Montag, 14. September 2009

District 9 (Kino Review)



District 9

Ein Zeichen, dass sie genug vom nicht abbrechenden Strom an Remakes, Sequels und Franchisen haben, setzten die amerikanischen Kinozuschauer diesen August, indem sie den kleinen, in Südafrika gedrehten Science Fiction-Film District 9 zum Überraschungserfolg machten. Zwar kann sich der Film mit dem Namen Peter Jackson (Der Herr der Ringe, King Kong) als Produzent schmücken, trotzdem hätte wohl niemand gedacht, dass der für Genre-Verhältnisse mit 30 Millionen Dollar Produktionskosten überaus günstige Film Blockbuster wie G.I. Joe oder G-Force auf die Plätze verweisen würde.

Handlung:
Im Jahr 1982 stoppt ein riesiges außerirdisches Raumschiff über Johannesburg in Südafrika. Doch nichts geschieht, es verharrt dort unbeweglich und so entschliessen sich die menschen nach dreimonatigem ereignislosem Warten, einen Weg in das Raumschiff zu schneiden. Dort finden sie über eine Million insektoide Außerirdische vor, welche gesundheitlich in einem sehr schlechten Zustand sind. Ein Kommandant des Schiffes wird nie gefunden. Die extraterretrischen Wesen werden in einem behelfsmäßigen Flüchtlingslager untergebracht, welches den Namen District 9 trägt und sich rasch zu einem Slum entwickelt.
20 Jahre später, im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ist die Multinational United (MNU), ein privates Sicherheits- und Militärunternehmen, verantwortlich für die Überwachung der mittlerweile 1,8 Millionen Insektoiden und beschliesst deren Umsiedlung in ein Camp 240 Kilometer nordwestlich von Johannesburg. Wikus van de Merwe, ein eher unauffälliger Büroangestellter, wird zum Leiter der Umsiedlungsaktion ernannt. Er muss sich nun mit einem Spezialteam nach Disctrict 9 begeben, um die Aliens über ihre bevorstehende Umsiedlung zu "informieren".
(frei nach Wikipedia)

Schon an der diesjährigen Comic-Con in San Diego liess sich erahnen, dass Peter Jackson einmal mehr das richtige Gespür für einen Hit gezeigt hat. Dort wurde "District 9" nämlich in eher kleinem Rahmen aufgeführt und begeisterte die anwesenden Genrefans derart, dass sich die Rückmeldungen auf Twitter, Blogs und Foren vor Euphorie geradezu überschlugen. Ursprünglich geplant gewesen war eigentlich, dass Neill Blomkamp, Regisseur und Drehbuchautor von "District 9", die von Jackson produzierte Verfilmung des Videospiels "Halo" drehen sollte, doch fiel dieses Projekt leider ins Wasser. Jackson, beeindruckt von Blomkamps Ideen, wollte jedoch unbedingt mit ihm zusammenarbeiten und so einigten sie sich auf "District 9", frei nach Blomkampfs Kurzfilm Alive in Joburg, auch wenn dafür schlussendlich nur ein Bruchteil des erhofften "Halo"-Budgets zur Verfügung stand.

Das Endergebnis, das wir nun begutachten dürfen, ist in mehrerer Hinsicht verblüffend. In erster Linie erstaunt allein, wieviel Blomkamp und Jackson aus dem Budget herausgeholt haben. Zwar gibt es keine extrem aufwändige Massen- und CGI-Szenen auf fremden Planeten wie in Star Trek - stattdessen konzentrierte man sich bei "District 9" ganz offensichtlich darauf, den Computer dosiert und gezielt einzusetzen - aber das, was zu sehen ist, sieht auf jeden Fall verdammt gut aus. So besticht der Film von Anfang an durch einen ungewohnte greifbare Atmosphäre, wenn das riesige Raumschiff in dokumentarisch wirkenden Aufnahmen über Johannesburg schwebt. Auch die Aliens wurden mit grosser Sorgfalt gestaltet, sodass sie zwar mit ihrem Insekten-Äusseren stark an bekannte Vorbilder von Alien bis hin zu den Geonosianer aus Star Wars: Attack of the Clones erinnern, aber selten so realistisch in reale Aufnahmen integriert wurden wie hier. Generell darf man es somit beinahe als Vorteil von "District 9" sehen, dass sein Budget beschränkt war und Blomkamp dadurch gar nicht erst in Versuchung kam, überall möglichst spektakulär auf die CGI-Tube zu drücken. Das führt auch dazu, dass kein einziges bekanntes Gesicht zu sehen ist, was dem Film ungeheuer gut tut. Denn nur so lässt sich der Realismus, dem sich Blomkamp ganz offensichtlich verschrieben hat, konsequent und mit der gewünschten Wirkung durchsetzen - selbstverständlich nur ein formaler Realismus, über inhaltliche Glaubwürdigkeit lohnt es sich kaum nachzudenken.

