Mittwoch, 4. März 2009

The Wrestler (Kino Review)



The Wrestler

Er war der grosse Stars der Oscarverleihung vorletze Woche: Mickey Rourke mit seinem überraschenden Comeback in Darren Aronofskys The Wrestler. Und auch wenn er keinen Goldritter nach Hause nehmen durfte, so ist er als abgewrackter Muskelmann wahrscheinlich in der Rolle seines Lebens zu sehen. 

Der Wrestler Randy „The Ram“ Robinson Ramzinski war in den 1980er Jahren ein gefeierter Star in Amerika. Rund zwanzig Jahre später steigt er immer noch in den Ring, aus den Arenen seiner Glanzzeit sind inzwischen jedoch kleine Turnhallen geworden, in denen drittklassige Kämpfe mit ebenso gealterten Stars von einst stattfinden. Jahre des Medikamentenmissbrauchs haben auch bei Robinson ihre Spuren hinterlassen, seine langen blondierten Haare können auch nicht mehr sein Hörgerät verdecken. Und doch kommen immer noch einige Fans zu seinen Auftritten und feiern ihn wie einst.
Die schlechtbezahlten Showauftritte reichen jedoch nicht einmal mehr, um die Stellplatzmiete für sein Wohnmobil zu zahlen und so nimmt Robinson Arbeiten als Lagerist in einem Supermarkt an. Seine Abende verbringt er häufig in einem Strip-Club, wo er sich mit der Stripperin Cassidy angefreundet hat. Doch eines Tages bekommt er das Angebot für ein Comeback, ein grosser Jubiläums-Fight.
(frei nach Wikipedia)

Aronofsky, der Star des amerikanischen Independent-Kinos, zeigt sich hier ganz ungewohnt. Er verzichtet vollständig auf überbordende Bilder und visuellen Einfallsreichtum und wappnet sich stattdessen mit tristen, eindringlichen Bildern für seinen Abstecher in die Welt der grellen Kostüme, der aufgepumpten Muskelpakete und des ungehemmten Voyeurismus. Wenn "The Wrestler" auf formaler Ebene punkten kann, dann durch seinen persönlichen, beinahe dokumentarisch anmutenden Stil. In vielen Szenen folgt die Kamera lediglich "The Ram" auf Schulterhöhe und begleitet ihn durch eine Welt der engen Wohnwagen, verlassenen Vorstadt-Strassen und ewig gleichen Wohnblöcken.
Sicher, Aronofsky verlässt sich ganz auf seinen Hauptdarsteller und hat auch allen Grund dazu, etwas mehr Drive in der Story und emotionale Bindung an Randys Schicksal hätte dem Film jedoch auch gut zu Gesicht gestanden. In den meisten Szenen schafft es Rourke aber gewiss selbst, das Publikum zu fesseln. Er überzeugt nicht nur durch seine extreme körperliche Präsenz, seine innere Verletzlichkeit und seine feine Selbstironie, sondern auch dadurch, dass ihm der Zuschauer die Rolle voll und ganz abnimmt - im Wissen, dass die Biographien von Rourke und Randy viele Parallelen besitzen. Rourke ist es, mit der Unterstützung der ebenfalls grossartigen Marisa Tomei (Before the Devil Knows You're Dead), der "The Wrestler" zu einem Kraftakt fernab jeglichen Mainstreams macht und jeden Kitsch im Keim erstickt. In den stärksten Szenen des Filmes fiebert der Zuschauer mit Randy mit, leidet mit ihm, lacht mit ihm und weint vielleicht sogar mit ihm.
Dabei ist "The Wrestler" keineswegs ein braves Arthouse-Drama - gewiss, Arthouse und Drama ist er - sondern auch eine Reise in einen Sport, der von normalen Bürger mit gutem Grund gemieden wird. Es bereitet dem Zuschauer beinahe physische Schmerzen, wenn er mit ansehen muss, wie sich Randy im Ring auf brutalste Weise verprügeln lässt - die Erwähnung von Mel Gibsons "The Passion of the Christ" ist dabei kein Zufall. Aronofsky inszeniert in ehrlicher Weise das Wrestling zwischen Trash, Freakshow, Drogenkonsum und Selbstkasteiung: Randys Körper ist eine Ruine, ein längst verlorenes Schlachtfeld, das beinahe symbolisch die Nähe zu anderen Menschen zu verhindern scheint. Interessant auch die Beziehung zu Cassidy, welche genau wie er davon lebt, in einer ewigen Show ihren Körper zu verkaufen und oft genug darauf reduziert wird. Mit dem Unterschied, dass Randy seinen Beruf liebt, weil er nichts anderes auf der Welt hat, obwohl er weiss, dass dieser ihn zugrunde richten wird. Es ist diese Tragik, welche die Figur und Rourkes Leistung auszeichnet: Auch der Zuschauer weiss, dass er auf sein Verderben zuschreitet, aber es ist klar, dass er kämpfen muss, weil er nie etwas anderes als kämpfen gelernt hat.
"The Wrestler" ist kein rundum stimmiger Film, geschweige denn ein Meisterwerk. Dazu hat man den neorealistischen Stil doch schon zu oft gesehen und ist zeitweise nicht unbedingt kompromisslos gefesselt von Randys Schicksal. Auch Evan Rachel Wood (Across the Universe) bleibt eher blass in der Rolle von Randys Tochter. Dafür kann man aber zwei hervorragende Schauspielleistungen geniessen und neben Aronofskys überaus solider Arbeit auch noch den Filmsong von Bruce Springsteen, der die melancholische Einsamkeit auf den Punkt bringt. Es ist ein Film über den zerstörten amerikanischen Traum, und doch irgendwodurch auch wieder ein skurill-liebevoller Blick auf den Sport der harten Männer. Randy ist einer dieser harten Männer: Sein Leben ist die Welt des körperlichen Schmerzes, doch dies ist nur sein Zufluchtsort vor den eigentlichen Wunden, die viel tiefer dringen; denjenigen von der Welt da draussen, von den Menschen, die einem nahe stehen.

"The Wrestler" ist ein Film über Mickey Rourke, den Gladiator des 21ten Jahrhunderts - kraftvoll gespielt, entwaffnend ehrlich und gerade in seiner Bescheidenheit gross.

abgerundet ca. 8 von 10 Punkten

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