Montag, 4. Oktober 2010

6. Zurich Film Festival (23. September - 3. Oktober 2010)



Vor zehn Jahren hätte es sich wohl noch niemand zu träumen gewagt, dass die Stellung des traditionsreichen Locarno Filmfestivals als grösster jährlicher Event dieser Branche je in Frage gestellt werden könnte. Heute, da nun schon die sechste Edition des Zurich Film Festival (ZFF) über die Bühne gelaufen ist, sieht die Sache schon etwas anders aus: Mit ihrem grösstenteils von privater Hand finanzierten Festival (im Gegensatz zum staatlich geförderten Locarno) haben sich die beiden Organisatoren Karl Spoerri und Nadia Schildknecht bereits international einen soliden Namen gemacht. Die gut 40'000 diesjährigen Besucher sind zwar noch kein Vergleich mit den 150'000 von Locarno, aber nichtsdestotrotz bereits ein ansehnlicher Erfolg. Für eher negative Presse sorgte letztes Jahr die überraschende Verhaftung des Stargasts Roman Polanski, doch der Bekanntheit des Festivals sollte auch das nicht geschadet haben.

Derartige Skandale gab es dieses Jahr keine zu melden, höchstens die SWISS zeigte sich nicht in allzu gutem Licht, da es Adrian Grenier aufgrund einer über vierstündiger Verspätung des Fluges nicht mehr rechtzeitig zur Premiere seines Filmes Teenage Paparazzo schaffte. Für Wirbel sorgte hingegen der Eröffnungsfilm Sennentuntschi von Michael Steiner, dessen hindernisreiche Produktionsgeschichte bereits ein Dauerthema in der lokalen Presse dargestellt hatte. Scheinbar war es an der Eröffnungsnacht, wo der Film uraufgeführt wurde, einigen Zuschauern nicht ganz klar, dass sie hier einen Horrorthriller mit entsprechenden visuellen Darstellungen und keinen Wohlfühl-Sonntagabend-Film zu sehen bekommen würden.

Das Programm bestach dieses Jahr vor allem durch seine Fülle und Vielseitigkeit, schliesslich liefen rund 70 Filme im Laufe der 11 Tage. Neben dem Internationalen Spielfilmwettbewerb, dem Deutschsprachigen Spielfilmwettbewerb und dem Internationalen Dokumentarfilmwettbewerb waren unter den Filmen, die Out of Competition liefen, zahlreiche Publikumsmagnete. Daneben sorgte vor allem die Neue Welt Sicht, die sich dieses Jahr mit cineastischen Leckerbissen aus Australien befasste, für Überraschungen. Als Retrospektive wurden die Werke von Milos Forman gezeigt, der für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde.

Als Zürcher habe ich während dem Festival natürlich praktisch im Kino Corso, wo die meisten Filme gezeigt wurden, gewohnt. An die Akkreditierung bin ich wiederum über OutNow gelangt. Allerdings war der Batch am ZFF nicht einmal halb so chic wie der von Locarno. Auch das ganze Prozedere mit dem Ticketholen erwies sich als ziemlich mühsam, einerseits da die Leute an den Kassen kaum informiert schienen, anderseits weil die Pressevorführungen für mich zu sehr ungünstigen Zeiten stattfanden. Weiter gab es hie und da Probleme beim Abspielen, was insbesondere dann etwas peinlich ist, wenn der Regisseur des gezeigten Filmes im Publikum sitzt.
Natürlich ist auch Positives zu vermelden. Die Fragerunden mit dem Filmemachern im Anschluss der Vorstellungen waren oft aufschlussreich und persönlich, vor allem bei Snowman's Land, 180° und Beijing Punk. Gerade die Organisation des Dokumentarfilm-wettbewerbs machte einen überaus kompetenten Eindruck und es war auch überhaupt kein Problem, mit den Leuten nachher ins Gespräch zu kommen. Die "richtigen" Stars waren für Normalbürger natürlich nicht derart zugänglich, wenn man von ihnen denn überhaupt etwas mitbekam. Ein glamouröses Zentrum, das der Piazza Grande in Locarno entsprechen würde, hat sich in Zürich nämlich noch nicht herausgebildet. Das Vordach des Kino Corso reicht dafür schlicht nicht aus.

Kommen wir aber zu dem, worum es beim Festival ja eigentlich geht: Die Filme. 13 Stück habe ich davon gesehen und zu meinem völligen Überraschen reichten sie allesamt von gut bis sehr gut. Entweder hatte ich da ein besonders glückliches Händchen oder das Festivalprogramm war tatsächlich eine Meisterleistung. Vor allem die fünf Dokumentarfilme traten hervor, aber auch der Schweizer Film präsentierte sich mir mit Sennentuntschi und 180° in einem Licht, wie man es sonst gar nicht kennt. Übertroffen wurde er lediglich vom Deutschen Film, der einmal mehr für Qualität stand. Die beiden besten Filme, die ich am Festival gesehen habe, waren somit einerseits Snowman's Land, ein schwarzhumoriger Krimi aus Deutschland, anderseits Teenage Paparazzo, eine faszinierende Auseinandersetzung von Adrian Grenier, selber jeweils Ziel der Blitzlichtgewitter, mit einem 13-jährigen Jungen, der sich jeden Tag auf die Jagd nach Promis macht.

Die Goldenen Augen der drei Wettbewerbskategorien gewannen schlussendlich The Woman with a Broken Nose, Das Lied in mir und Armadillo. Davon habe ich leider keinen gesehen.

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