Es war einmal im Jahre 1982: Die Zeit, als man die Gewichtsangabe einer HD noch mit ihrem Speicherplatz verwechseln konnte und als in Star Wars das erste animierte Drahtgittermodell auf der Leinwand zu sehen war, ist noch frisch in Erinnerung. Da bringt Disney einen seltsamen Film ins Kino, der praktisch ausschliesslich in einer obskuren Computerwelt spielt und aussieht wie ein Arkade-Videospiel: Tron.
Gut 30 Jahre später: Terabyte-HDs bekommt man praktisch nachgeworfen, dass ein ganzer Computer in die Hosentasche passt ist geradezu selbstverständlich geworden und alle Welt ist noch berauscht von Avatar, mit dem die Grenze zwischen Realaufnahmen und CGI endgültig verschwunden ist. Da bringt Disney unter grossem Marketing-Tamtam die Fortsetzung eines seltsamen Science-Fiction-Films aus den 80ern ins Kino. Ein heikles Unterfangen: Finanziell war der Originalfilm nicht gerade ein Erfolg und von den Massen, welche man mit Tron: Legacy ins Kino locken will, kennt ihn sowieso nur ein Bruchteil. Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen hat Disney eine Riesensumme in den Erstling von Joseph Kosinski (der Macher des Originals, Steven Lisberger, fungiert als Produzent) gepumpt und setzt auf erstklassige Computereffekte, welche natürlich gemäss dem state of art in mindblowing 3D präsentiert werden.
Handelte Tron vom Hacker Flynn, der in den Cyperspace entführt wird und dort gegen eine übermächtige KI ankämpfen muss, so erzählt Tron: Legacy die Geschichte seines Sohnes, der das Verschwinden des Vaters aufklären will und dabei ebenfalls in der Computerwelt landet.
Die Neuauflage hat im Prinzip genau drei Dinge zu bieten: Die Musik, die Effekte und das Design. Das Erste ist Daft Punk zu verdanken, welche für den Soundtrack engagiert wurden. Das Zweite ist eine reine Frage des Geldes, woran es wie gesagt nicht mangelte. Und das Dritte geht größtenteils auf die Kappe des Originals, denn Tron: Legacy wirkt oft mehr wie ein Remake denn eine Fortsetzung. Schwer zu sagen, ob es dabei an Kreativität oder an Mut fehlte, jedenfalls hat man sich damit begnügt, die Computerwelt des Originals optisch aufzumotzen und ihr den neusten CGI-Schliff zu verpassen, statt sie weiterzudenken, weiterzuentwickeln und der heutigen technologischen Situation anzupassen. Hinweise auf aktuelle Diskussionen und Problembereiche beschränken sich auf eine kleine Einbindung der open-source-Idee zu Beginn, die jedoch nicht weiter verfolgt wird. Schade, hätte das Original dazu doch eine Steilvorlage dargestellt – schliesslich ging es in dem Film darum, dass die Programme von der Tyrannei des Master Control Program befreit werden und sich frei mit ihren Usern verbinden können. Auch die Eskapismusgefahr, die mit den heutigen Videospielen bekanntlich enorm angestiegen ist, liesse sich im Tron-Universum hervorragend thematisieren. Stattdessen setzt uns Tron: Legacy die krude Geschichte von einer Gruppe „selbsterzeugter Programme“ vor; eine Art auserwähltes Volk mit magischen Kräften, welches alle Probleme dieser Welt lösen soll, aber vom Bösewicht – auch hier wieder eine Super-KI, diesmal aber in Gestalt von Flynn Seniors alter ego – niedergemetzelt wurde.
Mann muss ehrlich sein: Der original Tron hat auch nicht gerade den Oscar fürs beste Drehbuch verdient. Er bot eine verwurstelte, nicht besonders überzeugende Rahmenhandlung (ein Fehler, den die Fortsetzung geradewegs wiederholt), die aber im Prinzip völlig irrelevant wird, sobald Flynn den Cyberspace betritt (ebenso in der Fortsetzung). In diesem Moment beginnt die eigentliche Geschichte, nämlich im Grunde ein klassisches Fantasy-Abenteuer inmitten einer digitalen abstrakten Formenwelt.
