entspricht - zumindest auf den ersten Blick - beinahe perfekt dem Klischee eines Kunst- und Festivalfilmes. Das impliziert etwa die konsequente Verweigerung gegenüber Tempo, Effekthascherei und jeglicher lebensfremder "Action". Wie auch in "Down by Law" spielt sich die eigentliche Handlung des Filmes in einer skurrilen Dreiecksbeziehung ab, hier zwischen Willie, Eva und Eddie. Wenn "Stranger Than Paradise" ein grosses Kunststück fertig bringt, dann ist es seine Art, wie er die Trost-, Perspektive- und Sinnlosigkeit von Willies "amerikanisierten" Daseins in der schwerfälligen Lustlosigkeit seines Apartments zum Ausdruck bringt. Der grundsätzliche Konflikt spiegelt sich im Aufeinandertreffen von Heimat und Fremde wieder. Vermutlich ist Willie wie viele andere vor langer Zeit in die "Neue Welt" gekommen, in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, um sich von den engen Strukturen seiner ungarischen Heimat zu lösen. Nun, Jahre später, hat er den Kontakt mit der Familie völlig abgebrochen, vermeidet beinahe panisch die ungarische Sprache und hat all die typischen amerikanischen Gepflogenheiten - saufen, rauchen, rumhängen, klauen - verinnerlicht. Er redet sich ein, hier seine Heimat gefunden zu haben. Erst die Begegnung mit Eva scheint etwas in ihm in Gang zu bringen und er beginnt unbewusst zu verstehen, dass dieses orientierungslose Gaunerleben nicht das gelbe vom Ei ist.

Hochspannung sucht man in "Stranger Than Paradise" gewiss vergeblich, aber es ist schon bemerkenswert, wie Jarmusch die Schwerfälligkeit von Willies Leben umzusetzen weiss. Sein Film überzeugt mit einer Inszenierung, die gerade durch ihre Bescheidenheit den Schauspielern den nötigen Raum gibt, um sich voll zu entfalten. Indem die Kamera stets Abstand zu den Figuren hält, bringt sie dieses Gefühl von Fremd-sein in den immergleichen schäbigen Apartments sehr geschickt zum Ausdruck. Jarmusch, selbstverständlich auch Drehbuchautor, erzählt seine Geschichte in Fragmenten, welche keinen fliessenden Ablauf verkörpern, sondern vielmehr exemplarisch die Situation darlegen. Der formale Minimalismus ergänzt sich stimmig mit den Schauspielern, welche ihr Können in erster Linie durch Zurückhaltung unter Beweis stellen. Herzstück des Filmes ist natürlich John Lurie, der eine ähnliche Rolle wie in "Down by Law" spielt und zusammen mit Jay Hawkins auch den Soundtrack lieferte. Entstanden ist ein kleiner, aber kunstvoller Film, der zum Nachdenken anregt und leise Kritik an der amerikanischen Gesellschaft übt.

"Stranger Than Paradise" ist eine ruhige, anspruchsvolle Roadmovie-Tragikkomödie über den "american way of life", welche trotz Längen mit tristen, melancholischen Bildern und ironisch-subtilem Witz zu gefallen vermag.

abgerundet ca. 7 von 10 Punkten


Weitere Bilder:







The Crow (DVD Review)



The Crow

Zu den stilbildensten und berühmt-berüchtigtsten amerikanischen Filmereignissen der 90er gehört ohne Zweifel The Crow von Alex Proyas (I, Robot). Die Verfilmung des gleichnamigen Graphic Novels wurde nicht nur unter Gothic- und Punk-Fans Kult, was nicht zuletzt mit dem Tod des Hauptdarstellers Brandon Lee während den Dreharbeiten zusammenhängt.

Handlung:
Nach einer alten Legende wurden die Seelen Verstorbener von einer Krähe in das Reich der Toten gebracht. Wenn allerdings etwas sehr Tragisches mit den Verstorbenen passiert war, und die Seelen keine Ruhe fanden, konnte die Krähe die Toten auch wieder ins Diesseits zurückbringen. Solch eine Tragödie erleben der Gitarrist Eric Draven und seine Verlobte Shelly Webster. Sie werden in der sogenannten „Teufelsnacht“, in der in der gesamten Stadt geplündert und gebrandschatzt wird, von einer Gang überfallen. Hilflos muss Eric mitansehen, wie seine Verlobte vergewaltigt und schwer misshandelt wird, ehe er selbst sterben muss. Sie stirbt einige Stunden danach im Krankenhaus. Ein Jahr später wird Eric Draven von einer Krähe wiedererweckt und beginnt, durch den Schutz der Krähe nun nahezu unverwundbar, sich an den Mördern zu rächen.
(frei nach Wikipedia)

Wie bei vielen hochgejubelten Hollywoodwerken der 80er und frühen 90er handelt es sich auch bei "The Crow" ganz klar nicht um das erhoffte Meisterwerk. Dass der Film viele Stärken hat, kann man ihm aber ebenfalls nicht absprechen.
Gewiss, der Zuschauer benötigt eine Weile, um sich in die comichafte Welt der Krähe hineinfühlen zu können. Doch dann überzeugen sehr bald das düstere Setting, die tollen Kamerafahrten und die mit aufwändiger Lichtführung und Raucheffekten erzeugte Atmosphäre. Auch in Sachen Visual Effects gefällt der Film, bietet er doch für diese Zeit erstaunlich solide Computereffekte, etwa makellose digitales Compositing. All dies macht "The Crow" allein schon zu einem recht beeindruckenden Filmerlebnis, verdient sogar anhand des eher bescheidenen Budgets viel Lob, und in den Szenen mit dem Cop kommt sogar echtes modernes Film Noir-Feeling auf.

