Samstag, 25. September 2010

Prud'Hommes (Kino Review)



Prud'Hommes

Prud'Hommes wurde im Rahmen des 63. Filmfestival Locarno gezeigt.

Inhalt:

Das Prud'hommes ist ein Arbeitergericht, das Konflikte zwischen Arbeitnehmern und -gebern regeln soll. Da diese nur allzu häufig auftreten, ist eine rasche, effiziente und verhältnismässig unkomplizierte Rechtssprechung nötig. Deshalb steht es jedem Beteiligten frei, sich von einem Anwalt, einem Gewerkschaftssekretär oder eben von niemandem vertreten zu lassen, während das Gericht stets die Möglichkeit auf eine aussergerichtliche Einigung offenhält. In den meisten Fällen findet eine solche auch statt, da schlussendlich die wenigsten Kläger wirklich vor dem Richter stehen wollen.
Die Mehrheit der Fälle, die vom Gericht untersucht werden, handeln von einem Arbeitnehmer, der wegen einer angeblich ungerechtfertigten Kündigung gegen seinen ehemaligen Chef klagt. Dabei wird meist entweder das Wiedererlangen der Stelle oder aber Schadenersatz gefordert. Da gibt es etwa einen Chauffeur, der seine Stelle wegen eines Alkoholproblems verloren hat, oder einen jungen Automechaniker, der bestreitet, seinen Lehrmeister beleidigt zu haben. Sie alle fordern nun Gerechtigkeit.

Kritik:

Regisseur Stéphane Goël hat mit Prud'Hommes ein sicherlich interessantes und vor allem lebensnahes Thema für einen Dokumentarfilm gewählt. Schliesslich erfahren die meisten Menschen einmal eine ungerechte Behandlung durch ihren Vorgesetzten und können somit das Anliegen der gezeigten Personen ohne Weiteres nachvollziehen, vor allem wenn es existentielle Fragen auf dem Spiel stehen. Dennoch wirkt es etwas einseitig, dass sich der Film praktisch ausschliesslich auf die Sicht der Kläger, also üblicherweise der Arbeitnehmer, konzentriert. Dennoch bleibt es dem Zuschauer stets selbst überlassen, ein abschliessendes Urteil zu fällen. Ausserdem wird die ambivalente Position des Gerichts deutlich gemacht: Dank ihm erfahren die einen endlich Gerechtigkeit und Genugtun, die anderen verfahren sich vor Ort in ihrer eigenen Argumentation und stehen schlussendlich machtlos da.

Als Zuschauer erwartet man dabei nicht nur Emotionen, sondern ein regelrechtes menschliches Drama. Dieses spielt sich im Prud'hommes nämlich tagtäglich ab, und es bleibt der Eindruck, dass die Kamera nur einen Bruchteil davon einfangen konnte. Überhaupt kommt sie nicht so nahe an die Figuren heran, wie es zu wünschen gewesen wäre - der Vergleich mit La Forteresse drängt sich auf -, sondern bleibt eher distanziert. Die Anwesenheit eines Filmteams bleibt dabei gerade in persönlichen Momenten gegenwärtig, etwa wenn die Personen immer wieder kurz in die Kamera blicken.

Schade auch, dass der Film keine wirklich spannende Struktur zu bieten hat. Im Prinzip werden lediglich die einzelnen Fälle aneinander- bzw nebeneinander aufgereiht, ohne dass die Montage sich besonders Mühe gibt, Bedeutungszusammenhänge zu schaffen. Die Kameraarbeit ist formal gesehen ebenfalls höchst durchschnittlich, wobei fairerweise anzumerken ist, dass im Gerichtssaal selber dafür vermutlich wenig Möglichkeiten gegeben waren.

Prud'Hommes ist ein netter Dokumentarfilm über ein interessantes Thema, der allerdings viel zu unspektakulär geraten ist, ruft man sich in Erinnerung, dass es manchen Klägern um nicht weniger als ihre Zukunft geht.

ca. 6 von 10 Punkten

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