Paranormal Activity
Man soll sich ja bekanntlich nicht von Hypes anstecken lassen. Trotzdem habe ich heute beschlossen, Paranormal Activity im Kino etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Der neue Gruselfilm im Doku-Stil aus der USA hat schliesslich lumpige 15'000 Dollar gekostet und sich hartnäckig zum grössten Überraschungserfolg des Jahres gemausert.
Die Story ist ein reinrassiger One-Liner: Ein Pärchen sieht sich in ihrem Haus nachts mit übersinnlichen Ereignissen konfrontiert. Punkt. Mehr braucht Drehbuchautor und Regisseur Oren Peli nicht, um über eineinhalb Stunden klassisches Suspense-Kino zu bieten. Er knüpft dabei an den aktuellen Trend an, indem er den beiden Hauptdarstellern einfach mal die Kamera in die Hand drückt und sein Debütfilm als Homevideo inszenieren lässt. Natürlich, brandneu ist die Idee mittlerweile nicht mehr gerade, nachdem 1999 The Blair Witch Project einen Wahnsinnserfolg im selben Ausmass und mit den selben Mitteln erzielte. Heute scheint die Technik auch in Hollywood langsam angekommen zu sein, begeisterten doch gerade Science-Fiction-Filme wie Cloverfield oder District 9 erst kürzlich das Publikum. "Paranormal Activity" sollte man somit vielleicht eher als Beitrag zum zehnjährigen Jubiläum von Blair Witch sehen, eine Würdigung eines engagierten Filmemachers, der einfach mal etwas in dieser Richtung ausprobieren wollte.
Dass die Mittel des Filmes überaus begrenzt sind, versteht sich von selbst. Doch genau das stellt sich sehr bald als seine Stärke heraus, denn Peli versteht es überaus gut, aus den scheinbaren Makeln gründlich Kapital zu schlagen. "Paranormal Activity" begeistert in erster Linie dadurch, wie sorgfältig und selbstbewusst eine authentische Atmosphäre konstruiert wird, und der Film verweigert die in jedem Slasherfilm obligatorischen und beinahe schon zwanghaft periodisch eingesetzten Gruseleffekte primär nicht deswegen, weil einfach das Geld fehlt, sondern weil er es schlicht nicht nötig hat.
Tatsächlich hält sich Peli über weite Strecken des Filmes zurück - ein wenig zu weit. Langeweile kommt zwar zu keinem Zeitpunkt auf - das verhindern die ehrlich und eingängig gezeichneten Figuren, die absolut überzeugenden Darsteller und die unverbraucht wirkende Situation - aber über weite Strecken entfaltet "Paranormal Activity" nicht den infernalischen Sog, den man sich angesichts der übertriebenen Begeisterung aus den Staaten vielleicht erhofft hätte.
Viel mehr bleibt der Eindruck, als habe man sich über die erste Stunde darauf konzentriert, die Situation zu etablieren und "Kräfte" zu sammeln, um die aufgestaute Spannung gegen Ende auf einen Schlag entladen zu können. Dies funktioniert nach altbekanntem Muster - mache den Zuschauer mit der Umgebung vertraut, bis er sich dort selbst wie zu Hause fühlt und erschüttere dieses Vertrauen in die filmische Realität dann in seinen Grundfesten - aber es funktioniert. Gegen Schluss kann Peli einige Asse in Form von Schockmomenten ausspielen und beeindruckt dadurch, dass er etwa im Gegensatz zu "District 9" dem gewählten Stil bis zum Ende ohne Rücksicht auf Verluste durchzieht.
Überhaupt gefällt an seinem Projekt der Hauch von frischer Morgenluft, den es in die Horrorecke zu transportieren scheint, was für die Zukunft grosse Hoffnungen aufkommen lässt. Denn das Konzept ist noch alles andere als ausgelutscht und bietet weiterhin grosses Potential, das Peil eben nur teilweise ausschöpft. So ist ihm ein erfrischender Beitrag zum Genre gelungen, den man sich am besten in einem möglichst abgedunkelten Raum und ohne viel Vorwissen (allein der Trailer verrät schon zu viel) ansieht. Kein Meilenstein wie Blair Witch, aber ein Film, der schlussendlich garantiert niemanden kalt lässt - nicht mehr, nicht weniger.
"Paranormal Activity" ist ein solider, konsequenter, aber etwas unspektakulärer Gruselfilm.
ca. 7 von 10 Punkten
"Paranormal Activity" ist ein solider, konsequenter, aber etwas unspektakulärer Gruselfilm.
ca. 7 von 10 Punkten
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