Samstag, 25. September 2010

Curling (Kino Review)



Curling

Curling wurde im Rahmen des 63. Filmfestival Locarno gezeigt und dort mit dem goldenen Leoparden für den besten Regisseur und den besten Hauptdarsteller ausgezeichnet.

Inhalt:

Die 12-jährige Julyvonne (Philomène Bilodeau) ist kein normales Kind. Von ihrem Vater Jean-François (Emmanuel Bilodeau) wird sie gehütet wie sein Augapfel, während ihre Mutter in der psychiatrischen Anstalt sitzt. Die beiden wohnen im Vorort einer Stadt in Québec. Julyvonne verlässt das Haus praktisch nie und wurde ihr ganzes Leben daheim unterrichtet - allerdings nur mit mässigem Erfolg, da sie nicht einmal die einfachste Rechenaufgabe lösen kann. Dennoch ist ihr Vater überzeugt davon, dass eine öffentliche Schule nicht das richtige für seine Tochter ist.
Jean-François arbeitet tagsüber in einer Bowlinghalle, nachts in einem zwielichtigen Motel, hat aber ebenfalls wenig Kontakt mit der Gesellschaft. Erst nach einer Reihe von Vorfällen beginnt er zu realisieren, dass etwas in seinem Leben nicht stimmt. Doch währenddessen macht seine Tochter bereits ihre ganz eigene Entwicklung durch, nachdem sie im Wald einen schaurigen Fund gemacht hat.

Kritik:

Denis Côté ist ja nicht gerade bekannt dafür, dass er leicht zugängliche Filme macht. Dennoch könnte Curling im Vergleich zu seinen anderen Werken eher für die Masse geeignet sein, allein dank der Tatsache, dass er sowohl auf inhaltlicher wie auf formaler Ebene Assoziationen mit Fargo weckt. Einerseits enthält die Handlung zahlreiche morbide und skurrile Elemente, anderseits spielt sie sich in einer verschneiten, abgelegenen Vorortgegend ab. Viel mehr Gemeinsamkeiten sind da aber nicht, da Fargo natürlich viel stärker der klassischen Hollywood-Erzählstruktur verpflichtet ist.

Côté hingegen erzählt seinen Film in sehr wenigen, sehr langen Einstellungen. Diese sind dann meist auch sehr statisch und ruhig, weshalb man sie zu Beginn ohne Probleme zählen könnte. Ebenfalls schon von Anfang an sticht die künstlerische Absicht hervor, Einsamkeit und Abgeschiedenheit darzustellen, etwa wenn über einer vereisten Strasse in einem endlosen Schneefeld der Filmtitel erscheint. Damit wird auch schon etabliert, welches visuelle Kernthema sich durch den ganzen Film ziehen soll: die Farbe Weiss. Diese findet sich praktisch überall - ob in der Natur, auf den verlassenen Strassen oder in kahlen Innenräumen. Oft wirken die Bilder geradezu, als seien sie mit wenig Farbe auf eine leere, weisse Leinwand gemalt worden. So wird den Zuschauern die Kälte und Kargheit der Welt innerhalb und ausserhalb der Figuren unmissverständlich klargemacht.

Während bei der Bildgestaltung also sehr genau darauf geachtet wurde, was gezeigt wird, fällt bei der Montage eher das auf, was eben nicht gezeigt wird. Wir erfahren wenig über die Hintergründe der Figuren, und innerhalb der Geschichte werden teilweise unvermittelt Ereignisse übersprungen. So verzichtet Côté bewusst auf einen abgerundeten Erzählfluss und mutet dem Publikum zu, Initiative zu ergreifen und sich von selbst für das Geschehen zu interessieren. Das fällt etwas schwer, da der Grundkonflikt zwar gegeben ist, sein Verlauf jedoch lediglich angedeutet wird.

Von Beginn weg spürt man, dass hinter der Fassade des harmonischen Vater-Tochter-Verhältnisses etwas nicht stimmt. Man wartet gewissermassen auf eine Explosion, welche die Probleme löst oder zumindest offenlegt, was von Côté aber bewusst - vermutlich aus Überzeugung - verweigert wird. So bleibt alles vage und unpräzise. Zum Schluss belässt es Côté dann auch mit dem Hinweis auf einen etwaigen Heilungsprozess. Das Problem an Curling ist aber weniger, dass er seine Geschichte reduziert und zurückhaltend erzählt, sondern dass ebendiese im Endeffekt banal und irgendwie belanglos ist.

abgerundet ca. 6 von 10 Punkten

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