Mittwoch, 26. Januar 2011

Vielleicht in einem anderen Leben (Kino Review)



Vielleicht in einem anderen Leben

Der Film wurde im Rahmen des 6. Zurich Film Festival gezeigt.

Inhalt:

Österreich, 1945: Während der Feind bereits vor der Tür steht, werden noch immer massenweise Juden in Konzentrationslager deportiert. Eine Truppe sitzt in einem kleinen Dorf fest, da die Befehlskette der SS gerissen ist. Notdürftig werden die gut ein Dutzend Juden in einer Scheune untergebracht, wo sie hungrig und niedergeschlagen ausharren.

Da kommt einer der Juden, ein ehemaliger Opernsänger aus Budapest, auf die Idee, in der Scheune eine Operette aufzuführen. Anfangs halten es die Anderen für eine reine Spinnerei, doch der Sänger kann sie überzeugen, dass etwas Musik gerade an so einem Ort bitter Not tut. Mit der Hilfe einer Bäuerin (Ursula Strauss) und ihrer Magd tragen sie nach und nach alles zusammen, was für die Aufführung nötig ist. Doch der Mann der Bäuerin (Johannes Krisch) bekommt bald Wind von der Sache.

Kritik:

Keine Frage, der österreichische Film hat Hochkonjunktur. Drei Jahre in Folge waren die Ossis im Rennen um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film vertreten, mit Die Fälscher gewannen sie sogar. In diesem Zusammenhang scheint Vielleicht in einem anderen Leben von Elisabeth Scharang auf den ersten Blick prädestiniert für eine Oscar-Nomination - handelt der Film doch ebenfalls vom (bei der Academy beliebten) Nazi-Thema und porträtiert wie schon Das weisse Band das nur oberflächlich idyllische Leben in einem bäuerlichen Dorf.

Warum gelingt es dem Film nicht einmal annähernd, die Qualität der eben genannten Werke zu erreichen? Das hat mehrere Gründe: Wir erhalten etwa keinerlei Gefühl für das Dorf als abgeschlossener Mikrokosmos, wie es in Das weisse Band so akribisch genau in Szene gesetzt wurde. Das Dorf und insbesondere die Scheune sind lediglich die Kulisse für die überaus konstruierte Story. Es scheint, als habe der Versuch, den der Story zugrundeliegenden Theaterstoff in Filmform umzugiessen, hier nicht wirklich geklappt.

In diesem starren Rahmen fliesst die Handlung ebenso zäh dahin. Nicht, dass ein gemächliches Erzähltempo aus Prinzip anzukreiden wäre, aber hier wird dem Zuschauer wirklich sehr wenig Überraschendes oder gar Packendes geboten. Zwar können sowohl der Anfang als auch der Schluss punkten, zwischendrin macht sich jedoch teilweise gähnende Langeweile breit. Diese kann der Film auch nicht durch etwaige visuelle Schauwerte kompensieren, da einerseits die Inszenierung absoluter Durchschnitt ist und anderseits für grosse Kulissen und Ähnliches schlicht kein Geld vorhanden war.

Geradezu ärgerlich ist der Film insofern, als die meisten Figuren reine Klischees sind: Klar, wir haben auf der einen Seite den rassistischen Vater und auf der anderen Seite die gutherzige, aber unterdrückte Ehefrau. Charaktere werden auf einige wenige Eigenschaften festgelegt, und wenn denn eine Figur eine Entwicklung durchmacht, wirkt sie viel zu überstürzt. Überhaupt mag das ganze Szenario auf der Bühne noch funktionieren, wirkt im Film jedoch schlicht unglaubwürdig: Die Juden sitzen den ganzen Tag in der Scheune herum, haben nichts anderes zu tun als eine Operette aufzuführen, und praktisch jeder scheint einfach rein und raus spazieren zu können. Was die SS-Truppe, welche die Juden begleitete, den lieben langen Tag lang macht, erfährt man ebenfalls nicht; Auf jeden Fall scheinen sie etwas Wichtigeres zu tun haben als ihre Gefangenen zu bewachen.

Am Ende macht es sich der Film mit der Thematik viel zu einfach: Es wird so dargestellt, als wäre der Antisemitismus nur ein oberflächlicher Irrtum einiger böser Männer, der durch Vernunft und Menschlichkeit in Sekundenbruchteil widerlegt werden kann. Dabei wird verschwiegen, dass rassische Vorurteile in der deutschsprachigen Gesellschaft sehr viel tiefer verwurzelt sind und weder erst mit den Nazis begannen, noch mit Hitlers Tod aufhörten. Statt tiefer in der Mentalität der Dorfgemeinschaft zu graben, wie es Das weisse Band getan hat, ist Vielleicht in einem anderen Leben schlicht ein Gutmenschen-Film, der uns nichts Neues über das Thema zu erzählen weiss.

ca. 4 von 10 Punkten


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