Das eigentliche Problem liegt schlussendlich beim Drehbuch. Zwar wurde etwa die Superhelden-Geburtsszene der Krähe sehr cool umgesetzt und auch ansonsten wartet der Film immer wieder mit richtig starken Szenen auf, es gelingt ihm jedoch nicht, diese zu einem wirklich stimmigen Ganzen zusammenzufügen. Zu sehr wiederholen sich die Racheakte, zu sehr ist der Storyverlauf vorhersehbar, zu wenig tiefgreifend werden die Figuren behandelt. Langweilig ist der Film deswegen natürlich noch lange nicht, im Gegenteil: Was Alex Proyas da abliefert, ist unterhaltsam, blutig, dreckig und recht spannend. Er kommt dabei aber erzählerisch leider praktisch nie über das durchschnittliche Hollywood-Niveau hinaus. Das, wie gesagt, liegt vermutlich am Drehbuch, denn aus Proyas Inszenierungsstil kann man sehr viel mehr herausholen, wie der vier Jahre später erschienene Dark City eindrücklich beweist. Grundsätzlich wäre es vielleicht ratsam gewesen, wenn man sich auf allen Ebenen etwas mehr darauf besinnt hätte, dass sich James O'Barr, der Autor des Comics, vor allem durch die Musik von Joy Division (Control) inspirieren liess.

Ein besonders auffälliger Negativpunkt sind die leider sehr einseitig gelungenen Bösewichte, welche mit ihrem Over-acting und klischeehafter Charakterisierung 0815-Ware darstellen, wie man es aus dieser Zeit tausend Mal gesehen hat. Nicht einmal der Oberbösewicht vermag gross zu überzeugen, weil er weder eine prägnante Charakterisierung, noch eine interessante Motivation zu bieten hat. Genug Coolness versprüht er gerade noch, immerhin.
Grundsätzlich fehlt es dem Film an Gegenpolen für die Krähe. Es bräuchte einfach einen richtig guten Gegenspieler, wie es sich für einen Comic gehört. Deswegen bekommt man den Eindruck, dass sich der ganze Film etwas zu sehr um Eric und seine Leiden dreht, ohne dass äusserlich eine vollständig packende Handlung in Fahrt käme. Vielleicht ist aber auch gerade dies der Grund für der enorme Kult um den Film?

Hauptdarsteller und Legende Brandon Lee scheint zu Beginn nicht viel mehr als einen nackten Oberkörper, Coolness und ein Gesicht, das die jüngeren weiblichen Zuschauer begeistert, zu bieten haben, schafft es jedoch, je länger je mehr zu überzeugen. Leider ist seine Rolle etwas uninteressant, weil man als Zuschauer sehr bald einmal aufgrund seiner Unsterblichkeit keine Gefahr mehr zu fürchten hat. Freilich, das Konzept geht dennoch auf. Es gelingt, den Zuschauer vor allem gegen Schluss emotional an Erics Schicksal zu binden, etwa durch die Flashbacks, mögen sie auch zu videoclip-artig und überstilisiert geraten sein.
Nicht übergehen kann man natürlich den Punkt, dass Hauptdarsteller Lee wie erwähnt während den Dreharbeiten tragischerweise aufgrund eines Unfalls verstarb. Die Frage ist jedoch, ob der Hype, der danach veranstaltet wurde, dem Film auch gerecht wird? Eher begrenzt. "The Crow" ist gewiss ein unterhaltsamer Fantasyfilm mit cool-düsterem Look, es fehlt ihm jedoch an Tiefe und erzählerischer Dichte, um einen wirklichen Meilenstein darzustellen. Umso störender ist die Tatsache, dass auf der DVD in reisserischen Phrasen mit dem Unfall geworben wird - als wäre den Machern jedes noch so geschmackslose Mittel recht, um noch den letzten Cent aus dem Hype zu quetschen. Es ist hingegen keine Frage, dass dieser Film für Lee das Sprungbrett für eine möglicherweise grosse Karriere dargestellt hätte. Trotzdem, er spielt längst nicht in der selben Liga mit wie der ebenfalls verstorbenen Heath Ledger, welcher in The Dark Knight als Joker begeisterte. Trotz selber Frisur und selbem Make-Up.

"The Crow" ist ein derber Rachethriller im Hollywood-Stil der 90er, der durch seinen Comic-Look und seine düstere Atmosphäre überzeugt, teilweise aber auch allzu offensichtlich die Wünsche der Rocker-, Gothic- und Punkkultur befriedigen möchte.

ca. 7 von 10 Punkten


Weitere Bilder:







Samstag, 24. Januar 2009

Keoma (DVD Review)



Keoma

Legends never die

Wenn man den Namen Franco Nero in Verbindung mit Italowestern hört, denkt man wohl als erstes an Django. Dies hat auch einen guten Grund, schliesslich wurde mit diesem Film von Sergio Corbucci ein ganzes Genre angesichts seiner Antihelden und teilweise gesellschaftskritischen Aspekte geprägt. Dabei wird jedoch ein anderer Film von Nero oft allzu rasch vergessen. Das mag daran liegen, dass Keoma von Enzo Castellari erst am Ende der grossen Italowestern-Ära veröffentlicht, kein grosser Erfolg war und in Deutschland sogar fälschlicherweise als eine Art Fortsetzung von "Django" vermarktet wurde. Umso schöner ist es, dass man diese Perle des italienischen Films heute in restaurierter Form und ungekürzt auf DVD geniessen kann. Denn zwar wurde der Italowestern schon 1968 mit Spiel mir das Lied vom Tod beeindruckend zu Grabe getragen, Castellari schüttet aber mit "Keoma", dem letzten grossen Film dieses Genres, 1976 das Grab endgültig zu.

