Sonntag, 2. November 2008

Once (DVD Review)



Once

Es geschieht einfach immer mal wieder. Ein kleiner Film, mit sehr geringen Kosten produziert und unbekannten Schauspielern besetzt, der für viel Wirbel sorgt und internationale Bekanntheit erlangt. Auch der irische Musikfilm Once kostete nur 150'000 Dollar und bietet keine bekannten Gesichter, war aber ein grosser Erfolg und räumte weltweit Preise ab.

Handlung:
Der Protagonist lebt wieder bei seinem verwitweten Vater in Dublin und repariert in dessen Elektrogeräteladen Staubsauger. Nebenbei betätigt er sich mit seiner verschrammelten Gitarre als Straßenmusiker und träumt von einer Karriere als Profimusiker. Eine junge tschechische Immigrantin, die in Dublin als Blumenverkäuferin auf der Straße arbeitet und später von einer reichen Familie als Putzfrau eingestellt wird, freundet sich mit ihm an und ermutigt ihn bald darauf, seine Träume in die Realität umzusetzen.
(frei nach Wikipedia)

Es gibt genug Gründe, um "Once" nicht zu mögen. Eigentlich drei davon: Das ständige Gesinge, die Wackelkamera und die dürftige Handlung. Tatsächlich ist es auf den ersten Blick ein amateurhaft gefilmter, billig inszenierter, aus lose verknüpften Szenen bestehender, ständig von Musik untermalter Streifen, der dazu noch absolut unspannend ist. Trotzdem ist er gut. Warum?

Ganz einfach deshalb, weil all diese scheinbaren Makel zu diesem Film passen. Und weil er eine reine Herzensangelegenheit ist. Man merkt schon sehr bald, dass hier alle Beteiligten - welche die meisten übrigens ohne Lohn arbeiteten - mit vollem Einsatz dabei waren; in erster Linie Regisseur, Drehbuchautor und Kameramann John Carney und Hauptdarsteller und Komponist Glen Hansard. Sie erzählen eine Geschichte auf zwei Ebenen, als Handlung, welche mit minimalen Dialogen auskommt, und mit dem Inhalt der Songs. Es ist eine Liebesgeschichte wie man sich sie im Kino nicht gewöhnt ist, da sie ohne künstliches Tempo, überstürzte Aktionen oder funkensprühende Konfronationen auskommt. Sie ist weit weg von jeglichen Hollywood-Klischees, weil sie eben nirgends künstlich ist. Stattdessen ist sie ruhig und realistisch. 

Zu Beginn behält die Kamera viel Distanz zu den Personen, zeigt sie als einsame, gewöhnliche Menschen in der grossen Masse. Zuerst sind sich der Strassenmusiker und die Blumenverkäuferin gegenseitig nur eine flüchtige Bewegung in einer kalten, schwierigen Welt und erst in der Szene, da sie am Klavier sitzen und die gemeinsame Leidenschaft der Musik entdecken, wagt sich auch die Kamera dichter an sie heran. Mit der Zeit nähert sich der Zuschauer somit den beiden Hauptpersonen langsam, aber immer mehr an und nimmt sie gerade deswegen als glaubwürdige, zugängliche Menschen wahr. Denn die beiden Handkameras, mit denen praktisch der ganze Film aufgenommen wird, schaffen eine Atmosphäre, die nicht künstlich, sondern echt ist. Ein simpler, aber nichtsdestotrotz wirkungsvoller Effekt. Dies ist ist nämlich die grosse Stärke von "Once": Er erreicht eine sehr persönliche, menschliche Ebene und man muss die Figuren gerade deswegen so sympathisch finden, weil sie nicht wie im Film, sondern wie im richtigen Leben wirken.

Auch die Handlung des Filmes ist in dieser Form ziemlich aussergewöhnlich. Grosse Sprünge macht sie gewiss nicht und es gibt nicht einen wirklichen Kuss zu sehen, trotzdem erzählt sie von grossen Themen wie wahre Gefühle und darüber, dass Musik verbindet. Neu ist das gewiss nicht, in dieser bodenständigen, glaubwürdigen Art aber trotzdem eine angenehme Note, die viele Liebesfilme schmerzlich vermissen lassen. 
Es ist dann auch die Musik, welche die Szenen verbindet und sich als roter Faden durch den 84 Minuten kurzen Film zieht. Ungewohnt ist daran sicher auch, dass viele Songs in voller Länge und ohne gross abwechslungsreiche visuelle Untermalung abgespielt werden und dialogreiche Passagen ganz klar die Ausnahme bilden. Das macht "Once" zu einem Filmerlebnis, wie wenn man ein Musikalbum hört. Das funktioniert natürlich nur deshalb, weil der Soundtrack fantastisch gelungen und stark genug ist, den Film zu tragen. Er harmoniert sehr galant mit dem liebevoll in Szene gesetzten Dublin, schafft herrliche Atmosphäre und macht einige Szenen unvergesslich (siehe Tonstudioaufnahme). 
Die überpräsent vorhandene Musik bringt jedoch auch einige Probleme mit sich. Das grösste davon ist wohl, dass "Once" schlussendlich kaum Handlung hat. Er bietet schlicht wenig Greifbares, wenig Substanz. Und das kann man auch mit jedem noch so einmaligen Realismus nicht wegreden. Es bleibt der Eindruck, das "Once" trotz liebenswerten Absichten filmisch gesehen kein durchschlagender Erfolg ist.

Trotz dürftiger formeller Basis bietet der Film immer noch Atmosphäre, Musik und zwei höchst sympathische, menschliche Figuren, die den Zuschauer mehr als einmal zum Schmunzeln bringen. Und so lässt sich sagen: Doch, eigentlich muss man den Film mögen. Man muss ihn nicht als filmische Offenbarung sehen, aber dem irischen Charme kann man sich nicht entziehen. Das konnte auch Hollywood nicht und hat dem Film mit dem Oscar für den besten Song seine Ehre erwiesen.

"Once" holt den Liebesfilm zurück auf den Teppich und lässt ihn zugleich hoch fliegen. Eine Ode an die Musik, das Leben und die Liebe - mit ausgezeichnetem Soundtrack und leider etwas wenig Substanz.

abgerundet ca. 7 von 10 Punkten


Keine Kommentare: