Moulin Rouge
Das Musical Moulin Rouge des Australiers Baz Luhrmann handelt vom mittellosen, naiven Schreiberling Christian, der 1899 nach Paris kommt, um über das zu schreiben, über das man in Paris schreibt: Die Liebe. Doch so einfach, wie er sich das gedacht hat, ist es natürlich nicht und als er sich im legendären Nachtclub "Moulin Rouge" in die Tänzerin Satine verliebt, fangen die Probleme erst an.
"Moulin Rouge" ist ein Musical, ein Theaterstück, und präsentiert sich auch als solches. Dementsprechend ist die Handlung so simpel wie klassisch gezeichnet und zeigt beinahe opernhafte Züge. Es treten die üblichen Elemente eines Melodramas auf: Der naive, sympathische, einfache Held, die verführerische, unerreichbare, leidende Diva, der gierige, reiche, schmalzige Konkurrent, gemischt mit einem kräftigen Schuss Verrat, Misstrauen, Romantik, Intrige, Verlust, Klassenkampf und Verwechslungen. Grosse Überraschungen diesbezüglich sollte man also nicht erwarten.
So altmodisch der Inhalt ist, so modern ist die Form. Luhrmann packt seine Story in einzigartige, eigenwillige Bilder und lässt den Zuschauer mit dem Auge nicht mehr nachkommen. Er überlädt seine filmische Theaterkulisse förmlich mit Farben und Formen, komponiert jede einzelne Einstellung zu einem überbordenden Gemälde, bis in den kleinsten Winkel füllt er die Leinwand mit opulenter Ausstattung, dass sie beinahe überzulaufen droht. Ein Feuerwerk der Farben, ein zügelloser Rausch von Rot und Blau, dessen Wirkung man sich kaum zu entziehen vermag. Zudem wird sehr geschickt mit Modellen und Computereffekten gearbeitet, was zusammen mit der Auslegung der Geschichte auf wenige Ein-Raum-Schauplätze einen modernen Theater-Effekt ergibt.
Zu dem ganzen Theater gehören neben der Geschichte und der Kulisse natürlich auch die Schauspieler. Ewan McGregor ist ideal gewählt und strahlt mit seinem verschmitzten Lächeln genau die richtige Naivität und Ehrlichkeit aus, auch wenn seine Rolle auf die Dauer etwas blass und uninteressant scheint. Nicole Kidman passt optisch ebensogut und braucht mit ihren glasklaren Augen nur einen lüsternen Blick hinter den roten Locken hervorzuwerfen, um den Zuschauer genauso wie die Besucher des Moulin Rouge sofort in den Bann zu ziehen. Aber das reicht nicht für zwei Stunden und mich hat ihre Performance leider nicht ganz überzeugt, ganz zu schweigen davon, dass mir ihr Overacting stellenweise sogar auf den Wecker ging. Krasses Overacting betreiben übrigens auch die meisten Nebenrollen, aber hier passt es und führt zu einigen hektischen und höchst amüsanten Slapstick-Szenen. Gnadenlos überzeichnete Figuren wie der Duke oder Jim Broadbent als Besitzer funktionieren zudem hervorragend in ihren stereotypischen Rollen.
Nicht zu vergessen bei einem Musical sind natürlich die Gesangseinlagen. Hier gibt es kaum etwas auszusetzen, denn die Songs, von "All You Need is Love" (Beatles) über "Smells Like Teen Spirit" (Nirvana) bis hin zu "The Show Must Go On" (Queen), hört man ja immer wieder gerne, ausserdem sind sie fantasievoll interpretiert, passend eingesetzt, toll choreographiert und tadellos gesungen. Sie runden ein engagiertes Gesamtkunstwerk ab, das auf narrativer Ebene schwächelt, auf der visuellen Ebene umso mehr punktet. Ein Film, der an das französische Meisterwerk Amelie de Montmartre erinnert, diesem aber nicht das Wasser zu reichen vermag. Die Filme (mit dem selben Schauplatz) stammen übrigens beide aus 2001, nur um die Frage nach dem Huhn und dem Ei zu klären.
"Moulin Rouge" ist eine klassische Theater-im-Theater-Story, frisch, frech und optisch sensationell umgesetzt. Berauschendes Kino der ganz grossen Gefühle.
ca. 8 von 10 Punkten
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