Und irgendwie funktioniert die Sache. Charakterentwicklungen und –konflikte werden zwar nur sehr begrenzt geboten, doch der junge Jeff Bridges schafft es mit seiner lockeren und frechen Art, die Sympathien auf seine Seite zu ziehen. Bereitwillig folgen wir ihm wie Alice ins Wunderland, wo er sich mit allerlei Schergen des bösen Imperiums herumschlagen muss, ein schwebendes Bit als Side-Kick erhält und im Zuge seiner epischen Reise sogar bei einem magischen Brunnen Halt macht. Während die mythischen Elemente in der Fortsetzung einen Bruch mit der ultramodernen Optik darstellen, so sind sie hier allgegenwärtig und bilden geradezu ein Grundstein der Computerwelt. Die Idee, eine klassisch aufgebaute, geradezu märchenhafte Welt mit einem futuristischen Design umzusetzen, ist nicht unbedingt neu (das selbe fand auch im ersten Star Wars statt), funktioniert in Tron dennoch ziemlich gut.
Es schmerzt beinahe, zu sehen wie in Tron: Legacy die Storyelemente des Originals reclyclet werden, jedoch ohne Liebe und Gespür für den Erzählfluss. Statt eine spannende Geschichte zu erzählen werden bombastische Actionszenen (die schnell öde werden, weil man nicht mitfiebert) aneinandergereiht und hin und wieder von „einfühlsamen“ Dialogen unterbrochen, die man halt auch irgendwo unterbringen musste. Diese „tiefgründigen“ Szenen funktionieren nicht, weil jede Figur im Film matt und uninteressant ist und weil mit stumpfen Standartfloskeln versucht wird, den Konflikten eine Aura von Wichtigkeit zu verpassen. Dazu kommt das bereits erwähnte „philosophische“ Geschwafel von Schicksal und Bestimmung.
Jeff Bridges als Quasi-Jedi-Meister hat nicht viel mehr zu tun als mit ehrwürdiger Haltung und ernster Miene in der Gegend herumzustehen oder zu meditieren, manchmal auch beides. Garrett Hedlund bietet als Flynn Jr. eine ebenso grandiose Leistung wie in Troy – er ist ein charakterloser Nobody, der sich ständig in brenzlige Situationen bringt, diese aber überraschenderweise alle mit Bravour meistern kann. Da zu keinem Zeitpunkt Zweifel am guten Ausgang der Geschichte aufkommen und da sich die Gegner eher durch Unfähigkeit denn durch Gefährlichkeit auszeichnen, kommt im ganzen Film kaum Spannung auf.
Keine Frage, die Effekte in Tron: Legacy sind atemberaubend und der Film bietet das vielleicht tollste 3D-Erlebnis seit Avatar. Im Gegensatz zu Pandora scheint bei der Erschaffung jedoch keinerlei Liebe im Spiel gewesen zu sein, denn die Welt wirkt kalt und charakterlos. Alles ist schnell, stylisch und könnte von Steve Jobs höchstpersönlich designt sein, gegen den Charme der klobigen Drahtgittermodelle von 1982 kommt das Ganze aber irgendwie nicht an. Natürlich hat Tron hier einen starken Nostalgiebonus, da die verwendete Kombination von einfachen Computeranimationen mit aufwändig nachbearbeiteten Realaufnahmen rückblickend ein recht skurriles Beispiel für eine in Kinderschuhen steckende Technik darstellt. Nichtsdestotrotz haben die Bilder noch heute einen starken Reiz und es fällt nicht schwer, sich vorzustellen wie wegweisend sie vor 30 Jahren waren – während die Computertechnik in Tron: Legacy lediglich teuer und aufwändig, jedoch nicht im geringsten innovativ ist. Der Mut für Experimente scheint Disney im Laufe der Jahre abhanden gekommen zu sein.
Der Unterschied zwischen Tron und Tron: Legacy ist im Grunde der selbe wie zwischen Star Wars und Star Wars: The Phantom Menace: Teil 1 bot eine neue, fantastische Welt voller witziger Details, hatte einen sympathischen Hauptdarsteller und war technisch nicht perfekt, aber bahnbrechend umgesetzt. Teil 2 erzählt eine langweilige Geschichte, enthält Wachsfiguren statt echten Schauspielern und ist technisch makel- und lieblos umgesetzt. Aber immerhin ist da ja noch Daft Punk.
Tron (1982): aufgerundet ca. 8 von 10 Punkten
Tron: Legacy (2010): aufgerundet ca. 6 von 10 Punkten
Weitere Bilder zu Tron:
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