So bewegt sich "District 9" zu Beginn überaus deutlich auf den Pfaden von Cloverfield, indem er das Geschehen ausschliesslich durch TV-Berichte und Interviews aufrollt, sich also als Mockumentary präsentiert. Dies widerspiegelt den Geist der Zeit und zeigt einmal mehr, dass solche neuen Methoden weit über die Wackelkamera von Blair Witch Project vor einem Jahrzehnt hinausgehen und tatsächlich "grosses" Kino schaffen können. Denn Blomkamps Film vermag die Vorteile dieses Pseudo-Realismus' durchaus auch zu nutzen und hebt sich gerade dadurch auf originelle Weise vom sterilen Krawallkino eines Michael Bays ab, als dass er eine direkte Verbindung zum Zuschauer aufbauen kann. Hat man mittlerweile den Eindruck, der ausufernde und zum Selbstzweck verkommene CGI-Overkill eines Transformers 2 führt mehr und mehr zu einer Abstossung und emotionalen Abschottung des Zuschauers, sind die Effekte in "District 9" wieder viel mehr ein Mittel, um den Zuschauer in die Story hineinzuziehen - was ja eigentlich der Sinn der Sache ist.

Der Look ist generell eine höchst willkommene Abwechslung zum modernen Blockbuster-Hochglanz, denn hier sieht man wieder deutlich, dass Peter Jackson eben doch seine Finger im Spiel hatte: "District 9" ist dreckig, sehr dreckig. Das Risiko eines nicht ganz massentauglichen Filmes in Kauf nehmend, wurde der Film mit einer eindeutigen Trash-Ambiente ausgestattet. So geizt Blomkamp zeitweise nicht mit Gore- und Splattereffekten, inklusive abgerissener Arme und zerfetzter Körper, was manches empfindliche Gemüt vor den Kopf stossen mag. Doch gerade dieser konsequent schmutzige Ton - auch auf Handlungsebene - ergänzt sich hervorragend mit der Umgebung, den Slums von Johannesburg, und kann höchstens in gewissen Szenen etwas billig oder übertrieben wirken. Vielmehr orientiert sich "District 9" geschickt an zahlreichen Klassikern des Genres und sieht seinen Trash-Faktor viel mehr als eine Art liebevolle Hommage.
Darüber hinaus sollte auch nie der Verdacht aufkommen, Blomkamp hat viel mehr als Unterhaltung im Sinn. Zugegeben, die Alien-Einwanderung als verschmitze Parabel über die reale Flüchtlingsthematik ist ein überaus hoch gegriffener Einstieg und verschafft dem Film von Beginn weg eine grössere Tiefe als vielen anderen dystopischen Szenarien. Aber sehr bald regt sich ebenfalls die Befürchtung, es mit einem Film zu tun zu haben, der sich als eine mit dem Zeigefinger vorgetragene Moralpredigt inklusive bedeutungsschwangeren Allegorien versteht. Doch diese Befürchtung erweist sich sehr bald als unbegründet, denn Blomkamp geht im weiteren Verlauf des Filmes nur noch am Rande auf dieses Thema ein und manövriert die Story in ungefährlichere Gewässer. Wahrscheinlich ist es besser so, alles andere hätte wohl auf die Dauer lediglich plump gewirkt. So ist "District 9" in erster Linie Unterhaltung, wenn auch ungewohnt geradlinige, konsequent dreckige und mit interessanten gesellschaftskritischen Gedanken angehauchte Unterhaltung.

Die völlig unbekannten Schauspieler sind - wie erwähnt - eine Wohltat und werten den Film stark auf. Im Zentrum steht natürlich Kino-Debütant Shartlo Copley als Wikus Van de Merwe (mit herrlichem Akzent), der sich auf einen ausgezeichnet geschriebenen Charakter stützen kann und einen Protagonisten gibt, wie man es in diesem Genre selten sieht. Man könnte meinen, Blomkamp hätte den Hauptdarsteller einer durchschnittlichen romantischen Komödie genommen - ein Bürogummi im mittleren Alter, ein etwas ungeschickter Spiesser, dem keiner wirklich etwas zutraut und der einen etwas seltsamen Sinn für Humor hat - und ihn in die Szenerie eines düsteren SciFi-Thrillers gesetzt. Copleys schafft es, seine Figur schon ab dem ersten Interview ungeheuer sympathisch zu machen, und steht damit im angenehmen Kontrast zu dem seit Blade Runner in diesem Genre beinahe zur Regel gewordenen, düsteren Antihelden. Stört man sich nicht an der Optik oder stellenweise furiosen Inszenierung, kann man hier also mit einem tollen Protagonisten mitfiebern und ihm durch eine Story folgen, die gerade deswegen keine Sekunde Langeweile aufkommen lässt.

Wie erwähnt geht das Konzept der Mockumentary im ersten Teil des Filmes mehr als auf, Blomkamp war es offenbar jedoch klar, dass es sehr schwierig sein würde, diesen Stil über zwei Stunden beizubehalten. So entwickelt sich der Film spätestens in der zweiten Hälfte zu einem eher üblich inszenierten Action-Streifen im Stil von Terminator 4. Möglicherweise war dies die beste Lösung und stets vermag der Film sein überdurchschnittliches Niveau zu halten, was jedoch nicht darüber hinwegzutäuschen vermag, dass "District 9" gegen Schluss zum Teil vorhersehbar wird und sich dem Reiz der Materialschlacht nicht entziehen kann.
Erstaunlicherweise bietet "District 9" in der ersten Hälfte nämlich kaum rohe Action, sondern baut dank der ausgezeichnet eingeführten Ausgangslage eine enorme Spannung auf und positioniert die temporeiche Story klug zwischen den verschiedenen Fronten von Regierung, Gangs und Aliens. Überhaupt erweist sich Blomkamp als ein Kenner der Materie und vermag es geschickt, unzählige grundlegende, klassische Elemente des Genres auf verschiedenen Ebenen miteinander zu verweben und zu kombinieren. So bietet der Film nicht nur das kennzeichnende Thema des "First Contact", sondern auch eine gruselige Metamorphose und Dystopie-typische Gesellschaftskritik, was das Herz jedes SciFi-Fans schlagen lassen müsste. Dazu kommen wie schon erwähnt die unzähligen filmhistorischen Anspielungen auf grosse Werke des Genres, von Starship Troopers über "Alien", "Star Wars II", Independence Day und Matrix 3 bis hin zu The Fly, aber auch genreübergreifend auf Filme wie Black Hawk Down, wobei die Grenze zwischen Würdigung und direkter Inspiration mehrmals verwischt. Ein Meisterwerk ist Blomkamp nämlich auch mit Unterstützung von Jackson nicht gelungen, aber auf jeden Fall ein realistisch wirkender, gerade deswegen sauspannender Kracher, der mit seinem ungewöhnlichen Setting, einem abwechslungsreichen Drehbuch, einem tollen Hauptdarsteller, intelligenten Untertönen und einem hohen Mass an Kreativität und Durchsetzungswille einen frischen Wind ins Genre bringt. Einmal Fortsetzung, bitte!

"District 9" ist ein spannender, vor allem in der ersten Hälfte furios in Szene gesetzter Science-Fiction-Action-Film mit vielen originellen Ideen. Trash auf extrem hohem Niveau.

abgerundet ca. 8 von 10 Punkten


2 Kommentare:

Rondell hat gesagt…

Spreken see oktober?

Jonas hat gesagt…

I'm sorry but i don't understand your question...