Mittwoch, 26. November 2008

In the Valley of Elah (DVD Review)



In the Valley of Elah

Im März dieses Jahres kam In the Valley of Elah in die Kinos, der neue Film von Crash-Regisseur Paul Haggis. Viele Besucher konnte das Irakkriegsdrama freilich weder in Europa noch in den Staaten anlocken, was aber sowieso klar war, da Haggis alles andere als einen Actionfilm machen wollte. Umso schöner, dass er nun zu den Filmemachern gehört, die ihr eigenes Ding - unabhängig von finanziellem Druck - durchziehen können.

Handlung:
Als der Soldat Mike Deerfield von einem elfmonatigen Irak-Einsatz in die USA zurückkehrt, meldet er sich nach einem Ausgang nicht mehr auf seinem Stützpunkt zurück (AWOL). Sein alter Vater, Kriegsveteran Hank Deerfield, macht sich auf die Suche. Er gelangt an ein nicht mehr funktionierendes Mobiltelefon, das sein Sohn auf seinem Militärstützpunkt zurückgelassen hat, und findet jemanden, der ihm die darauf gespeicherten Irak-Fotos und – nach und nach – auch Videos seines Sohnes weitgehend wiederherstellen kann. Ein Bild zieht dabei besonders Deerfields Aufmerksamkeit auf sich, ohne dass er etwas über den Hintergrund des Fotos herausfindet. Ansonsten jedoch erreicht er nichts, denn weder auf dem Militärstützpunkt noch in der Umgebung will man etwas von Mikes Verbleib wissen, mehr noch: Die zuständigen Behörden reagieren äusserst unfreundlich. Bewegung kommt in die Suche erst, als die Polizei eine Leiche in der Nähe des Stützpunktes findet.
(frei nach Wikipedia)

Haggis' Film lässt sich eigentlich sowohl mit dem Wort ungewöhnlich wie klassisch umschreiben. Klassisch daran ist auf jeden Fall die Grundstruktur, nämlich die eines Krimis, der dem guten alten Whodunit-Prinzip folgt. Wir begleiten Hank auf seiner selbständigen Spurensuche, bei der nach und nach das Geheimnis aufgedeckt wird, was mit dem Sohn geschehen ist. Ausserdem werden immer wieder Szenen eingeschoben, da Hank ein neues Video des Sohnes findet und annähernd zu begreifen beginnt, wie der Sohn im Irak gelitten hat.
Dabei gestaltet Haggis seinen Film sowohl vom Drehbuch wie von der Inszenierung her sehr ruhig und beinahe beklemmend realistisch. Das ist Kino, welches sich nicht den aktuellen Moden anpasst, sondern wirklich etwas erzählen möchte, und das in unvergänglicher Art und Weise. Haggis hat aber auch höhere Ambitionen, nämlich die Stimmung des Amerika vor dem Hintergrund des Irakkrieges zu erfassen und all die Probleme aufzuzeigen, die sich im eigenen Land daraus ergeben haben. 
Bemerkenswert und aussergewöhnlich ist sicher, wie gut ihm das gelungen ist, indem er dem Film eine Grundstimmung gegeben hat, die durchgehend betrübt, matt, erschöpft und konsterniert ist. Man kann dies auch als deprimiert auffassen, wodurch "In the Valley of Elah" zum puren Gegenteil des aufmunternden Unterhaltungsfilm geworden ist. Und das ist auch gut so. 
Dazu kommt, dass Haggis trotz aller klassischer Struktur dem Zuschauer schlussendlich nicht das gibt, nach dem er verlangt, und ihn statt mit Befriedigung mit einer gehörigen Portion von Verwirrung und Nachdenklichkeit sitzen lässt. Ganz ohne Frage, der Film erreicht sein Ziel, zum Nachdenken über ein wichtiges Thema anzustiften.

Dies ist ein Film, der in erster Linie die sekundären Folgen des Krieges thematisiert, sich somit in den Bereiche bewegt, in denen wir beispielsweise auch schon First Blood gesehen haben. Die Intelligenz des Streifens zeigt sich schon anhand der mit Hank geschickt gewählten Hauptperson. Dieser wurde nicht nur von Tommy Lee Jones oscarreif verkörpert, sondern ist auch stark charakterisiert. 
Hank ist einer dieser typischen Väter, wie es sie viele gibt in der USA, der vor langer Zeit aus dem Krieg zurückkehrte und dieses gewisse etwas, das ihn ihm drinnen seither zu fehlen schien, mit Strenge, Disziplin und Patriotismus zu überdecken versuchte. Weder zu seiner Frau noch zu anderen ist er seither zu richtigen zwischenmenschlichen Beziehungen fähig, stattdessen hat er sich von allen entfremdet und auch seine Söhne mit beinahe militärischer Distanz erzogen. 
Es ist diese Wandlung von Hank, wie er und mit ihm der Zuschauer langsam zu begreifen beginnt, was der Krieg wirklich für die Beteiligten bedeutet, welche den Film trotz fehlender oberflächlicher Spannung zu tragen vermag. Während seinen privaten Ermittlungen trifft er auf die Irakheimkehrer und sieht in ihnen beinahe ein Spiegelbild seiner selbst: Menschliche Scherbenhaufen, psychologische Fracks, die sich nicht mehr in die Gesellschaft integrieren lassen. Ein Satz in der zweiten Hälfte - übrigens eine Anspielung auf Apocalypse Now - bringt dies sehr gut auf den Punkt, als eine Kamerad von Hanks Sohn bemerkt, dass er im Irak nur an die Heimkehr denken musste und nun, da er zurück ist, sich wünsche wieder da zu sein.

Auch Themen wie Rassismus und Sexismus (anhand der Ermittlerin Emily) spricht der Film ungeniert an und lässt praktisch keine Figur in gutem Licht darstellen - unangebrachte Sentimentalität fehlt somit völlig. "In the Valley of Elah" ist ohne Frage ein intelligentes, betrübtes Werk mit bewegenden Momenten, das mit ausgezeichneten Schauspielern und einem Drehbuch punkten kann, das dort hinsieht, wo man es ansonsten nicht tut. 
Natürlich ist der Film keineswegs perfekt, viele Zuschauer wird er teilweise langweilen, und manchmal wirkt er tatsächlich wie eine Mischung aus Mystic River und Eine Frage der Ehre. Aber auch wenn dies nicht Haggis' bester Film ist, so gibt es eigentlich nur einen richtigen Negativpunkt, den man bemängeln muss: Der Zuschauer kriegt viel zu wenig von Josh Brolin zu sehen, welcher hier fast nur ein Cameo hat. Ansonsten ein sehr guter Film, der ein eindeutiges Urteil über sein Land, das Post 9/11-Amerika, fällt: Notstand. Wir sind am Ende.

"In the Valley of Elah" ist ein in seiner Unaufgeregtheit starkes Kriminaldrama, das ein vom Krieg traumatisiertes Amerika porträtiert.

ca. 8 von 10 Punkten


Weitere Bilder:







Keine Kommentare: