Sonntag, 26. Februar 2012

Haywire (Review)



Haywire

Inhalt:

Ein Café in einer verschneiten Gegend in Upstate New York. Mallory (Gina Carano) tritt ein und setzt sich an einen Tisch. Wenig später fährt ein Auto vor und Aaron (Channing Tatum) steigt aus. Er betritt das Café und setzt sich Mallory gegenüber. Nach einem kurzen Wortwechsel schüttet er ihr heissen Kaffee ins Gesicht und schlägt sie zu Boden, doch sie wehrt sich und schafft es, ihn zu überwältigen, wobei sie ihm den Arm bricht. Hastig packt Mallory den sprachlos dastehenden Scott (Michael Angarano) und fragt ihn, wo sein Wagen stehe.
Auf der Fahrt erzählt ihm Mallory, wie es so weit gekommen ist: Sie ist Söldnerin und arbeitet für eine private Firma. Nach einem Auftrag in Barcelona, wo sie zusammen mit Aaron eine Geisel befreite, wurde sie von ihrem Auftraggeber Kenneth (Ewan McGregor) auf eine Mission nach Dublin geschickt, wo sie dem britischen Agenten Paul (Michael Fassbender) bei Verhandlungen beistehen sollte. Als sie dabei von Paul hinterrücks angegriffen wurde, kapierte sie, dass alles nur eine Falle war. Nun ist sie auf der Flucht. Doch wer ist alles in die Verschwörung gegen sie verwickelt?

Kritik:

Die Filmwelt horchte auf, als bekanntgegeben wurde, dass Steven Soderbergh für seinen Agententhriller Haywire eine der führenden Mixed-Martial-Arts-Kämpferinnen der Welt, Gina Carano, in ihrer ersten grösseren Filmrolle gecastet hatte. Soderbergh scheint ein Händchen für die Entdeckung von weiblichen Jungstars aus anderen Branchen zu haben - er besetzte bereits 2009 die Hauptrolle von The Girlfriend Experience mit der ebenfalls durch ihren "Körpereinsatz" bekannt gewordenen Pornodarstellerin Sasha Grey.

Bei Haywire zahlt sich dieses Casting mehr als aus. Wenn der Film eine unumstrittene Stärke hat, dann sind es seine in nicht geringer Zahl vorhandenen Kampfszenen: Knallhart, brutal und auf angenehme Weise auch glaubwürdiger als im üblichen Actionkino. Dies erstens, weil Carano keineswegs zur unbesiegbaren Kampfmaschine stilisiert wird, sondern auch mal Mühe hat, mit zwei Spezialeinheiten fertigzuwerden. Zweitens, weil hier niemand auch nur im Entferntesten auf den Gedanken kommen wird, es seien irgendwelche Stunddoubles im Einsatz gewesen und die Fights seien nicht 100-prozentig handmade. Nicht nur Carano, sondern auch ihre Co-Stars Channing Tatum (überraschend gut) und Michael Fassbender (warum wurde der eigentlich nicht als Bond gecastet?) geben vollen Einsatz und dürften Jason Statham ganz schön neidisch machen.

Die Intensität der Actionszenen wird auch dadurch verstärkt, dass Haywire formal für einen Agententhriller ziemlich ungewöhnlich daherkommt. In den Zeiten der Hyperwackelkamera dürften die vergleichsweise ruhigen, distanzierten Einstellungen des Filmes für manchen eine angenehme Abwechslung sein und verstärken den Realismus der Fights. Die karg und naturalistisch gehaltenen Bilder unterbinden jede Spur von Agentenglamour, und überhaupt vergeudet Soderbergh an den zahlreichen internationalen Locations keine Minute mit Sightseeing à la James Bond. Ungewöhnlich ist auch der im Siebziger-Stil gehaltene und etwas zu dominant eingesetzte Soundtrack.

Gut inszenierte Actionszenen nützen leider nicht viel, wenn man keine gute Geschichte zu erzählen hat, und tatsächlich macht das Drehbuch den Anschein, als sei es innerhalb von zwei Wochen hingeschludert worden. Die Handlung des Filmes enthält nichts, wirklich nichts, das man nicht schon in Dutzenden von anderen "Agent wird von seinen Auftraggebern übers Kreuz gelegt"-Filmen gesehen hätte - selbst wenn der Protagonist hier eine Frau ist (das hatten wir ja auch schon in Colombiana). An sich wäre das noch kein Problem, denn gerade Mission: Impossible - Ghost Protocol bewies ja kürzlich, dass auch alter Kaffee unterhaltsam sein kann, wenn er nur gut aufgewärmt wird. Dies lässt sich von Haywire nicht wirklich behaupten, denn der Film ist ein Chaos aus unschön verknüpften Rückblenden und funktioniert dramaturgisch nicht. Die gesamte erste Hälfte besteht daraus, dass Mallory mit Scott im Auto sitzt und ihm - warum auch immer - schön der Reihe nach erzählt, was ihr bis dato widerfahren ist, nur damit seine Figur dann plötzlich verschwindet und nicht mehr auftaucht. Was hat er in diesem Film zu suchen? Und überhaupt, wenn man die ganze Geschichte chronologisch erzählen will, warum dann die Rückblendenstruktur?

Auf dem Papier hat Haywire zweifellos die Zutaten für einen richtig fetzigen Actionstreifen: heftige Fights, einen visuell starken Regisseur und ein hochkarätiges Cast - wäre da nur eine richtige Geschichte vorhanden. So ist der Film schlussendlich nur ein weiterer Bourne-Verschnitt. Immerhin ein gut inszenierter.

ca. 6 von 10 Punkten


Dieses Review ist erschienen auf OutNow.

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