Sie habens wieder getan. Die Brüder Joel und Ethan Coen, ihres Zeichens verantwortlich für grossartige Filme wie Fargo, The Big Lebowski und No Country for Old Men, geben den Kinoleinwänden diesen Herbst zum 13ten Mal die Ehre. Mit Burn After Reading kehren sie nicht nur zurück in die Gefilde der Komödie, es gibt auch ein wiedersehen mit den Coen-Veteranen George Clooney und Frances McDormand.
Handlung:
Und wieder mal beehrt uns ein Film, bei dem es weder besonders befriedigend noch aufschlussreich ist, seine Handlung zusammenfassen zu versuchen. Gibt es hier überhaupt so etwas wie eine echte Handlung? Es gibt Figuren mit ihren Geschichten, etwa Osbourne Cox, ein Ex-CIA-Mitarbeiter, der nicht mehr so ganz zufrieden ist mit seinem Leben und auch mit seinen Momoiren nicht vorwärts kommt, Linda Litzke, eine alleinstehende Mitarbeiterin eines Fitnesscenters, die mit vier verschiedenen Schönheitsoperationen ihr weibliches Selbstwertgefühl aufzupeppen hofft und das Geld dazu nicht hat, oder Harry, ein dauersportlicher, jungebliebener Womanzier, der sein Leben zwischen Betten von Ehefrauen und einsamen Singlefrauen führt. Und inmitten all dieser Figuren taucht irgendwann eine CD mit streng geheimen CIA-Daten auf und der Versuch, daraus Geld zu machen, läuft natürlich - soweit kennen wir die Coens wohl mittlerweile - schiefer als schief.
Diese Handlung ist schlussendlich jedoch nicht unbedingt das ausschlaggebende, denn die Coens richten ihr Augenmerk viel mehr auf einzelne Situationen. Diese lassen sich wohl am besten mit Adjektiven wie skurril, absurd, grotesk, verworren und unglaublich komisch umschreiben. Dies gibt es wirklich selten in der Filmwelt, dass jemand einen so eigenen, unverwechselbaren Humor betreibt, ohne sich gross zu wiederholen, ohne ausgelutscht zu wirken. Zugegeben, wiederholen tun sich die Coens tatsächlich etwas, zumindest fällt es schwer, in "Burn after Reading" die absolute Einzigartigkeit eines "Fargo" zu entdecken. Es wirkt beinahe so, als würden sie wieder Luft holen für ein richtig grosses Werk und "Burn after Reading" wäre somit mehr Zeitvertreib, ein kreativer Lückenfüller. Das wären dann aber schon viel zu harte Worte für einen so guten Film, der sich mit solcher Leichtigkeit von der Masse der übrigen Komödien abhebt. Unverwechselbar ist hier nämlich nicht nur der aus grotesken Figurenkonstellationen resultierende Humor, sondern auch die grandiose Schauspielführung und konsequente Unvorhersehbarkeit, welche die Coens einmal mehr pflegen. Und dann ist da natürlich noch das Chaos. Denn mit beinahe sadistischer Raffinesse führen sie ihr sorgfältig aufgebautes Figurengebilde je länger je mehr ins Absurde, drehen die Schraube immer mehr an und reissen den Zuschauer mit in einen Strudel von reiner Sinnlosigkeit. Denn mindestens drei Dinge haben alle Figuren auf jeden Fall gemeinsam: Sie sind alles nur kleine Fische in einem sehr grossen Ozean, machen so ziemlich alles falsch und haben keinen Plan. Und auch so mancher Zuschauer mag gegen Ende keinen Plan mehr haben, aber genau deswegen mögen wir die Coen-Brüder ja. Auch wenn sie diesen Ansatz nicht mehr ganz so konsequent wie in "The Big Lebowski" ausgeführt haben. Wegen der zweiten Hälfte und dem positiven Eindruck, mit dem man das Kino verlassen kann, darf man jedenfalls teilweise darüber hinwegsehen, dass die erste halbe Stunde des mit 95 Minuten recht kurzen Filmes nicht begeistert und hinter dem üblichen Firlefanz diesmal etwas wenig raffiniert-satirische Substanz vorhanden zu sein scheint.
Die Schauspieler sind natürlich ein ganz essenzieller Punkt bei einem solchen Film. Und der Cast, den die Coens hier um sich scharen, kann sich ohne Frage sehen lassen. John Malkovich glänzt durch eine explosive Mischung aus Aggresivität und Dämlichkeit. Frances McDormand und Tilda Swinton waren wohl ohne Frage schon einmal besser, bieten aber ein durchweg hohes Niveau, während George Clooney den kindsköpfigen, sorglosen, einfach gestrickten Frauenheld mit sichtlichem Spass spielt, die Sache ab und zu aber etwas zu übertreiben scheint. Und dann ist da noch Brad Pitt. Nicht zu glauben, dass das momentane Anhängsel von Angelina Jolie an vielen Orten den schlechten Ruf eines massentauglichen Hollywood-Superstars hat. Dies ist er zweifelslos, hat aber mit Fight Club, Seven, Babel und nicht zuletzt The Assassination of Jesse James bewiesen, dass er sehr wohl ein fantastischer Schauspieler sein kann. Und nun das. Er ist es, mit lächerlich hochgestellten Haaren, ständiger Sportbekleidung und demonstrativ gekautem Kaugummi, der uns wild gestikulierend mitteilt, er habe die CD mit "secure shit" und "numbers, dates, numers and ...more dates" gefunden. Es entzieht sich beinahe jeder Beschreibung, wie Brad Pitt in dieser Rolle eine Aura von Dummheit, Einfältigkeit, aufgesetzter Coolness und ewigem Optimismus versprüht. Wenn er mit dem Sportrad zur Lösegeldübergabe erscheint oder beginnt, zu seiner iPod-Musik zu tanzen, dann sind das ganz ohne Frage die besten Szenen des Films. Es wäre unfair zu behaupten, "Burn after Reading" lebe nur von seiner Leistung, aber wir wissen nun immerhin, an wen der Komiker-Oscar dieses Jahr gehen würde.
"Burn After Reading" ist sicher nicht der beste Film der Coens, weil er weder insgesamt noch im Detail völlig überzeugt und zu Beginn schlicht etwas zu wenig Stoff bietet. Trotzdem ist dies eine chaotische, unberechenbare Komödie mit herrlich absurdem Humor, die man allein dank einem grandiosen Brad Pitt mindestens zweimal ansehen kann. Spionagefilm einmal anders.
ca. 8 von 10 Punkten
2 Kommentare:
Da kann ich dir nur zustimmen. Verbal (und teilweise auch optisch) derber Streifen, der mit durchgeknallten Darstellern glänzt. Chaotisch und saukomisch. DAS ist ein Spionagefilm! Wir freuen uns schon auf "A Serious Man" und "Yiddish Policemen's Union"
Auf jeden Fall!
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