The Passion of the Christ
Mit der Bibelverfilmung The Passion of the Christ hat Gelegenheitsregisseur Mel Gibson nicht nur einen der umstrittensten, sondern auch einen der finanziell erfolgreichsten Filme des Jahrzehnts herausgebracht. Zwar wehte ihm von Anfang an ein harter Wind entgegen - kein Studio wollte sich an dem Thema die Finger verbrennen, so produzierte Gibson den Film schlussendlich einfach selbst - anderseits konnte er auf die tatkräftige Unterstützung vieler christlicher Organisationen zählen. Der enorme Erfolg überrascht nichtsdestotrotz, da The Passion of the Christ mit seinen ausschliesslich in Originalsprache gesprochenen Dialoge und der drastische Gewaltdarstellung keineswegs als leichte Kost einzustufen ist.
Mit wenigen Ausnahmen sehr buchgetreu schildert der Film die Passionsgeschichte von Jesus Christus, wobei der Schwerpunkt auf den Ereignissen am Karfreitag liegt.
Wie man es sich von Mel Gibson gewöhnt ist (Braveheart, Apocalypto), besticht auch The Passion of the Christ in erster Linie einmal durch die schonungslose, ungefilterte Darstellung einer rauhen Vergangenheit. Wie üblich geht das zwar nicht mit einer wirklich überzeugenden historischen Korrektheit einher, doch Gibsons Anspruch, Filme mit stark authentischer Atmosphäre zu drehen, verdient einmal mehr ein Wort des Lobes. So ist The Passion of the Christ - gedreht in nachkonstruiertem Aramäisch, Hebräisch und Latein - bisher der erfolgreichste nicht-englischsprachige Film aller Zeiten.
Dieses positive Bild wird jedoch dadurch gestört, dass es Gibson immer wieder für nötig hält, übersinnliche Elemente einzubauen - etwa der Teufel in personam, wie er Christus zu verführen versucht, oder Dämonen in Kindergestalt, welche den gepeinigten Verräter Judas verfolgen. In solchen Momenten erinnert der Film dann eher an Fantasy wie Constantine oder Harry Potter and the Goblet of Fire, statt an eine seriöse Auseinandersetzung mit den Fundamenten des christlichen Glaubens. Generell lässt sich Gibson vor allem in der zweiten Hälfte leider immer öfters dazu hinreissen, mit der grossen Kelle zu rühren. Gewiss, niemand erwartet von The Passion of the Christ einen subtilen, gar leisen Film, doch an manchen Stellen hätte Gibson die Wirkung um ein Vielfaches verstärken können, wenn er gewisse Dinge eben gerade nicht explizit zeigen würde. Natürlich behandelt der Film mit der Auferstehung eines Menschen per definitionem ein übernatürliches Ereignis, dennoch kann man dies durchaus aus einer eher historisch-faktenorientierten Perspektive angehen - wie es Gibson in der ersten Hälfte auch grösstenteils tut.
Ausserdem schwingen heute einige eher ungünstige Assoziationen bezüglich des politisch hochgradig unkorrekten Historienfilms 300 mit, hervorgerufen durch die stilisierten Zeitlupenaufnahmen und die eindeutige Besetzung der Bösewichtrolle mit den persisch gekleideten Aramäern. Doch dies kann man Gibson nur schwer vorwerfen, schliesslich kam Zack Snyders Schlachtfest erst drei Jahre nach The Passion of the Christ auf den Markt und lehnt sich ganz unbescheiden an die Optik von Gibsons Film an. Auch der vielerorts aufgeworfene Verdacht des Antisemitismus lässt sich nur bedingt nachvollziehen, da von einer negativen Darstellung der Juden insgesamt keine Rede sein kann. Dass den Hohepriestern eine einseitig gefärbte Rolle zukommt, hat in erster Linie dramaturgische Funktion, wobei man darin natürlich durchaus eine negative Darstellung des Judentums finden kann, sofern man explizit danach sucht.
Währenddessen werden die Römer bemerkenswert differenziert gezeichnet, von rohen Schlägertypen bis hin zum für diese Epoche ungewöhnlich aufgeklärten Staatsmann Pontius Pilatus. Im Gegensatz dazu sind die Anhänger Christi leider nur sehr oberflächlich in Szene gesetzt, ihre Funktion beschränkt sich praktisch ausschliesslich auf bestürzte Mienen und klagende Gesten. Da hilft es auch nicht, dass Maria Magdalena mit Monica Bellucci - gesegnet mit einem Gesicht wie ein Renaissance-Gemälde! - phänomenal besetzt wurde, wenn die gute Frau im ganzen Film vielleicht drei Sätze sprechen darf. Immerhin überzeugen der erwähnte Pilatus und Simon von Cyrene, wobei vermutlich gar nicht viel mehr Raum für interessante Nebenfiguren blieb.