Handlung:
Nach einem Massaker an Indianern findet William Shannon als einzigen Überlebenden den kleinen Indianerjungen Keoma, ein Halbblut, und nimmt ihn als seinen Sohn in seine Obhut. Nachdem Keoma als Erwachsener im Bürgerkrieg gekämpft hat, kehrt er in seine Heimat zurück. Die Stadt ist in der Gewalt von Caldwell, einem ehemaligen Südstaaten-Offizier, der eine Pockenepidemie dazu nutzt, mit seinen Banditen die Stadt zu terrorisieren.
(frei nach Wikipedia)

Die erste - vielleicht die wichtigste - Erkenntnis über "Keoma" ist, dass es sich hier nicht um Mainstream handelt. Dies kann als eine Warnung gesehen werden, ist aber gleichzeitig der Grund, weshalb der Film sich neben den grossen Meisterwerken des Genres behaupten kann und bis heute seine Grösse nicht verloren hat. Würde man Filme nach dem Grad der Eigenwilligkeit, des sturen Umsetzens von Visionen messen, dann wäre "Keoma" unangefochten ein grossartiger Film. Doch in der Realität ist oft das Gegenteil der Fall: Filme, die ihr eigenes Ding durchziehen, werden vom Publikum nicht akzeptiert und spalten die Filmgemeinde. Wenn ich im Folgenden meine Meinung zu diesem Film schreibe, dann tue ich das im Wissen, dass der Zugang zu diesem Film stärker als bei dem meisten anderen aussergewöhnlichen Western eine Frage des Geschmackes und der Offenheit ist. Trotzdem möchte ich vorgreifend schon festhalten, dass dieser Film Qualitäten hat, die man ihm nicht absprechen kann - Geschmack hin oder her.


Der Film beginnt in einem Dorf, bestehend aus Barraken, zerstörtem Holz, Schrott, Schlamm und Dreck. Über der postapokalyptisch anmutenden Kulisse weht ein gnadenloser Wind, dessen Staub alles zerfrisst. In dieser Einöde taucht ein einsamer Reiter auf, gehüllt in einen schmutzigen Umhang, dicke Bandagen und zotteliges Haar. Er trifft auf eine alte, zerlumpte Frau. Sie wechseln wenige Worte und plötzlich schwenkt die Kamera hinüber - ohne Schnitt! - und der Zuschauer befindet sich unerwartet auf einer grünen Waldlichtung, übersät von den verstümmelten Überresten eines Indianermassakers.
Schon in der ersten Minute macht Castellari deutlich, woran es ihm liegt. Die Rückblenden sind nur eines von vielen Beispielen, welche verblüffenden visuelle Ideen hier zu sehen sind. Gerade die furiose, fliessende Verbindung von Gegenwart und Vergangenheit, wenn etwa Keoma in personam durch seine Erinnerungen schreitet, kennt man höchstens noch von einigen wenigen künstlerisch ambitionierten Filmen aus späterer Zeit, wie etwa Lone Star.

Vergangenheit ist dann auch eines der zentralen Themen von "Keoma". Sie scheint allgegenwärtig, hängt schwer und düster in der Luft, und verspricht in klassischer Western-Manier alles andere als Erlösung. Auch Keoma selbst, eine schwerfällige, archaische und eindrückliche Erscheinung, dessen blaue Dämonenaugen jede Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wird als Archetyp schlechthin des Genres dargestellt. Man meint geradezu zu sehen, wie die Vergangenheit in Form eines Kreuzes auf seinem Rücken lastet. Selten zuvor wurde gnadenloser mit dem makellosen Bild des Hollywoodhelden abgerechnet denn hier. Keoma ist ein Ausseinseiter, ein dreckiges Halbblut und dazu noch ein Kriegsveteran, gleich einer Mischung aus John Rambo und Elephant Man. Längst hat er den Glauben an das Land und dessen Leute ("Your People?") verloren, ist seit seiner Kindheit zum grimmigen Einzelkämpfer mutiert, und doch kehrt er zurück, und doch rettet er eine hilflose, schwangere Frau vor dem Tod. "Keoma" ist eine Geschichte von Verstossenen, vom Abschaum der Gesellschaft. Ein Zeile aus dem Film bringt die besonders treffend auf den Punkt:

"I have to do it alone. Because i am alone." 

Ein ähnliches Schicksal wie Keoma teilt etwa George, der Nigger. Die Befreiung aus dem Sklavendasein brachte ihm nicht nur die Entdeckung der Freiheit, sondern auch der Tatsache, wie wenig sie in diesem Land wert ist. Auch Lisa, die Schwangere, zeichnet sich in erster Linie durch ihre Schwäche und Kränklichkeit aus, sie symbolisiert gleichzeitig die Unschuld wie die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, auf ein Weiterleben, welche in ihrem Bauch auf das Sonnenlicht wartet. Sie steht weitab von jeglichem Klischee der romantischen, verhängnisvollen Liebe des Helden, und wie die anderen muss auch sie sich schlussendlich überwinden und Stärke zeigen.

