Samstag, 20. September 2008

La Zona (Kino Review)



La Zona

Er fällt kaum auf, der mexikanische Film, der sich klammheimlich neben all den grossen amerikanischen Konkurrenten ins Kino schleicht. Dabei wurde La Zona von Regie-Neuling Rodrigo Plá am Filmfestival in Fribourg mit dem Publikumspreis ausgezeichnet und bietet sehr wohl Kost, die sich mit den Grossproduktionen von Übersee messen kann.

Once upon a time in Mexiko. Dreck und Müll überall, zerbröckelnde Fassaden, kaputte Fenster; Mexico-Citys Vorstadt ist ein Drecksloch, das von Gewalt und Verbrechen beherrscht wird. Doch inmitten des ärmlichen Häusermeers erhebt sich eine furchteinflössende Mauer, abgesichert mit Stacheldraht, Überwachungskameras und meterdicken Stahltoren, und dahinter befindet sich eine komplett andere Welt. "La Zona" ist ein Villenviertel, wo die Reichsten der Reichen ihr scheinbar perfektes Leben führen, abgeschirmt von der verdorbenen Aussenwelt. Sie haben eine eigene Schule, Kirche, Stromgenerator, alles was man braucht, um die makellos sauberen Strassen, Fassaden und Vorgärten nicht verlassen zu müssen. Doch in einer stürmischen Nacht reisst eine instabile Werbetafel einen Riss in die Mauer, drei Jugendliche nehmen die Gelegenheit wahr und betreten "La Zona", um zu stehlen. Die Sache läuft schief, vier Menschen werden getötet und die Bewohner der Zona stehen einer unangenehmen Situatio gegenüber, denn Laut Regelung müssen sie im Falle einer Gewalttat ihre Sonderrechte abgeben. So entscheiden sie sich, die Sache zu vertuschen und den übrig gebliebenen Dieb, der sich noch immer irgendwo in der Zona befindet, aufzuspüren und zu töten. Eine gnadenlose Hetzjagd nimmt ihren Lauf.

Rodrigo Plá's Zukunftsvision scheint erschreckend wenig weit hergeholt, ja sogar schon heute im Bereich des Möglichen. Nicht nur in den Staaten sind umzäunte Villenviertel schliesslich eine Realität, die einem zu denken geben kann. Der Film "La Zona" ist somit eigentlich nur ein "Worst Case"-Szenario dieser realen Situation, mit dem Plá eine sozialkritische Geschichte erzählen will. Es ist auch ab der ersten Minute sofort klar, dass ihm dieses Anliegen sehr am Herzen liegt. Der Zuschauer wird sogleich in die Geschichte geworfen und ihm werden die krassen Gegensätze zwischen den beiden Seiten der Mauer vor Augen geführt. Leider kann man sich zu Beginn nicht ganz in die Situation hineinfühlen und der ganze Start wirkt etwas planlos und lose im Raum hängend. Das hängt auch mit der Struktur des Drehbuchs zusammen, welche zwar angenehm anders, aber so verschachtelt ist, dass die Story erst relativ spät wirklich in Fahrt kommt. Dies führt dazu, dass der Film erst in der zweiten Hälfte seine ganze Tiefe gewonnen hat und man als Zuschauer richtig gefesselt ist. Loben kann man das Drehbuch aber trotzdem, dass es über die ganze Länge formal sauber geschrieben ist und die Spannungsschraube zögernd, aber kontinuierlich anzieht.

Was man bemängeln könnte, sind die Charaktere, welche nicht besonders beeindruckend ausgearbeitet sind und deren jeweilige Rolle vergleichbar rasch klar ist. Ähnlich wie bei Die Welle hat das jedoch durchaus seinen Zweck, denn bei einem Film über eine soziale und ethische Extremsituationen braucht man schlicht und einfach Figuren, die ihre Funktion erfüllen und somit etwas klischiert wirken. Auch die Schauspieler leisten keine exzellente Arbeit, gefalllen aber über die ganze Linie und wirken trotz der spanischen Sprache wie glaubwürdige Menschen, denen man im Alltag begegnet.
Grandios ist hingegen die Inszenierung, welche dank Kameraführung, Farbgestaltung und Bildkomposition beeindruckt und fesselt. Vor allem die Eröffnungssequenz, als im strömenden Regen die Mauer eingebrochen wird, ist ein atmosphärisches Meisterstück. Ansonsten ist der Soundtrack sehr stimmig, der Film technisch sauber und auf hohem Niveau umgesetzt, wodurch sich "La Zona" wirklich nicht vor "grossen" amerikanischen Filmen zu verstecken braucht.

Als wirklich "grossen" Film kann man "La Zona" aber auch nicht beschreiben. Denn sein Ziel ist es in erster Linie, eine dramatische, spannende Geschichte zu erzählen, was dazu führt, dass die Story im Endeffekt einfach und im Detail weder besonders originell noch überraschend ist. Ernste, unangenehme Unterhaltung, sicher, aber nicht mehr. Denn der Film hält die Handlung absichtlich simpel und hat in erster Linie ein grosses Anliegen: Sozialkritik. Dies tätigt er dann auch nicht in hintergründiger, subtiler Weise, sondern offensichtlich, und holt ohne Zögern mit dem Hammer aus, um auf die verlogene, sebstrechtfertigende Gesellschaft der Reichen einzuschlagen. Damit schafft es Plá am Ende auch, die Gefühle beim Zuschauer zu hegen, die er beabsichtigt: Nämlich das Gefühl von Machtlosigkeit, von Scham, von Wut gegenüber diesem unmenschlichen System, das eben unangenehm menschlich ist.

"La Zona" ist ein gemächlicher, aber atmosphärischer und fesselnder Film mit brutaler Sozialkritik.

ca. 7 von 10 Punkten


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