Samstag, 27. September 2008

First Blood (Kino Review)



Rambo: First Blood

Gestern wurde Zürich ein hoher Besuch beschert. Um anlässlich des Zürich Film Festivals den Icon Award für sein Lebenswerk entgegenzunehmen, erschien nämlich Silvester Stallone höchstpersönlich auf dem roten Teppich. Ich war da leider nicht anwesend, aber stattdessen habe ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, einmal einen seiner grossen Filme auf einer grossen Leinwand zu sehen. Gezeigt wurde nämlich neben Rocky, "Rocky Balboa", "Cop Land" und "Cliffhanger" auch der gute alte Rambo: First Blood. Und, soviel kann ich schon mal vorausschicken, der 80er-Actionfilm macht sich ausgenommen gut auf der Leinwand.

Der wortkarge Vietnamkriegsveteran John Rambo (Sylvester Stallone) sucht den letzten Überlebenden seiner ehemaligen Elite-Einheit der Green Berets auf, erfährt aber, dass der an Krebs verstorben ist. Er zieht weiter und will in der Stadt Hope etwas zu essen bekommen. Als er die Stadtgrenze passiert, verweist der ansässige Sheriff Will Teasle ihn aufgrund seines verwahrlosten Äusseren der Stadt. Rambo lässt sich zunächst widerspruchslos von Teasle aus der Stadt fahren, kehrt dann aber zu Fuß wieder um und missachtet den Stadtverweis. Daraufhin verhaftet Teasle ihn als Landstreicher. Im Bezirksgefängnis wird Rambo von den Hilfssheriffs physisch misshandelt und gedemütigt. In die Enge getrieben, werden in ihm traumatische Erinnerungen an seine Zeit als Kriegsgefangener wach. Er befreit sich gewaltsam aus seiner Inhaftierung und ergreift die Flucht in die Berge. Als die Beamten Schusswaffen einsetzen, beginnt für Rambo ein Kampf ums Überleben.
(frei nach Wikipedia)

"First Blood" basiert auf dem gleichnamigen Roman von David Morrel und wurde von Ted Kotcheff inszeniert, während das Drehbuch unter anderem von Stallone selbst adaptiert wurde. Auch wenn der Plot des Buches vor allem gegen Schluss stark abgeändert wurde, so ist und bleibt es eine grosse Stärke des Filmes, dass er einen literarischen Hintergrund hat. Dieser ist es nämlich, der den Film zu mehr macht als einem stumpfen Actionkracher. John Rambo ist ein Kriegsheld, eine Kampfmaschiene, die nun, nachdem der Krieg vorbei ist, nutzlos geworden und zu einem Aussenseiterdasein in der Gesellschaft verdammt ist. Somit sieht "First Blood" im Grunde dorthin, wo man in den typischen grossen Hollywoodkriegsfilmen nicht hinsieht, nämlich auf die verwundete Gesellschaft der USA, die mit all den Nebenprodukten der "gerechten" Kriege zu kämpfen hat. Diese erfrischende und den damaligen Zeitgeist optimal widerspiegelnde Ausgangslage führt dazu, dass man ob der Ungerechtigkeit, die Rambo von der selbstgerechten Hinterwäldner-Zivilisten erfahren muss, als Zuschauer zwingend zu ihm halten muss. Man fiebert mit, ballt in der Tasche die Faust gegen die Ortspolizei. Selbstverständlich ist das keine übermässig ambivalente, tiefsinnige oder intelligente Masche. Selbstverständlich wird Rambo im Endeffekt zu einem Helden stilisiert, der zwar viele unschöne, sogar tragische Seiten hat, aber der Film fährt dabei immer auf einer ziemlich klaren Schiene, wie es sich für diese Art von Unterhaltung auch irgendwie gehört. Der Reiz von "First Blood" ist ja gerade, dass er amerikanische, einfältige Action mit einem diskussionswürdigen Hintergrund ausstattet, der dem Film eine ehrliche und kritische Note verleiht.

Auch das Drehbuch im engeren Sinne verdient insofern das Prädikat "ehrlich", dass es dem Zuschauer nie einzureden versucht, er bekomme hier irgendwie komplexe oder vielschichtige Kost serviert. Stattdessen ist die Handlung über die ganze Länge konsequent spannend, nicht unnötig vorhersehbar und schreitet zielbewusst von Szene zu Szene. Einen grossen Beitrag zum Kult um Rambo haben sicherlich jene Szenen beigetragen, in denen er in guter alter Indianer-Manier im Wald Fallen legt, denen die Polizisten einer nach dem anderen zum Opfer fallen. Getötet wird dabei praktisch nicht, zumindest versucht es Rambo zu vermeiden, und somit kann man diesem ersten Teil der Kinoreihe Gewaltverherrlichung nicht im Geringsten vorwerfen. Trotzdem, dieser Film ist ein weiteres Beispiel dafür, wie geschickt eingefädelte Rachegeschichten bei der Masse immensen Anklang finden.
Denn "First Blood" fesselt einfach. Man wird hineingezogen in die schroffe, melancholische Bergwelt Kentuckys, gebannt verfolgt man den Ein-Mann-Krieg inmitten Schluchten, Wäldern und Bergbächen. Lobenswert, wie Kotcheff die Story mit einer brillianten atmosphärischen Inszenierung kombiniert, die durch nasse, kalte, neblige Bildern beeindruckt. Besonders hervorzuheben ist dabei wohl die Stollen-Szene, welche im Zuschauer beinahe klaustrophobische Ängste zu hegen vermag. Dazu kommen selbstverständlich die Actionsequenzen, welche als wuchtig bezeichnet werden dürfen und gleichzeitig sowohl noch heute Männerfreude als auch 80er-Charme wecken. Erwähnenswert auch der Soundtrack von Altmeister Jerry Goldsmith. Alles in allem ist "First Blood" im Kino ein absolut lohnenswertes Erlebnis.
Etwas schade, dass die Handlung, die sehr gut anfängt, mit zunehmender Laufzeit immer mehr vom Drama in reine Action abdriftet und sich gegen Ende sogar ein wenig darin verliert.

Und natürlich muss man noch etwas zum eigentlich wichtigsten Punkt in diesem Film sagen, dem guten alten Stallone. Nein, er ist noch immer kein besonders guter Schauspieler und nein, man wird auch hier nicht von seinem schrecklichen Englisch verschont. Aber er muss den Mund in diesem Film ja auch nicht allzu oft aufmachen (zum Glück?), sondern darf mit vollem Körpereinsatz an die Sache gehen. Dies macht ihn durchaus zu einer glaubwürdigen, zerissenen, ab und zu sogar ambivalenten Figur, die bis heute etwas einzigartiges in der Filmwelt ist. Er braucht schliesslich auch nur einen trotzigen Blick in die Kamera zu werfen und selbst der hinterletzte Zuschauer weiss: Rambo ist cool. Eine Schande, dass sein Ruf durch die Forsetzungen ruiniert wurde. Denn "First Blood" ist ein wirklich guter Film.

"First Blood" ist ein spannender Actionfilm mit packend dichter Atmosphäre, der neben der Geburt einer stählernen Leinwandikone einen intelligenten Hintergrund zu bieten hat.

ca. 8 von 10 Punkten

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