Neu ist dies gewiss nicht, schon gar nicht in einem Film mit Franco Nero, aber es ist doch erfreulich wie treffsicher und durchdacht die Sozialkritik in "Keoma" gelungen ist. Dies bezieht sich nicht nur auf die Verkörperung der Unterdrückung in Form des brutalen, machtgierigen Grossgrundbesitzers Caldwell. Zu den inhaltlich herausragenden Ideen des Filmes gehört auch die Pockenepidemie, mit welcher sich Caldwells Bande legitimiert, die Hilfsbedürftigen wie Vieh zusammenzutreiben und in Ghettos zu pferchen, was mehr als einmal an die Methoden des Ku-Klux-Clan erinnert. Dies gibt dem Film einen unglaublich ernsten Ton, der durch die ganze Atmosphäre und Kulisse noch verstärkt wird und ihm schlussendlich eine zeitlose Intensität verleiht. Castellari übertrifft sogar "Django", indem er die schlammige, düstere Kulisse einer Kleinstadt schafft, die den Eindruck eines Nachkriegslandes, einer postapokalyptischen Hölle auf Erden erweckt. "Keoma" ist ohne Frage einer der härtesten, düstersten und erwachsensten Western schlechthin.

Dies hängt auf jeden Fall auch mit der Brutalität und Gewalt im Film zusammen. Ganz im Stil der 70er verzichtet Castellari auf jegliche Beschönigung des Vorgangs des Tötens und zitiert gerne einmal den grossen Meister Sam Peckinpah (Getaway), indem er die Opfer einer Schiesserei durch die Wucht der Kugel in Zeitlupe nach hinten schmettern lässt. Hier schafft Castellari dann auch auf beachtenswerte Weise die Brücke zwischen Kunstfilm und Actionwestern. Über "Keoma" kann man sagen, was man will, die Schiessereien sind auf jeden Fall mangelfrei inszeniert. Dies reicht von mit fantastischen Ideen auf erfrischend neue Weise präsentierten Western-Duellen - etwa die berühmte Szene, da Keoma für jeden Gegner einen Finger hochhält und "abzählt" - bis zu einem ausgiebigen Shootout, einem der brachialsten in der Geschichte des Genres.
Der grosse Eindruck, den die Schiessereien hinterlassen, ist ebenfalls der gelungenen Choreographie und Bildkomposition zu verdanken. Diese kommen in jenen Szenen besonders zum Ausdruck, zeichnen jedoch auch den restlichen Film aus. Mit einer Penibilität, als würde er ein klassisches Gemälde malen, platziert Castellari jeden Mann, jedes Pferd, jedes Gesicht, jede Haustür genau dort, wo sie hingehört. Damit schafft er es, aus den Kulisse und Schauspielern das Optimum herauszuholen und macht die Bilder von "Keoma" noch heute interessanter als bei den meisten anderen Filmen dieser Zeit. Als filmische Oper, als Tongedicht erreicht "Keoma" eine visuelle Dichte und Kunstfertigkeit, die man bisher in einem Western wohl nur bei Sergio Leones Spiel mir das Lied vom Tod geniessen konnte. Dass Castellari Leone deswegen nicht das Wasser reichen kann, muss wohl kaum erwähnt werden - aber das will er auch nicht, denn die beiden Filme setzen die Akzente deutlich anders.

Anhand des bisherigen Textes fragen sie sich wahrscheinlich, was denn so kontrovers sein soll an "Keoma"? Warum wurde anfangs hervorgehoben, dass der persönliche Geschmack bei diesem Film eine etwas grössere Rolle spielt als gewöhnlich?
Es ist bekannt, dass Italowestern bei weitem nicht jedermanns Sache sind. "Keoma" stellt ausserdem noch einen Bruch innerhalb dieses Genres dar, was ihm allein schon den Zugang zum Mainstream verwehrt. Abgesehen von der schmutzigen, von Verwüstung gezeichneten Kulisse steht etwa der ernste Ton des Filmes, der manchmal sogar surreale Züge annimmt, im krassen Gegensatz zu den seichten Western-Parodien, die zu dieser Zeit entstanden. Castellari arbeitet dabei sehr bewusst mit christlichen Symbolen: Die mystische Geschichte des Halbbluts Keoma - übrigens ein realer indianischer Name - stellt streckenweise starke Bezüge zu biblischen Überlieferungen wie der von Joseph, seinem Vater Jacob und seinen Halbbrüdern, den Gleichnissen des verlorenen Sohns und des barmherzigen Samariters oder - am deutlichsten - der Passion Jesu Christi. Ergänzt wird dies mit der Figur der alten Frau, welche sowohl den Tod als auch Keomas Schicksal verkörpert und immer wieder in Keomas "Wahn" auftaucht. "Keoma" stellt ein ungewöhnlich starkes Wechselspiel zwischen der Handlungs- und der Bedeutungsebene her.

Die Kritik, die man zu Castellaris FIlm jedoch am allermeisten hört, greift die Musik an. Vor allem die Fans stören sich daran und bemängeln, dass der einzig wahre Ennio Morricone hier schmerzlich zu vermissen ist. Das stimmt so nicht. Es war ein bedeutender Schritt, der das schlussendliche Bild des Filmes vervollständigen sollte, dass sich Castellari für die italienischen Musiker Guido & Maurizio De Angelis entschied. Sehr wohl, es war ein sehr eigenwilliger Entscheid, der möglicherweise am Ende für den geringen finanziellen Erfolg des Filmes verantwortlich war. Tadel an der Musik ist jedoch insofern hinfällig, weil jene Teil des Gesamtbildes ist und die unverwechselbare Atmosphäre verdeutlicht. Inspiriert vom Western Pat Garret and Billy the Kid beabsichtigten Castellari und Nero ursprünglich, ihren Film mit Songs von Leonard Cohen und Bob Dylan zu untermalen, was sie dann aber wieder zurücknahmen. Ein Glück, denn was De Angelis anschliessend ablieferten, gehört zum Eindrücklichsten in Sachen Soundtrack überhaupt. Die Lieder, die einen Dialog zwischen einer sehr tiefen Männer Stimme und einer hohen Frauenstimme darstellen, sind gewiss gewöhnungsbedürftig, sobald man sich jedoch mit diesem eigenwilligen Musikstil angefreundet hat - bei mir dauerte dies etwa zwei Minuten - lassen sie einen nicht mehr los. Die Mischung aus Ballade und Oper ist es schliesslich, welche der Musik von "Keoma" ihre ungeheure Faszination verleiht und bestimmte Szenen so intensiv macht.

