Samstag, 13. Dezember 2008

Down by Law (DVD Review)



Down by Law

Jim Jarmusch gehört wohl zu den ungewöhnlichsten amerikanischen Regisseuren der Gegenwart. Heute vor allem bekannt durch die Filme Broken Flowers und Ghost Dog, erfolgte sein Durchbruch schon 1986 mit Down by Law.

Handlung:
Jack und Zack sind überhaupt nicht gut drauf. Jack, dem Zuhälter, hat man eine Minderjährige untergeschoben und Zack, dem arbeitslosen Radio-DJ, eine Leiche im Kofferraum. Sie sitzen im Knast, können sich nicht leiden, und beschließen, nicht mehr miteinander zu reden. Jedenfalls so lange, bis Roberto zu ihnen stößt. Wie sich bald herausstellt, handelt es sich bei ihm nicht nur um einen äußerst kommunikationsfreudigen Italiener, sondern auch um einen wirklichen Verbrecher. Roberto hat nämlich eine Billardkugel nach jemandem geworfen, der daraufhin tot umgefallen ist. Und dafür kommt man eben ins Gefängnis. Roberto ist es dann auch, der eines Tages im Hof einen Fluchtweg entdeckt, worauf das ungleiche Trio einen Fluchtversuch startet.
(frei nach Wikipedia)

Wie der 9 Jahre später entstandene Dead Man hat Jarmusch auch "Down by Law" in schwarzweiss gedreht. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass er bei beidem Filmen mit zwei Musikern zusammenarbeitete, in ersterem mit Iggy Pop und Neil Young, hier mit John Lurie und Tom Waits. Beide und auch der dritte im Bunde, Roberto Benigni (Das Leben ist schön), sind engere Bekannte von Jarmusch, mit Lurie drehte er auch schon Stranger Than Paradise, mit Benigni Coffee and Cigarettes.
Man merkt es dem Film deutlich an, dass sich die vier hauptbeteiligten Künstler zusammengefunden zu haben, um gemeinsam eine Geschichte zu erzählen. Durch die Tatsache, dass die Schauspieler sehr gut zusammenarbeiten und jeder seine Rolle mit viel Engagement ausfüllt, erleichtert es Jarmusch, sofort eine Bindung zwischen den Charakteren und dem Zuschauer herzustellen. Dies ist denn auch nötig, denn "Down by Law" ist ein recht ungewöhnlicher Gefängnisfilm, teilweise geradezu eine Parodie auf die grossen Hollywoodwerke dieses Genres. Hier findet man keinen linearen, konsequenten Spannungsaufbau, kein grosses Drama, keine durch Mark und Bein gehende Intensität, ja Jarmusch ist an den Mechanismen des Justizsystems, am langsamen Entwickeln eines grossen Ausbruchplans schlicht nicht interessiert. Stattdessen richtet er das Augenmerk vollständig auf die drei zwischen Wänden und Gitterstäben eingeschlossenen Figuren und die Konflikte, die sich aus dieser Konstellation entwickeln. Es "geschieht" eigentlich wenig in diesem Film, die Handlung spielt sich nämlich auf einer anderen Ebene ab.

Zack und Jack sind Loser, zwei Möchtegern-John Waynes, die sich selbst als coole amerikanische Archetypen geben. Beide werden eingeführt, indem ihnen von Frauen die Leviten gelesen werden. Doch die Kritik prallt an ihrem Ego ab, Jack gibt sich lieber seinem melancholischen Elend hin und Zack schlendert durch die Strassen, als ob ihm die ganze Welt gehören würde. Auch im Gefängnis sind sie zu stolz, um über ihren Schatten zu springen, wollen stets ihren eigenen Weg gehen, prügeln sich, schweigen die meiste Zeit, und es dauert etwa ein halbes Jahr, bis sie sich erstmals näher kennen lernen.
Die Situation ändert sich radikal, als plötzlich Roberto in der Zelle steht, das ewige Plappermaul. Er ist es schliesslich, der die Dinge ins Rollen bringt, der die Flucht vorantreibt, das Trio zusammenschweisst und zusammenhält, in seiner naiven Einfältigkeit, seiner von Hollywood geprägten, idealen Vorstellung von Amerika und seiner Hilflosigkeit, welche dann auch Mitleid und einen gewissen Beschützerinstinkt in den anderen beiden weckt.