Gibson, der zusammen mit Benedict Fitzgerald das Drehbuch verfasste, konzentriert sich dann auch mit gutem Grund auf seinen "Titelhelden", beinahe perfekt besetzt mit James Caviezel. Dessen absolut überzeugender, eindringlicher Darbietung ist es zu verdanken, dass The Passion of the Christ funktioniert. Ihm, und auch der Regie. Man muss es schon zugeben, von vereinzelten Ausrutschern abgesehen ist Gibson ein Film gelungen, der den Zuschauer mächtig in den Bann zu ziehen vermag, sofern er sich denn darauf einlässt.
Gibsons Absicht war vermutlich simpel: Den Leidensweg Christi, wie er in der Bibel beschrieben wird, ungeschönt darstellen und der Ursprungsstunde des Christentums, der ultimativen Selbstaufopferung des Messias, ein emotional aufrüttelndes Denkmal setzen. Keine Frage, dabei geht Gibson ziemlich grob vor und verwendet filmische Mittel, die nicht zuletzt der russische Propagandafilm-Regisseur Sergej Eisenstein perfektioniert hat, um an den Gerechtigkeitssinn des Zuschauers zu appellieren und dabei eine möglichst starke emotionale Reaktion hervorzurufen. Dass dies in einer Drastik vollzogen wird, die zumindest ihm Historienfilm-Bereich seinesgleichen sucht, versteht sich bei Gibson beinahe schon von selbst. Nicht grundlos bezeichnet Roger Ebert The Passion of the Christ als den brutalsten Film, den er bisher gesehen hat. Im Grunde ist es eine zweistündige Gewaltorgie, eine drehbuchtechnisch nur lose Verknüpfung von sich steigernden Greueltaten, die den Leidensweg Christi bis hinauf nach Golgatha säumen. Und es gelingt Gibson mit seiner gekonnten Inszenierung tatsächlich, dieses Leiden für den Zuschauer zumindest annähernd nachvollziehbar zu machen. Gibson macht den staubigen Erdboden unter den Füssen, die blutüberströmte Dornenkrone auf dem Haupt und die gnadenlose Last des hölzernen Kreuzes auf dem Rücken tatsächlich fühlbar, er baut kontinuierlich eine erdrückende Mauer des Schmerzes auf, die sich je länger desto mehr um Jesus und damit auch um den Zuschauer schliesst.
Zugegeben, in der zweiten Hälfte schleppt sich er Film teilweise dahin, als hätte er selbst eine solche Last auf den Schultern zu tragen, und kann dem selbsternannten Anspruch, jedes Mal noch einen draufzusetzen und die Geschichte so bombastisch wie möglich abzuschliessen, schliesslich nicht standhalten. Doch auch wenn es leicht fällt, Gibsons pathetischen Stil zu kritisieren, verdient er mit seinem Unterfangen doch auch von nichtchristlicher Seite her Respekt, weil er - insgesamt gesehen - sein Ziel erreicht: The Passion of the Christ ist ein auf Zelluloid gebanntes Martyrium und die Neuauflage der Geschichte von der Geburtsstunde des Christentums in zeitgemässen, ungeheuer kraftvollen Bilder. Und bei all der stumpfen Brutalität und Holzhammer-Methoden, bei all dem Pathos und Kitsch, bei all dem Blut und Staub gelingt Gibson nicht zuletzt eine Rückbesinnung auf die eigentliche Kernaussage der Passionsgeschichte. Nach einer nur schwer ertragbaren, gnadenlosen zweistündigen Tortur gibt der Film dem Zuschauer schlussendlich die Möglichkeit, nicht nur das Ausmass der Leiden Christi, sondern auch die daraus resultierende Tragweite seiner Botschaft zu verstehen: Man soll eben nicht nur seine Freunde, sondern auch seine Feinde lieben. Auch in den schlimmsten Zeiten.
"The Passion of the Christ" ist der auf schonungslose Art und Weise gelungene Versuch, grenzenlosen Schmerz auf die Leinwand zu bringen, leider durchtränkt von anhaltendem Pathos und zu wenig gestützt von einem nur durchschnittlichen Drehbuch.
ca. 7 von 10 Punkten
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1 Kommentar:
Ein schockierender aber guter film - super blog - schau mal wieder vorbei
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