Sicher, Castellaris Film hat Schwächen. Diese liegen vor allem am eher niedrigen Budget, stören das Gesamtbild jedoch herzlich wenig. "Keoma" ist ein Western, wie man ihn so einfach noch nie gesehen hat. Das Drehbuch ist spannend, gespickt mit eingängigen Dialogen und in seiner Sozialkritik äusserst erwachsen. Bemerkenswert dabei ist, dass oft ohne genaue Vorlage gedreht wurde und die jeweiligen Schauspieler ihre eigenen Sätze sprachen. Auch die Schauspieler wurden von a bis z passend bis hervorragend besetzt, von der atemberaubenden, angenehm un-stereotypischen Olga Karlatos bis zum Mann mit dem Mörderblick, Franco Nero. Entstanden ist ein Western, der - wenn man sich auf ihn einlässt - unvergessliche Momente und eine magische, surreale, beinahe psychedelische Atmosphäre bietet, auch wenn er es beim Massenpublikum verständlicherweise nicht leicht hat. Ein Glück, sterben Legenden wie Keoma nie.

"Keoma" ist ein atmosphärischer und packender Film, der sich durch eine hervorragende Kameraarbeit und künstlerischen Anspruch von seinen Genregenossen abhebt. Selten war der Western so düster, so brutal, so energiegeladen und berauschend - ein Meisterwerk und Franco Neros grösste Stunde.

abgerundet ca. 9 von 10 Punkten


Weitere Bilder:











Dienstag, 20. Januar 2009

El Chuncho, quien sabe? (DVD Review)



Töte Amigo

Nachdem Sergio Leone in den 60ern die grosse Italowestern-Welle losgetreten hatte, ging die Sache Schlag auf Schlag. Mit Django versuchte Sergio Corbucci 1966, eine etwas ernstere Antwort auf Für ein paar Dollar mehr zu geben, während im selben Jahr mit El Chuncho, quien sabe? (Deutsch: Töte Amigo) der sogenannte Revolutionswestern etabliert wurde, welcher vor allem am Ende der Spaghetti-Ära eine grössere Rolle spielen würde (Zwei Companeros, Todesmelodie). Nicht ganz zufällig war der Regisseur Damiano Damiani für "Töte Amigo" verantwortlich, da er seit den 50ern politisch aktiv war. Zudem verhalf der Film Klaus Kinski zum Durchbruch in Italien, welcher hier in einer Nebenrolle zu sehen ist.

Handlung:
Der junge US-Amerikaner El Nino schließt sich in Mexiko der Bande von El Chuncho an, die Waffen rauben, um sie an die Revolutionäre zu verkaufen. Für El Chuncho steht dabei die Bereicherung seiner Selbst im Vordergrund; er zieht lieber mordend durch die Dörfer und lässt sich von den Bauern feiern, statt die erbeuteten Waffen an General Elias abzuliefern. Er freundet sich mit Nino an, obwohl dieser wenig bis gar nicht spricht und es sehr eilig zu haben scheint, zu Elias zu gelangen.
(frei nach Wikipedia)

Es muss wohl nicht mehr erwähnt werden, dass im Bereich des Italowesterns zu dieser Zeit zahllose Filme fliessbandartig hingeschluddert wurden, um so lange noch möglich auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Von dieser Masse hebt sich "Töte Amigo" überraschend stark ab. Zwar hatte er für seine frühe Entstehungszeit ein ansehnliches Budget, konnte doch etwa ein Grossüberfall auf einen Zug inszeniert werden, allerdings blieben die Mittel dennoch beschränkt. Das spielt aber auch gar keine grosse Rolle, denn Damiani war ganz offensichtlich nicht in erster Linie daran interessiert, möglichst aufwändige Schiessereien und Explosionen zu veranstalten. Keine Bange, davon gibt es mehr als genug und sie sind wild und heftig inszeniert, aber so oder so ist das wirklich Herausragende an "Töte Amigo", dass er im Vergleich zu den meisten anderen Filmen seiner Art die Akzente deutlich anders setzt. Denn viele italienische Regisseure liessen sich damals nicht gross mit dem Ausarbeiten eines sorgfältigen Drehbuchs aufhalten, sondern schritten so bald wie möglich zur Tat, weshalb umso mehr auffällt, dass sich Autor Salvatore Laurani hier Mühe gegeben hat.

Dies drückt sich aus, indem der Film öfters einmal ruhige Töne anschlägt. Und dies tut er nicht nur pro Forma, um wieder für die nächste Schiessübung Luft zu holen. Zwischen all den Revolutionswirren vergisst er nicht, sich ausgiebig den Figuen zu widmen, welche auch wirklich interessant gelungen sind. Nicht nur das, sie sind ausserdem alle gut bis hervorragend besetzt. Allein schon der Bandenführer El Chuncho ist bemerkenswert dreidimensional, wie er hin und her wechselt zwischen wildem, blutrünstigem Tatendrang und einer Art melancholischer Nachdenklichkeit, die ihn etwa am Lagerfeuer ergreift. Fantastisch gespielt wird von Gian Maria Volontè, dem beinahe lebensecht gewordenen "Strolch" aus dem gleichnamigen Disneyfilm, welcher hier sogar noch etwas mehr beeindruckt als in "Für ein paar Dollar mehr".
Das pure Gegenteil zu ihm stellt Lou Castels Figur El Nino dar, der verschlossene, undurchsichtige Blondschopf, aus dem weder seine Mitmenschen noch der Zuschauer schlau wird. Bekommt man einmal den Eindruck, er entwickle eine Art emotionale Bindung zu dem Aufstand und den Companeros, so scheint es schon in der nächsten Szene wieder so, als verfolge er bloss seine ganz eigenen Ziele. Auch die weiteren Figuren sind grösstenteils interessant und passend besetzt, so vermag es beispielsweise die rothaarige Frau des Bürgermeisters, in ihren wenigen Filmminuten schauspielerisch viel Eindruck zu hinterlassen. Beinahe nicht mehr erwähnen muss man natürlich Klaus Kinski, der sich der Rolle des fanatischen Predigers mit voller Inbrunst hingiebt, wobei er leider viel zu wenige Szenen hat.

