Sonntag, 18. Oktober 2009

Kontroll (DVD Review)



Kontroll

Als diesen Juli bekannt gegeben wurde, dass ein gewisser Nimród Antal beim kommenden "Predator"-Sequel Predators, das von Robert Rodriguez produziert wird, Regie führen soll, haben sich wohl die meisten gefragt: Wer zum Geier ist das? Tatsächlich hat die Hollywood-Karriere des aus Ungarn stammenden Antals erst vor wenigen Jahren begonnen, nämlich mit dem Mystery-Thriller Vacancy. Auf sich aufmerksam gemacht hat Antal hingegen schon 2003, nämlich mit seinem Kino-Debüt Kontroll - ein low-Budget Film, der ausschliesslich im U-Bahn-System vom Budapest spielt. Der Film wurde auf zahlreichen Festivals gezeigt und von vielen Kritikern als surreales Meisterwerk gelobt.

Handlung:
Kontroll handelt von einer fiktiven Gruppe wenig erfolgreicher Fahrkartenkontrolleure im U-Bahn-System der Stadt Budapest, die von den Fahrgästen kaum ernst genommen werden und oft genug in Konflikt mit Unruhestiftern kommen. Der Film spielt komplett in den Anlagen der Metro und präsentiert eine Vielfalt skurriler Charaktere. Die Haupthandlung dreht sich um Bulcsú, ein junger Kontrolleur, der Tag und Nacht unter der Erde verbringt und viel zu intelligent scheint, als dass er sich mit einem solchen Job abgeben müsste. Er wird aus seinem gewohnten Alltag gerissen, als ein mysteriöser Killer mit einer schwarzen Kapuze mehrfach zuschlägt, indem er scheinbar willkürlich Leute vor fahrende Züge stösst. Seltsamerweise schafft es der Killer dabei, stets alle Überwachungskameras zu umgehen.
(frei nach Wikipedia)

Natürlich sollte man keine falsche Erwartungen an "Kontroll" haben: Gekostet hat der Film gerade mal eine halbe Million Euro und steht somit sogar im europäischen Vergleich erst weit hinten in Sachen Budget. Der positive Aspekt daran ist sicherlich, dass sich Regisseur Antal - gemeinsam mit Jim Adler auch Drehbuchautor - dadurch niemandem verpflichtet fühlen musste und seine Kreativität ungehemmt auf die Leinwand bringen konnte.
So fällt an "Kontroll" sehr bald auf, dass er sich keinem eindeutigen Genre zuordnen lässt - vielmehr ist es ein wilder Mix verschiedener Filmrichtungen, der überdies eine recht grosse Anzahl Charaktere beherbergt. Somit bestand von Anfang die Gefahr, dass der Film den roten Faden und der Zuschauer den Überblick verlieren könnte. Es überrascht somit umso mehr, dass "Kontroll" mit einen runden Spannungsbogen und ein stimmiges Gesamtbild überzeugt.

Gelungen sind in erster Linie die Charaktere, die dazu überaus schillernd und glaubhaft von den (in Ungarn zu einem grossen Teil bekannten) Darstellern verkörpert werden. Hier gibt es die ganze Bandbreite, vom unerfahrenen Neuling bis zum abgebrühten, zynischen Alten, wobei keine einzige Figur wirklich normal zu sein scheint und man sich gerade deswegen so sehr mit ihnen identifizieren kann. Beinahe schon ein Herz aus Stein müsste man haben, wenn man nicht bereits nach wenigen Minuten mit dieser schrulligen Truppe von Kontrolleuren mitfiebert und mitleidet in der Welt ihrer täglichen Probleme.
So gesehen jongliert der Film auch sehr geschickt mit den zahlreichen Handlungssträngen, die sich wie das unterirdische Netz von Gängen, Rolltreppen und Gleisen überkreuzen. Das Drehbuch darf man als eine beachtliche Leistung bezeichnen, da es seine Geschichte voller Abwechslung erzählt: Mal witzig, mal rasant, mal romantisch, mal ernst, mal melancholisch und dann wieder sehr, sehr düster. Auch die temporeiche, atmosphärische und ausgewogene Umsetzung lässt unter den gegebenen Umständen nichts zu wünschen übrig.
Grandios ist auf jeden Fall, wie originell die gewöhnlich anmutende Ausgangslage inszeniert wird: Statt ein dokumentarisches Drama zu erzählen, gestaltet Antal das unterirdische System als moderner Western geradezu mit Steampunk-Ambiente. Wie hoffnungslos unterlegene Sheriffs streifen die Kontrolleure durch die heruntergekommenen Metro-Stationen und liefern sich Konflikte mit Hip-Hoppern, Betrunkenen, gewaltbereiten Banden und sogar mit ihren Konkurrenten, den anderen Kontrolleuren. Dabei kommt es inmitten dieser von endlosen Gleisen, schmutzigen Säulenhallen und grossen Turbinen beherrschten Welt zu handfesten Duellen, als ginge es um den universellen Kampf zwischen Gut und Böse selbst. Was Realität und was Illusion ist, weiss man in Antals Film dabei nie so genau, ist aber auch nicht allzu wichtig.

Zusammen mit rockigem Techno-Soundtrack ist "Kontroll" ein Film geworden, der einen erstaunlichen Spagat fertigbring: Ein Drehbuch, das bezüglich Absurdität geradezu von Albert Camus stammen könnte, kombiniert mit einer Inszenierung, die sich an David Lynch und Andrei Tarkovsky orientiert. Herausgekommen ist ein Film, den man gleichzeitig als eine Sozialstudie ala La Haine und als Fantasy-Thriller ala Wächter der Nacht sehen kann. Ein kleiner, aber feiner Film und ein starkes Stück osteuropäisches Kino.

"Kontroll" ist ein düsterer, aber auch humorvoller Genremix, ein urbaner Untergrund-Western mit skurrilen Charakteren.

ca. 8 von 10 Punkten


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