Donnerstag, 17. Juli 2008

Pulp Fiction (DVD Review)



Pulp Fiction

Wenn man über "grosse Filme" und absolute Must-Klassiker spricht, dann liegt der Gedanke nicht weit, eine Liste über die besten Motion Pictures aller Zeiten zu erstellen. Versuche in dieser Richtung gibt es an der Zahl wie Sand am Meer, beinahe jeder Filmfan hat mal einen unternommen (jawohl, auch ich), die grösste ist die Top 250-Liste der Internet Movie Data Base. Mit pro Film etwa 80'000 Bewertungen sagt sie wahrscheinlich am meisten aus über den Filmgeschmack der westlichen Welt. In dem Fall verträgt sich mein Geschmack ganz gut mit dem der westlichen Welt. Das war schon immer so. Mit einer grossen Ausnahme.
Pulp Fiction, von vielen Fans als Bibel der Neuzeit angebetet, mochte ich nie besonders. Nun habe ich mich zu einer zweiten Chance durchgerungen und Tarantinos Meisterstück noch einmal angeschaut.

Den Versuch, einen Handlungsabriss zu verfassen, starte ich gar nicht erst. Ich möchte schliesslich noch vor 4 Uhr Morgens ins Bett kommen. Allerdings ist das auch gar nicht so wichtig.

Wenn jeder seinen ganz persönlichen Two-Face-Film hat, dann ist "Pulp Fiction" wohl meiner. Denn ich pflege eine recht ambivalente Beziehung zu ihm. Dazu muss man vielleicht sagen, dass ich kein grosser Fan vom Herrn Tarantino bin. Sicher, ich mag alle seine Filme irgendwie. Denn er kann gute Dialoge und verzwickte Storys schreiben, und ich schätze nunmal gute Dialoge und verzwickte Story. Aber es fehlt meistens das gewisse etwas, damit ich richtig begeistert wäre.

Beginnen wir mit der Bright Side. Unter den gewohnt coolen bis erstklassigen Soundtracks, die Tarantino für seine Werke zusammenstellt, ist der von "Pulp Fiction" der hervorragendste. Mehr, es ist sogar einer der besten überhaupt, die ich kenne. Ein Album, das an sich schon zum immer wieder Hören einlädt, in Verbindung mit den jeweiligen Szenen eine nahezu perfekte Untermalung des Geschehens ergibt. Allein deswegen ist der Film einen Blick wert. Von "Surf Rider" über "Girl, You'll Be A Woman Soon" bis hin zu "Son of a Preacher Man" - man kann sagen was man will, aber das ist einfach gute Musik.
Der schwerwiegendste Punkt in der Plus-Schale ist aber natürlich das Drehbuch. Zu Recht mit einem Oscar geadelt, besticht es in erster Linie durch eine revolutionäre Erzählstruktur. Die Handlung wird nicht chronologisch präsentiert, sondern wild durcheinandergewürfelt. Wobei "wild" ein gänzlich falscher Ausdruck ist; sondern so, dass es einen perfekten Spannungsbogen ergibt. Darauf muss man auch zuerst einmal kommen. Nicht schlecht, Herr Specht.
Hinzu kommt Tarantinos Markenzeichen, die Dialoge. Messerscharf, pointiert, aalglatt, tragen sie den Film, beziehungsweise geben ihm in ihrer Nonsens-haftigkeit eine Basis. Wenn Killer minutenlang über Gottes Intervention philosophieren, dann ist das nicht nur erstaunlicherweise nie langweilig, sondern auch urkomisch.
Ein Grund dafür sind auf jeden Fall auch der Cast, der neben Tarantino-Veteranen Tim Roth und Harvey Keitel mit Namen wie John Travolta, Uma Thurman, Bruce Willis und Christopher Walken aufwarten kann. Alle passen sie gut bis perfekt in ihre Rollen und spielen sie mit viel Engagement. Und dann ist da noch Samuel L. Jackson. Als Jules füllt der schwarze Hüne die Leinwand soweit aus, dass sie an Coolness überzulaufen droht. Er spielt den sich neu orientierenden Killer sehr bedrohlich, sodass jede einzelne Szene mit ihm Stil pur hat und zu richtig beeindruckendem Kino wird.

Und damit sind wir schon bei der Dark Side angelangt. Die restlichen Szenen sind nämlich etwas mau. Ich könnte sogar so weit gehen und behaupten, jede Filmminute ohne Jackson - abgesehen von der Tanz-Szene - sei überflüssig. Soweit gehe ich aber nicht, sondern begnüge mich mit der Aussage, dass dort die Schwächen des Filmes liegen. Vor allem die gesamte Episode "The Gold Watch" ist zwar ganz nett - man sieht Bruce Willis ja aus Prinzip immer gerne - aber ziemlich weit weg von dem, was ich als "genial" betiteln würde. Wenn Christopher Walken erklärt, dass er eine Uhr zwei Jahre lang in seinem Arsch herumgetragen hat, und Ving Rhames etwas anderes genau dort zu spüren bekommt, dann sind das Momente, die ich nicht als kultig bezeichnen kann. Schade. Auf den gesamten Film bezogen muss ich sagen, dass die Struktur zwar so extravagant wie bewundernswert ist, aber das Ganze schlussendlich etwas von einem chaotischen Flickenteppich hat. Richtig gefesselt, geradezu gebannt, so wie ich es bei einem wahren Meisterwerk sein möchte, war ich auch beim zweiten Mal Sehen von "Pulp Fiction" höchstens bei gewissen Szenen. Die Versuchung liegt leider nahe, während dem Sehen immer wieder auf die Forward-Taste zu drücken, beziehungsweise überhaupt nur einige bestimmte Szenen anzuschauen.
Nicht zu vergessen ist, was ich schon im letzten Beispiel angetönt habe, nämlich die Darstellung von Gewalt und Drogen. Auch wenn viele genau das als speziellen Reiz des Filmes empfinden mögen, kann ich mich damit nicht recht anfreunden. Geschweige denn darüber lachen. Tarantinos Eklektizismus scheint auch nicht unbedingt meine Sache zu sein. Die ganze Zitatekiste ist zwar sehr geschickt eingebaut und zeugt von einer immensen Vertrautheit mit der Popkultur, einen wirklichen Mehrwert ergibt sich für mich daraus aber nicht.
Ich bin mir bewusst, dass der Film genau das und nichts anderes sein will, ein Schundwerk über eine Gesellschaft ohne Moral und Werte, mehr noch; geradezu eine Parodie darauf. Und ich bin mir auch bewusst, dass ich relativ alleine stehe, wenn ich meine, dass Tarantino diesen Vorsatz mit Death Proof etwas besser erfüllt hat.

Summa summarum: Nach dem zweiten Mal hat mir "Pulp Fiction" besser gefallen. Wenn es also hiesse, There are two kinds of people in the world: those who hate Pulp Fiction and those who love Pulp Fiction, dann drücke ich Mace Windu zuliebe ein Auge zu und reihe mich bei letzteren ein.

"Pulp Fiction" ist ein ironisch-cooler Gangsterfilm mit einem wegweisenden Script, einmaligem Cast und erstklassigem Soundtrack, der an einigen mässig beeindruckenden und schwer verdaulichen Szenen leidet.

ca. 8 von 10 Punkten


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