Der grosse Trumpf, den Damiani in "Töte Amigo" somit ausspielen kann, sind die zwischenmenschlichen Konflikte, welche die Roadmovie-Geschichte in Fahrt kommen und - wenn man das so nennen kann - echtes "Italo-Feeling" aufkommen lassen. Interessant auch, dass trotz allem Realismus die Figuren sehr symbolhaft und die Situationen teilweise geradezu absurd wirken. Im Gegensatz zu "Zwei Companeros" geht es hier nicht zwingend nur um die Abläufe einer Revolution, Damiani widmet sich eher den gesellschaftlichen Ursachen und den politischen Konsequenzen. Der satirisch anmutende Biss des Filmes wird beispielsweise ersichtlich, wenn die Bauern, die ein Dorf übernommen und die Oberschicht gemeuchelt haben, nun nicht mehr weiter wissen, da niemand unter ihnen lesen und schreiben kann, und irgendeinen jungen Tölpel als Bürgermeister einsetzen.
Ausserdem gesteht Damiani seinen Figuren ganz klar eine Wandlungsfähigkeit zu, lässt den ersten Eindruck oft sogar den Zuschauer in die Irre führen. Im Zentrum dieses Aspektes befindet sich Cuncho: Der barbarische Revolutionär stellt sich sehr bals als der praktisch einzige heraus, der sich um die Idee hinter der Revolution kümmert, während alle anderen von der Geldgierigkeit korrumpiert werden, dem Mittel, mit dem die Reichen und Mächtigen ihre Fäden im Hintergrund spinnen. Dabei bleibt Damiani stets ausgewogen, indem er beides auf ehrliche Weise brutal und unwürdig darstellt, sowohl die Diktatur als auch die Revolution.

Somit gehört "Töte Amigo" zwar zu den wenigen Italowestern, bei denen man die verweigerte Jugendfreigabe noch heute nachvollziehen kann, anderseits ist er aber auch einer der wenigen, der das Thema von Gewalt und Unterdrückung angemessen behandelt und schlussendlich eine recht optimistische Botschaft verlauten lässt. Und auch wenn der Film längst nicht über die ganze Länge reibungslos funktioniert, auch wenn man viele Elemente (etwa die optische Inszenierung an sich) schon in ähnlicher Form gesehen hat, so kennt man dies immerhin nicht in der Kombination mit Schauspielern und Inhalt, welche Damiani hier anzubieten hat.
Am Ende von "Töte Amigo" steht die Wahl. Entweder Weiterdienen und gierig dem eigenen Wohlstand Nacheifern, oder sich Widersetzen und für eine Idee, eine neue Ordnung kämpfen - entweder Brot oder Dynamit. Die Wahlt fällt leicht. Viva la Revolution!

"Töte Amigo" ist ein spannender, zynischer und kompromissloser Italowestern, der sich nicht mit anderen Meisterwerken des Genres messen kann, jedoch durch die Kombination von gekonnter Inszenierung, interessantem Inhalt und überzeugenden Schauspielern bis heute zu gefallen vermag.

abgerundet ca. 7 von 10 Punkten


Weitere Bilder:








Sonntag, 11. Januar 2009

Vamos a matar, compañeros (DVD Review)



Zwei Companeros

Der ehemalig Sandalenfilm-Regisseur Sergio Corbucci hatte sich 1966 mit Django als einer der kreativsten Lieferanten für dreckige, morbide Italowestern etabliert, was er zwei Jahre später mit Il Grande Silenzio bestätigte. Als sich die Hochsaison dieses Genre gegen das Ende zu neigen begann, wandte sich auch Corbucci mehr den publikumswirksamen Westernkomödien zu. Der 1970 entstandene Vamos a matar, compañeros kann deshalb schon zu seinem Spätwerk gerechnet werden, gehört aber nichtsdestotrotz zu Corbuccis Sternstunden. Eigentlich ist er ein Remake des von Corbucci 1968 gedrehten Filmes Die gefürchteten Zwei. In den deutschen Kinos wurde dem Film das selbe Schicksal wie vieler seiner Kollegen zu Teil, indem unter dem Titel "Lasst uns töten, Companeros" eine über 15 Minuten gekürzte Fassung gezeigt wurde. Mittlerweilen ist jedoch die ungeschnittene, restaurierte Fassung (120 Minuten) unter dem Titel "Zwei Companeros" auf DVD erhältlich.

