Mittwoch, 26. Januar 2011

Einmal mehr als nur reden (Kino Review)



Einmal mehr als nur reden

Der Film wurde im Rahmen des 6. Zurich Film Festival gezeigt.

Inhalt:

Nachdem das mittelamerikanische Nicaragua 45 Jahre vom diktatorischen Somoza-Clan regiert worden war, kam es 1977 zu einem landesweiten Bürgerkrieg, der zwei Jahre später in der Machtergreifung der kommunistisch-revolutionären Sandinistas mündete. Von da an führte die USA unter Ronald Reagan Bestrebungen durch, die neue Regierung zu stürzen, indem sie die somozische Guerilla militärisch und finanziell unterstützte.

Dies führte wiederum zu einer Welle weltweiter Sympathisierung von linken Aktivisten mit Nicaragua. Im Zuge dieser Euphorie entstand im Jahr 1984 die Arbeitsbrigade "Februar 34", die aus fünzig Österreichern bestand, die sich in den tiefen Dschungel im Süden des Landes begaben, um dort bei der Errichtung von Infrastruktur-Einrichtungen zu helfen. Das Credo der jungen Frauen und Männer: Einmal mehr als nur reden!

Kritik:

Der Dokumentarfilm von Anna Katharina Wohlgenannt rekonstruiert anhand zahlreicher Interviews mit den damaligen Teilnehmern und ausführlichem Archivmaterial die Ereignisse im Februar 1984, während dem die Brigade in Nicaragua weilte. Dabei entfaltet sich dem Zuschauer bald ein viel differenzierteres Bild als die naheliegende Ansicht, dass es sich hier lediglich um ein unüberlegtes Unterfangen von fünfzig naiven Friedensaktivisten handelte. Dies trifft sicher in vielerlei Hinsicht zu, doch schon das Spektrum der Teilnehmer reichte erstaunlich weit: Von linkskonservativen Hardlinern über engagierte Maoisten bis hin zu Mitgliedern einer katholischen Jugendbewegung - alles war vorhanden. Rückblickend erzählen diese Menschen einerseits detailliert über Ablauf des Unternehmens und die Schwierigkeiten, die sich angesichts der fremden Kultur und dem tropischen Klima ergaben. Anderseits schildern sie unverkrampft die Träume, Ideale und politischen Weltanschauungen, die sie zu dieser Reise bewegten.

Interessanterweise spürt man bei vielen auch heute noch die Bestürzung darüber, dass die Zeit der Revolution in Nicaragua nach gut zehn Jahren bereits wieder vorüber war und dass aus der sozialistischen Weltrevolution schlussendlich nichts wurde. Tatsächlich war die Einstellung vieler österreichischen Aktivisten gegenüber den Verhältnissen in Nicaragua anfangs nicht nur naiv, sondern auch ziemlich arrogant. Man ging mit der Einstellung nach Mittelamerika, den "armen Eingeborenen" dort beibringen zu müssen, wie eine soziale Revolution gemacht wird. Es gab jedoch durchaus Teilnehmer, die nicht nur Revolution "spielen" wollten, sondern ernsthafte politische Veränderungen bewirken wollten und ihre Meinung diesbezüglich bis heute nicht geändert haben.

Die Regisseurin fängt dies alles ein, ohne einen Kommentar oder gar eine Wertung abzugeben. Stattdessen entfaltet sich ein ausführliches Zeitdokument, welches der Gefahr der Heroisierung nicht ganz entgeht, auch wenn das Urteil grösstenteils dem Zuschauer selbst überlassen wird. Einmal mehr als nur reden ist ein persönliches und facettenreiches Portrait der letzten sozialen Utopie des 20. Jahrhunderts.

ca. 7 von 10 Punkten


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