Before Night Falls
Julian Schnabel ist eigentlich hauptberuflich Maler, aber ab und zu greift der New Yorker auch mal zur Kamera. Drei Kinofilme hat er bis heute gedreht und alle stellten sie Portraits von Künstlerkollegen dar. Seinen grössten Erfolg konnte er gerade dieses Jahr mit dem für vier Oscars nominierten Schmetterling und Taucherglocke feiern. Seinen cineastischen Durchbruch hatte er aber schon im Jahr 2000 mit Before Night Falls, einer filmischen Biographie des kubanischen Schriftstellers Reinaldo Arenas.
Der Film zeigt einige Episoden seit der Kindheit von Reinaldo Arenas. Nachdem schon seine Lehrerin einen starken Hang zur Poesie in ihm entdeckt hatte, schreibt Reinaldo als Erwachsener in Havanna sein erstes Buch und wird damit hochgelobt. Es wird gedruckt und als weitere Belohnung darf er in der Bibliothek arbeiten. Dabei trifft er Pepe, seinen späteren Freund und zieht bei einer Bekannten dessen ein. Er schätzt sich glücklich, im Besitz einer Schreibmaschine zu sein und kann nun schneller und auch ungestörter schreiben. Aber im Kuba der 1970er ist nicht nur Homosexualität strafbar. Sämtliche nachfolgende Bücher werden nämlich zensiert und verboten. Angebliche Pornografie ist der Grund, jedoch ist es im Castro-Regime kaum erlaubt auf irgendeine weise kreativ zu sein, weil die Gefahr besteht, es könne sich gegen das Regime wenden. An einem sonnigen Tag am Meer, gerät Reinaldo in einen Streit mit seinem Freund Pepe. Dabei kommt es zu einer Prügelei. Währenddessen stiehlt man ihnen die gesamte Kleidung und Reinaldo entschließt sich dazu, dies der Polizei zu melden. Die jugendlichen Täter werden unweit des Tatorts gestellt, behaupten aber in ihrer Not fälschlicherweise, Arenas hätte sie sexuell belästigt. Somit wird Arenas verhaftet.
(frei nach Wikipedia)
Zu Beginn erzählt uns Schnabel, wie Arenas als Kind inmitten der Natur und nur unter Frauen aufwächst. Damit macht er glaubwürdig, dass Reinaldo später eine Leidenschaft für Poesie und Männer entwickelt. Diese Glaubwürdigkeit zieht sich auch durch den restlichen Film, etwa wenn Schnabel tabulos die sexuelle Revolution Kubas in Szene setzt. Er stellt die Homosexualität dabei nicht anders dar als zwischengeschlechtliche Liebe und macht sie teilweise sogar nachvollziehbar. Auch wenn gewisse Episoden der Geschichte wie ein Märchen scheinen, so bringt es der Film doch fertig, die politische Situation und der Zeitgeist des damaligen Kubas äusserst packend und realistisch zu porträtieren. Nicht umsonst wurde "Before Night Falls" von manchen Kritikern als der "kubanischste Film aller Zeiten, und das von einem nicht-Kubaner" bezeichnet. Sehr geschickt umgesetzt wurde auch die ständige Zuspitzung der öffentlichen Lage von Schwulen und Künstlern, die darin kulminiert, dass Reinaldo in eine Art Konzentrationslager gesperrt wird. Diese Szenen könnte man vielleicht als die besten des Filme bezeichnen, nicht nur, weil Johnny Depp einen kleinen, aber einmaligen Auftritt hat und die Paranoia einer dreckigen Einzellzelle in der Filmgeschichte selten so erschütternd dargestellt wurde. "Before Night Fall" ist aber keineswegs ein Gefängnis-Film, sondern insgesamt sehr abwechslungsreich. Man muss aber auch sagen, dass einige Episoden nicht besonders begeistern und hie und da auch etwas Langeweile aufkommen kann. Zwar bleibt der Film durchgehend auf einer hohen Qualitätsebene, aber teilweise fehlt etwas, das die einzelnen Szenen denkwürdig gemacht hätte. Schade auch, dass er gegen Ende deutlich abfällt und der Schluss trotz allem Realismus und einer herausragenden Szene, die den Kreis von Geburt bis Tod mit einem poetischen Monolog Reinaldos schliesst, den Zuschauer nicht befriedigt.
Formal gibt es wenig auszusetzuen, im Gegenteil: Schnabel hat die Filmbiographie sehr gekonnt und mit viel Sorgfalt umgesetzt, was teilweise zu malerischen Bildern führt. Diese werden auch immer vom gelungenen Soundtrack von Carter Burwell begleitet, wodurch eine bemerkenswerte Atmosphäre entsteht. Grandios ist auch, wie bei Schnabel die Kamera mit Ort und Zeit verschmilzt. In der naturnahen Kindheit etwa ist der Film frisch, unbefangen und existenziell, in der Schwulenszene Havannas wild, schnell und tabulos, in New York grau, dokumentarisch und zermürbend. Das ist visuelle Kunst auf hohem Niveau.
Dazu kommt natürlich Javier Bardem, welcher nicht grundlos für den Oscar nominiert wurde. Er ist glaubwürdig und überzeugt absolut, allerdings war seine Leistung in No Country for Old Men klar die atemberaubendere. Dafür bekam er dann ja schliesslich auch das Goldmännchen. In zwei (!) Nebenrollen dürfen wir - wie schon erwähnt- Johnny Depp geniessen, ausserdem hat Sean Penn einen Miniauftritt, den man dank viel Make-up kaum erkennt.
"Before Night Falls" ist ein schillerndes, kunstvoll gefilmtes Portrait eines Mannes, seiner Zeit und seines Landes, das zwischenzeitlich mit beinahe himmlischer Poesie zu berühren weiss.
ca. 7 von 10 Punkten
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