Handlung:
General Mongo, der persönliche Begehrlichkeiten hinter der Fassade der mexikanischen Revolution versteckt, zieht mordend durch das Land und raubt die Staatskasse aus. Er ernennt einen Schuhputzer, "den Basken", kurzerhand zum Befehlshaber, als es gilt, ein stark bewachtes Dorf einzunehmen. Wider Erwarten gelingt dies dem Basken, doch es wird eine Zahlenkombination benötigt, um den Tresor zu öffnen. Als Yodlaf Peterson, "der Schwede", nach San Bernardino kommt, bietet er Mongo an, sich nach Amerika zum Hochsicherheitsgefängnis Yuma zu begeben und den politischen Aktivisten Professor Xantos zu befreien, welcher dort inhaftiert ist und als einziger die Zahlenkombination kennt. Um den Basken loszuwerden, schickt ihn Mongo gleich ebenfalls als Begleitung mit.

Der grösste Trumpf von "Zwei Companeros" ist wie bei seinem Vorgänger, dass er dem Genre der sogenannten "Revolutionswestern" angehört. Dies ist nicht die einzige Parallele zu Sergio Leones Genre-Meilenstein The Good, the Bad and the Ugly, welcher ebenfalls in einer Zeit der politischen Umwälzung spielte. Auch das Konzept einer Reise von zwei Hauptdarstellern, die sich eigentlich loswerden möchten, aber eben doch von einander abhängig sind, wurde deutlich von dem Kult-Duo Eastwood und Wallach geprägt. Wer jetzt aber vermutet, dass Corbucci bloss bei Leone kopieren ging, liegt meilenweit daneben. Im Gegenteil, mit diesem Film scheint Corbucci Leone sogar deutlich bei der Produktion von Todesmelodie inspiriert zu haben, welcher ein Jahr später erschien und ähnliche Themen behandelt. Corbucci, der hier wieder einmal selbst zur Feder griff und das Drehbuch verfasste, verleiht seinem Film vor allem durch seine Inszenierung, die Schauspieler und die anders gewichteten humoristischen Elemente ab der ersten Minute Eigenständigkeit. Dies schafft die Grundlage dazu, dass das Zusammenspiel von politischen und persönlichen Konflikten ausgezeichnet funktioniert.

"Zwei Companeros" hebt sich sehr deutlich von anderen Regiearbeiten Corbuccis ab. Trotz morbiden Ideen und brutalen Sozialkritik ist es oft das Problem von Filmen wie "Django", dass die Handlung zu wenig ausgearbeitet und straff erzählt ist. In diesem Sinne wendet sich Corbucci mit "Zwei Companeros" mehr dem amerikanischen Kino zu, was in diesem Fall kaum als Negativpunkt gesehen werden kann. Im Gegenteil, das Drehbuch brilliert insofern, als dass es den Zuschauer ab der ersten Minute mit der Geschichte vertraut macht und feselt. Einen interessanten Plot - kombiniert mit unzähligen Storywendungen, verschiedenen Interessensparteien, zahlreichen flüssig erzählten Episoden - das kennt man auf diesem Niveau höchstens von grossen Filmen wie "Zwei glorreiche Halunken". Natürlich gehört Corbuccis Film ganz klar auch zu den "grossen" Filmden dieses Genres, weil er ganz offensichtlich über ein für solche Filme überdurchschnittliches Budget verfügte. Die meisten anderen Italowestern können nicht einmal davon träumen, historische Eisenbahnen, explodierende Brücken und brennende Festungen zur Verfügung zu haben. Somit gehört "Zwei Companeros" zu den qualitativ hochstehenden Western, die auch wirklich optisch etwas zu bieten haben.

"Zwei Companeros" ist jedoch nicht nur ein spannender und actiongeladener Film, sondern auch höchst unterhaltsam. Natürlich wird mit vielen typsichen Stilmitteln gespielt und natürlich ist es oft dieser klassische Hau-drauf-Humor, das ändert jedoch nichts daran, dass der Film witziger ist als der meiste Hill/Spencer-Klamauk. Dies liegt vor allem an den sehr erfrischend in Szene gesetzten Hauptdarstellern Franco Nero und Tomas Milian. Nero, Corbuccis Stammschauspieler, darf hier einmal eine etwas andere Facette seines Könnens zeigen und glänzt als überheblicher, kapitalistischer und sehr cooler Gringo, der jedoch eine bei weitem nicht so harte Schale hat wie Django. Perfekt ergänzt wird er von Milian, der den "Tuco-Part" übernimmt und mit seiner ungestümen, rauen Art die Konflikte auf belustigende Weise vorantreibt. Auch die weiteren Rollen sind exzellent bestzt, von der schönen Iris Berben über den bedächtig agierenden Fernando Rey (French Connection) als kluger Professor bis hin zum grandiosen Jack Palance als gnadenloser Killer. Die Schauspieler und ihre abwechslungsreichen Figuren führen dazu, dass "Zwei Companeros" in erster Linie verdammt unterhaltsam und bis heute noch ein grosser Genuss für jeden Filmliebhaber ist.

Der Film ist aber gleichzeitig auch noch mehr. Corbucci verwendet nämlich Gewalt nicht nur zum Selbstzweck, sondern gibt dem Film mehr als einmal ernste Töne. Diese mögen in der deutschen Synchronisation etwas untergehen, doch auch dort entsteht ein durchdachtes Wechselspiel zwischen Unterhaltung und Ernst. Der Film behandelt weniger die Ursachen einer Revolution denn deren Abläufe. Er zeigt den Konflikt der verschiedenen Bevölkerungsschichten und lässt in Form der jeweiligen Charaktere den Kapitalismus, das einfache Volk und die gebildeten Idealisten aufeinander treffen. Gerade der Baske symbolisiert in seiner einfach gestrickten Art den einfachen Bauern, der sich von den grossen Männern fehlleiten lässt. Er ist es, der am Ende die grösste Wandlung durchmacht und zur Einsicht gekommen ist, dass Drauf-los-hauen nicht immer die beste Lösung ist. Corbucci bleibt dabei jedoch stets ehrlich und kritisch und blickt der Tatsache ins Auge, dass politische Umwälzungen schlussendlich nur durch Gewalt vollzogen werden. 