Es ist bemerkenswert, wie Jarmusch das Leben hinter Gittern eingefangen hat. Indem er die Kamera starr hält, auch ihr keinen Blick nach aussen gewährt und nachzeichnet, wie Zack und Jack langsam durchzudrehen scheinen, lässt er es den Zuschauer - ohne übertrieben emotional oder plakativ zu werden - hautnah miterleben, wie diese Situation an den Nerven zerrt. Mehr noch, Zeit scheint in diesem abgeschlossenen Raum keine Bedeutung mehr zu haben und wenn da nicht ein Kalender in Form von Strichen an der Wand wäre, würde sich scheinbar überhaupt nichts verändern. Im Gefängnis und auch auf der anschliessenden Flucht verlieren die Figuren nach und nach alles, was ihnen zuvor Halt gab im Leben und sie gleichzeitig dort verankerte, egal ob Frauen, Luxus, Stolz, Musik oder Roberto sein Englisch-Übersetzungsbuch. Auch kleine Dinge wie Zigaretten - der Inbegriff der oberflächlichen Männlichkeit - sind plötzlich aufgrund fehlenden Feuers zweckentfremdet und funktionieren nicht.

Und über die ganze Zeit schmückt Jarmusch seine Geschichte um die drei Männer mit skurilem Humor und absurden Situationen aus, wodurch sie dem Zuschauer je länger je mehr ans Herz wachsen, vor allem der gewohnt tapsige Benigni, aber auch der energische Lurie und der rauchige Waits.
"Down by Law" könnte man als Märchen bezeichnen, wenn auch ein ziemlich anspruchsvolles Märchen, denn die ganze Story ist höchst unwahrscheinlich und von starker Symbolkraft. Am Ende ist es dann auch Roberto, der zwar eine Schraube locker, aber ständig Glück zu haben scheint, dem dann das Glück auf wundersame Weise in den Schoss fällt und er genau dort ein neues Leben anfängt, wo die anderen beiden nur Gefahr vermuteten, wo sie lieber ihn geopfert haben, weil sie zu feige für ein Risiko waren. Schlussendlich ist Roberto zwar rechtlich gesehen der einzige Schuldige, weil er als David den Goliath besiegt und etwas Strafbares getan hat, aber schlussendlich ist er auch die einzige unschuldige Seele, die ihr Happy End verdient hat, im Gegensatz zu den vermeintlich coolen anderen beiden - die lieber ihren Träumen für Morgen nachhängen, während sie das heute versauen - welche zum ewigen Herumstreunern verdammt sind.

Unter dem Strich ist "Down by Law" wahrscheinlich kein Film, der für die grosse Masse geeignet ist. Aber in seiner ruhige Erzählweise strahlt er seinen ganz eigenen Charme aus, ist dazu noch klasse gespielt und hervorragend photographiert, weshalb man über Schwächen wie die Rolle von Benignis Ehefrau Nicoletta Braschi hinwegsehen kann. Ein Film über Amerika den Sumpf, den Kochherd der Völker, in dem der Abschaum oben auf schwimmt.

"Down by Law" ist eine herrlich schräge Komödie über drei Gefängnisinsassen, die sich nicht zu schade für künstlerischen Anspruch ist.

ca. 8 von 10 Punkten


Weitere Bilder:











1 Kommentar:

Alan_Mattli hat gesagt…

Ich liebe den Film! Die Langsamkeit und das völlig offene Ende machen "Down by Law" zu einem grossen Genuss!