Dienstag, 11. November 2008

Nacht gegen das Vergessen



Nacht gegen das Vergessen


Was ist aussergewöhnlich an dem heutigen Tag? Es ist halt ein Sonntag. Einer wie jeder andere. Windig ist er, dieser Sonntag, bewölkt, von prächtigen Herbstfarben geprägt und ausserdem sehr friedlich. Es mag schwer fallen, an einem solchen Sonntag daran zu denken, dass die Welt nicht immer so friedlich war. Das ist sie zwar auch heute keineswegs, aber wir Menschen im deutschsprachigen Raum haben uns längst an diesen Frieden gewöhnt, sind dem Luxus verfallen und leben in der Gewissheit, dass die ernsten politischen Probleme dieses Planeten sehr sehr weit weg stattfinden. Es geht uns sehr gut heute. Aber dennoch müssen wir heute, und nicht nur heute, daran denken, dass es nicht immer so war. Damit wir nicht vergessen.

Heute vor genau 70 Jahren, dem 9ten November 1938, begann die sogenannte Reichskristallnacht und damit die Novemberprogrome im nationalsozialistischen Deutschland. Im gesamten Reich erhielten SA und SS den Befehl, in einer sorgfältig organisierten Aktion über 30'000 Juden zu verhaften, ihre Wertsachen zu beschlagnahmen und sie bei Gegenwehr sofort niederzuschiessen. Die folgende Nacht vom 9ten auf den 10ten ging nicht nur als eine Nacht des Plünderns, des Mordens und des Brandschatzens in die Geschichte ein, sondern auch als ein wichtiger Wendepunkt in der deutschen Judenfrage. Die Tatsache, dass die Öffentlichkeit keinen Widerstand gegen die Aktion zeigte und teilweise sogar rege daran teilnahm, demonstrierte den Nationalsozialisten die breite Unterstützung und Rechtfertigung ihres Handelns und ermöglichte erst die folgenden sieben Jahre der Judenverfolgung und den Holocaust. Dieser 9. November darf als schwarzer Tag in der Geschichte der Menscheit bezeichnet werden.

Zum Anlass der Trauer dieser Ereignisse fand gestern Abend in er Arena Shilcity in Zürich eine von DAVID, dem lokalen Zentrum gegen Antisemitismus und Verleumdung, organisierte "Nacht gegen das Vergessen" statt.
Um 22:30 begann der Anlass mit einem (natürlich koscheren) Apéro und der Gelegenheit, mit Zeitzeugen der Kristallnacht - hoch interessante - Gespräche führen zu können. Um 23:15 begab man sich dann in das Kino, wo zuerst die Organisatorin von DAVID mit der Einführung und den Danksagungen begann. Dann trat Elmar Lederberger, seines Zeichens Stadpräsident von Zürich, nach vorne und hielt eine eindringliche Ansprache zum Thema Rassismus und darüber, weshalb Zivilcourage noch heute jeden Tag erforderlich ist. Zuletzt überliess er das Wort noch einem Zeitzeugen, welcher die Kristallnacht damals in Wien erlebte und mit eindrücklichen Worten davon erzählte, wie die SS mitten in der Nacht schwer bewaffnet in der Wohnung stand, nach Wertvollem schrie und den nur halb angezogenen Vater verschleppte. Durch diesen aufwühlenden Augenzeugenbericht war man dann im richtigen Masse "eingestimmt", als das Licht ausging, nach einem kurzen Moment der Schwärze auf der Leinwand eine Sabbat-Kerze entzündet wurde und langsam der Schriftzug "Steven Spielberg presents" erschien.

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