"Zwei Companeros" ist eine höchst unterhaltsame Mischung aus "Zwei glorreiche Halunken" und "Todesmelodie", ein zugleich lockerer und durchdachter Spaghetti-Western von Genremeister Sergio Corbucci. Viva la Revolution! 

ca. 9 von 10 Punkten


Weitere Bilder: 







Il Ritorno di Clint il solitario (DVD Review)



Il Ritorno di Clint il solitario

Zu der grossen Massen an Italowestern, die schnell und billig produziert wurden, gehört neben Spara, Gringo, spara auch Il Ritorno di Clint il solitario. Der Film des Spaniers Alfonso Balcazar, der die Fortsetzung seines Filmes "Clint el solitario" darstellte, wurde mit dem sperrigen deutschen Titel "Ein Einsamer kehrt zurück" gestraft und fällt dem Filmliebhaber heute höchstens deshalb auf, weil die Namen Ennio Morricone und Klaus Kinski auf der DVD-Hülle stehen.

Handlung:
Der wegen Mordes gesuchte Cowboy Clint kehrt nach fünfjähriger Flucht in die Heimat zurück. Seine Frau Norma bewirtschaftet inzwischen eine Ranch, reagiert aber zuerst abweisend, als Clint zurückkehrt. Auch sein jugendlicher Sohn will nichts mehr mit seinem Vater zu tun haben, den er für einen Feigling hält. Einige Banditen wollen jedoch den Farmern dort das Land abnehmen. Clint versucht sich aus der Auseinandersetzung mit den Ganoven herauszuhalten, weil er seiner Frau versprochen hat, nie mehr Gewalt anzuwenden. Während der gesamten Zeit ist auch der gnadenlose Kopfgeldjäger Scott (Klaus Kinski) hinter ihm her.
(frei nach Wikipedia)

1972 war die Italowestern-Ära eigentich schon wieder vorbei, weshalb "Ein Einsamer kehrt zurück" eher als nachträglicher Beitrag zu diesem Genre zu werten ist. Drehbuchautor Enzo Dorina versucht deshalb, dem Genre eine neue Seite abzugewinnen, indem er es mit den Themen des klassischen Ford-Westerns (The Searchers) vermischt. Nach dem Betrachten der etwa 115 Minuten Filmes muss man sich jedoch ganz klar eingestehen, dass dieses Experiment gescheitert ist.

Hätte man schlicht eine dreckige, actiongeladene Handlung nach dem gewöhnlichen Muster erzählt, wäre die Sache wahrscheinlich besser herausgekommen. Stattdessen wird Clint bemüht als zwischen Vergangenheit, Familie und Pflichtgefühl zerrissene Figur dargestellt. Die Folge sind nicht nur zahlreiche kitschige Momente, sondern auch Klischees en masse. In zahlreichen Szenen sehen wir Clint und seine Frau, die sich mit bedeutungsschwangerem Blick ansehen, während sich die Musik emporschwingt, kombiniert mit ultrastarken Zooms auf die Augen und Sätzen wie "es ist viel zeit vergangen". Doch im Gegensatz zu Spiel mir das Lied vom Tod sprechen die Blicke hier keine Bände, der Zuschauer kann nicht auf eine bedeutende Vorgeschichte zurückgreifen und es gibt nichts, was man mit dieser Melancholie ausdrücken möchte.

Dass Clints Sohn in seiner ewigen Übereifrigkeit und seine kleine Tochter, die natürlich immer schön naive und bedeutende Fragen stellt, mehr nerven als berühren, versteht sich da fast schon von selbst. Es kommt also eine Art Kettenreaktion in Gang, da die Familiengeschichte nicht funktioniert und dem Helden keine Legitimierung seines Handelns gibt. Da kann Italowestern-Star George Martin auch nicht mehr viel ausrichten, so oft er auch grimmig in die Kamera blickt und mit entblösster Brust (unglaublich, dass ein solches Fell damals als "männlich" galt!) durch die Gegend gallopiert.

Der Rest des Filmes besteht eigentlich aus Szenen, in denen das schlitzohrige und mit allen möglichen schlechten Eigenschaften ausgestattete Banditen-Trio die Farmer tyrannisiert und Clint proviziert, bis dieser schlussendlich zur Waffe greifen muss. Dies erinnert mehr als einmal an Sam Peckinpahs grandiose Gewaltstudie Straw Dogs, die ein Jahr zuvor erschienen war. Ob gewollt oder nicht - dieser Aspekt schafft schlussendlich doch eine gewisse Spannung. Man muss dem Film nämlich zugute halten, dass er durch das Verflechten von mehreren Interessensparteien, den netten Landschaftsaufnahmen und gekonnt inszenierten Actionszenen die absolute Langeweile effizient vorbeugt und sich bald auf einem gemächlichen Niveau der seichten Unterhaltung einschauckelt, gegen Ende sogar teilweise richtig gut wird. Und dann ist da schliesslich noch Klaus Kinski. Er hat leider wenig Leinwandzeit und spielt lediglich seine Rolle aus Il Grande Silenzio ein zweites Mal, entfaltet aber eine gewisse Grundpräsenz, die dem Film sehr zugute kommt.

"Ein Einsamer kehr zurück" ist ein ziemlich schlecht geschriebener Italowestern, der trotz übermässigem Kitsch dank Klaus Kinski und Ennio Morricone gerade noch sehenswert ist. Für Genrefans.

ca. 4 von 10 Punkten


Weitere Bilder: