Am 26. Mai dieses Jahres verstarb Sydney Pollack, Schauspieler, Regisseur und Produzent. War er dieses Jahr noch in dem grandiosen Michael Clayton zu sehen, so waren seine grosse Zeit als Regisseur die 70ern und 80ern. Unter anderem mit Jeremiah Johnson.
Der Film spielt um 1850 in den Bergen des heutigen Colorado. Die Hauptfigur, ein ehemaliger Soldat, beschließt aus nicht genannten Gründen in die Berge zu gehen, um ein einsames Leben als Trapper zu führen. Nach existenziellen Grenzerfahrungen im ersten Winter, macht er die Bekanntschaft des alten Trappers Bear Claw, der zu seinem Lehrer wird und Jeremiah dazu verhilft, ein überlebenstüchtiger Jäger und Fallensteller zu werden. Danach trifft er eine Frau, deren Angehörige von Indianern massakriert wurden, und die ob des Geschehenen wahnsinnig geworden war. Sie vertraut Jeremiah ihren stummen Sohn Caleb an, den neben ihr einzigen Überlebenden. Eher durch Missverständnisse und widerwillig heiratet Jeremiah die Flathead-Häuptlingstochter Swan. Jeremiah sieht sich nun mit der unerwarteten Situation, dass er für zwei Menschen verantwortlich ist, konfrontiert und beschliesst, sich niederzulassen. Der Zivilisationsflüchtling wird zum Familienmenschen.
(frei nach Wikipedia)
Man denkt beim Begriff Western nicht an Filme wie "Jeremiah Johnson". Insbesondere im Bereich der Indianerflme herrschen Action, Gemetzel und Dramatik vor, weshalb so manch einer von diesem Film überrascht sein dürfte. Pollack geht nämlich einen ganz anderen Weg, indem er die Legende des Trappers und Indianertöters Johnson eben als eine Legende erzählt. Er verzichtet deshalb bewusst auf eine Erläuterung von Johnsons Vergangenheit oder allzu viel Realismus. Die Geschichte des Lebens in der Wildnis wird uns in Etappen präsentiert, die von melancholischen Folksongs untermalt und stets von einem Augenzwinkern begleitet werden. Neben vielen erfrischend komischen Szenen nehmen sich Pollack und Drehbuchautor John Milius (Apocalypse Now) aber mit zunehmender Laufzeit immer mehr Zeit, ernst zu werden und betonen den Aspekt des Dramas. Dramatik ist nämlich einige zu finden, Spannung hingegen kaum. Und manchmal ist das ja auch gut so. Ohne Hast, ohne falsche Eile begleiten wir Johnson, wie er durch den meterdicken Schnee vor dem Panorama der Rocky Mountains stapft, wie er erfolglos Fische zu fangen versucht oder mühsam ein Lagerfeuer in der Kälte errichtet. Manche mögen das langweilig finden, aber Pollack hat es geschafft, gleichermassen die Romantik und die Grausamkeit der Wildnis in einmalige Bilder unterzubringen. Das Land, in dem sich die Geschichte abspielt, spielt dabei eine wichtige Rolle. Es ist ein Land abseits der Zivilisations, ein natürliches, unberührtes, mystisches Land, in dem die uralten Gesetzte des Lebens gelten, ein Land zwischen Hier und Dort, zwischen Dieseits und Jenseits. Die stolze, ehrfürchtige, spirituelle Kultur der Indianer verkörpert dieses Land. Wenn die Weissen unter sich reden, dann sprechen sie von "hier oben" oder "dort unten", als ob sie sich auf einer anderen Stufe der Existenz befinden würden.
Und in eben diesem Umfeld hat Johnson, übrigens gewohnt einmalig gespielt von Robert Redford, nun plötzlich einen Sohn und eine Frau. Das ist keine leichte Ausgangslage, eine Familie bestehend aus drei Menschen, die keine gemeinsame Sprache sprechen, und zu Beginn läuft es nicht gerade gut. Doch nach einer Weile schmilzt die Distanz zwischen ihnen, und Pollack zeigt uns, dass zwischenmenschliche Beziehungen nicht auf Kommunikation angewiesen sind, dass man keine Worte braucht um sich das Wichtige zu sagen. Umso mehr trifft es den Zuschauer, als diese Idylle des familiären Glücks zerstört wird.
Auch anderes, beispielsweise Religions- und Gesellschaftskritik, gibt es in "Jeremiah Johnson" zu entdecken, und trotzdem bleibt der Film unglaublich weitläufig. Trotz der geringen Laufzeit von 109 Minuten bleibt er gedehnt, beinahe langwierig. Schon allein die Tatsache, dass dem Film eine fünfminütige Overture vorgeschaltet wurde, ist nicht gerade normal. Pollack erzählt die Ereignisse ohne Zeit, und genau das macht sein Werk zeitlos.
"Jeremiah Johnson" ist ein vielschichtiger, ausgewogener und ruhiger Film, der sich respektvoll dem Land, den Kulturen und den Legenden vom Amerika der Pioniere nähert.
ca. 9 von 10 Punkten
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