Sonntag, 29. Juni 2008

Blade Runner (DVD Review)



Blade Runner - Director's Cut

Kino ist ein Geschäft. Eine Branche, in der es wie bei jeder anderen um den finanziellen Gewinn geht, in der reiche Geldsäcke die Fäden in der Hand haben, das muss man sich immer wieder vor Augen halten. Dank eiskalter Gewinnkalkulation kommt bei Filmen grösserer Studios deshalb leider oft der innovative, der künstlerische Aspekt zu kurz. Natürlich sind da auch wir Zuschauer mitschuldig, denn oft genug würdigen wir mutige, eingeständige Film wenig bis gar nicht. Dass die Box Office-Zahlen nichts über die Qualität und den längerfristigen Wert eines Filmes aussagen, ist die logische Folge davon. Das Paradebeispiel schlechthin ist Ridley Scott's Blade Runner.

Im Los Angeles des Jahres 2019 gibt es ein Problem: Vier Replikanten der Generation Nexus, von Menschen kaum unterscheidbare Androiden, haben sich selbständig gemacht und sind auf die ihnen verbotene Erde geflohen. Sie wurden mit einer Lebenserwartung von vier Jahren geschaffen und versuchen nun, diese zu umgehen. Rick Deckard bekommt den Auftrag, die verlorenen Schäfchen wieder einzufangen, beziehungsweise auszuschalten, wie es eben der Job eines Blade Runners ist. Und schliesslich ist er der beste. Eine zermürbende Jagd durch die verregneten, heruntergekommenen, neonbeleuchteten Strassenschluchten der Zukunft nimmt ihren Lauf.

Das Publikum akzeptierte 1982 den Science Fiction-Film von Ridley Scott nicht, von den Kritikern wurde er als misslungen deklariert. Harrison Ford, die Draufgänger-Leinwandikone aus Star Wars und Indiana Jones, war hier plötzlich in einer völlig anderen Rolle und keineswegs als Identifikationsfigur zu sehen. Erst mit der Zeit begann die Öffentlichkeit die unglaubliche Tiefe und wegweisende Optik des Werkes zu schätzen, was vor allem mit dem Director's Cut zusamemnhängt, den Scott 1992 veröffentlichte. Musste er sich bei der Kinofassung von den Studiobossen auf die Finger hauen lassen und dem Publikum mit Mainstream-Zugeständnissen entgegenkommen, so entfernte er im Nachhinein die erklärenden Voice Over-Kommentare und das Happy End.

"Blade Runner" ist ein Krimi. Er bietet an der Oberfläche eine klassisch und konventionell aufgebaute Verbrecherjagd-Story, die zwar nett verschachtelt und spannend strukturiert ist, aber deswegen befindet sich der Film nicht auf praktisch sämtlichen "Beste Filme aller Zeiten"-Listen. Vom Spannungsaufbau her bietet er keine gross aussergewöhnliche Kost. Ebensowenig spektakulär ist die Charakterzeichnung von Deckard, und auch sonst fehlen die Elemente, die für einen Oscar für das beste Drehbuch nötig gewesen wären. Aber das will der Film ja gar nicht.

Hier geht es um weit, weit tiefschürfendere Themen. Was ist menschlich? Was macht den Mensch zum Menschen? Können wir unseren Augen trauen? Welche Existenz ist gerechtfertigt?Welchen Wert haben Erinnerungen?
Unzählige elementare Fragen, vor allem ethische, die der Film aufwirft und auf die man vergeblich nach Antworten sucht. Scott präsentiert keine Lösungen, sondern regt zum Nachdenken über ebenso schwierige wie wichtige Probleme an. Intelligentes Unterhaltungskino.

Deckard ist ein einsamer, verlassener, melancholischer Mensch der ein tristes Leben in einer Grossstadt ohne Hoffnung führt. Verbrechen beherrscht die nächtlichen Strasse, rauchende und dampfende Industrietürme das Stadtbild. Überdimensionale, deplatzierte Werbetafeln versprechen ein verheissungsvolles Leben auf anderen Planeten. Ridley Scott verbindet die in der Tradition des Film Noir stehenden Elemente mit einem im höchsten Masse stilistischen und futuristischen Design. Er präsentiert ein Szenenbild, wie es ein solches noch nie zuvor gab (höchstens in "Metropolis"), und welches zusammen mit einer visionären Kameraführung die einzigartige Atmosphäre einer düsteren Zukunft schafft. Der Cyberpunk war geboren. Seither gibt es kaum einen Science Fiction-Film, der nicht in "Blade Runner" seine stilistischen Wurzeln hat.

Ausserdem sind Harrison Ford und Rudger Hauer Idealbesetzungen, die dem Film eine zusätzliche Note verleihen, während Vangelis die passende Musik lieferte. All diese Elemente eines beinahe perfekten Filmes kulminieren gegen Ende in einer grossartigen, zutiefst menschlichen Szene, einer der wohl berührendsten der Filmgeschichte. Gute Arbeit, Mr. Scott.

"Blade Runner" ist ein düsterer, nachdenklicher und bewegender Mix aus Film Noir und Science Fiction. Wegweisend.

abgerundet ca. 9 von 10 Punkten



"I've seen things ...you people wouldn't believe."


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