Donnerstag, 12. August 2010

Cyrus (Kino Review)



Cyrus

Cyrus wurde im Rahmen des 63. Filmfestival Locarno gezeigt.

Inhalt:

John (John C. Reilly) hat das Gefühl, das Leben würde an ihm vorbeiziehen: Er ist geschieden, lebt alleine in einer kleinen Wohnung und arbeitet nebenbei als Cutter. Nur mit Mühe kann ihn seine Ex-Frau Jamie (Catherine Keener) überzeugen, mit an eine Party zu kommen. Doch dort trifft er auf Molly (Marisa Tomei). Nicht genug, dass sie sexy, bodenständig und humorvoll ist, sie zeigt auch reges Interesse an John. Sie lernen sich näher kennen und gehen am Abend zusammen nach Hause. Am Morgen fühlt sich John, als wäre er eben erst neu geboren worden.
Zu viel des Guten? Sieht so aus, denn einige Tage später lernt John Cyrus (Jonah Hill), Mollys erwachsenen Sohn, kennen. Dieser ist komisch. Irgendwie. Der 21-jährige lebt zu Hause, wurde das Leben lang von seiner Mutter unterrichtet und ist gerade dabei, seine "Karriere" als Musiker zu lancieren. Anfangs lässt er sich zwar nichts anmerken, John wird aber bald klar, dass er als Eindringling in diesem Haus nicht goutiert wird. Doch für die Frau seiner Träume ist er bereit zu kämpfen.

Review:

Vergleicht man Cyrus mit Step Brothers, sind einige Parallelen augenscheinlich: Ähnliche Story (Erwachsener wohnt noch zuhause), selbes Genre (Komödie) und selber Hauptdarsteller (John C. Reilly). Letzterer darf hier aber in die umgekehrte Rolle schlüpfen, nämlich in die des Erwachsenen, während Jonah Hill den Nesthocker spielt. Auch sonst fallen bei genauerer Betrachtung grosse Unterschiede auf. Während Step Brothers ein für 65 Millionen Dollar produziertes Studioprodukt ist, kamen die Regisseure und Autoren von Cyrus, die Brüder Jay und Mark Duplass, gerade mal mit sieben Millionen Dollar aus. Der Film versteht sich dann auch viel mehr als Auteur- und Indiefilm.

Nebenbei ist Cyrus ein gutes Beispiel dafür, wie weit uns Dogma und andere Bewegungen um die Jahrtausendwende bereits gebracht haben. Die Duplass-Brüder zeigen nämlich ihre Vorliebe für den Doku-Style, indem sie das Geschehen mit Handkamera, abrupten Zooms und schnellen Schwenks inszenieren. Dazu kommt kaum zusätzliches Licht oder Nachbearbeitung des Materials am Computer, was zu einem stark naturalistischen Stil führt.

Auch für die Schauspieler war diese Art des Drehens eine Herausforderung und Erfahrung, wie Reilly 2010 an der Pressekonferenz in Locarno bemerkte. Am Set wurde angeblich auf genaue Vorgaben verzichtet, viel improvisiert und darüber hinaus chronologisch gedreht. Dieser Mut zahlt sich aus, denn Cyrus glänzt in erster Linie durch seine Schauspieler. Vor allem Reilly schafft es bereits in der ersten Szene, dem Zuschauer seine Figur unmittelbar nahe zu bringen, wobei er nicht - wie man es aus anderen Filmen kennt - einen totalen Looser spielt, sondern einfach einen normal guy mit Ecken und Kanten, aber auch positiven Seiten. Dabei ist Marisa Tomei (The Wrestler) natürlich wie immer hinreissend und überzeugt als sensible, übervorsichtige Mutter, auch wenn ihre Rolle in der zweiten Hälfte des Filmes an Gewicht verliert. Immer mehr rückt nämlich die Beziehung zwischen John und Cyrus in den Fokus. Jonah Hill lässt sich zwar im Prinzip auf den selben verdutzten Gesichtsaudruck aus Superbad reduzieren, meistert seine Aufgabe aber doch beachtlich und mischt die richtige Portion weirdness mit jugendlicher Verletzlichkeit.

Wenn wir schon dabei sind: Eine Gagparade à la Superbad sollte man bei Cyrus nicht erwarten. Der Film ist gewiss keine reine Komödie - dafür bietet er zu viel Drama. Und auch der Humor ist ziemlich schräg, ergibt er sich doch vor allem aus seltsamen Situationen und Gesprächen. Überhaupt mag Cyrus nicht besonders spannend, besonders aufregend oder besonders abgefahren sein - weil das Leben nun mal auch nicht so ist. Dafür erzählt er uns eine Geschichte von echten Menschen mit echten Problemen und Konflikten, die sich nicht einfach so lösen lassen. Im aktuellen amerikanischen Kino ist das leider zu selten der Fall.

ca. 7 von 10 Punkten

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