Donnerstag, 12. August 2010

Bas-Fonds (Kino Review)



Bas-Fonds

Bas-Fonds wurde im Rahmen des 63. Filmfestival Locarno gezeigt.

Inhalt:

Die drei jungen Französinnen Magalie, Marie-Steph und Barbara bilden eine etwas besondere Wohngemeinschaft: Sie leben in einem dreckigen, heruntergekommenen Apartment in der Vorstadt, wo Magalie, genannt Mag, und ihre kleine Schwester Marie-Steph den ganzen Tag nur rumsitzen, während Barbara tagsüber als Putzhilfe arbeitet. Der Alltag der Frauen ist so eintönig wie primitiv, geprägt von Alkohol, Sex und Gewalt, wobei letztere vor allem von der dominanten Mag ausgeht.
Eines Tages geschieht die Katastrophe: Als die drei eine Bäckerei überfallen, erschiesst Mag einen jungen Mann. Sie flüchten und entkommen der Polizei, doch von nun an ist nichts mehr wie vorher. Mag ist plötzlich seltsam verschlossen, während Marie-Steph und Barbara beginnen, sich einen verbissenen Kampf um ihre Zuneigung zu liefern. Das Unheil nimmt seinen Lauf.

Review:

Isild Le Besco ist vor allem bekannt als Schauspielerin in den Filmen von Benoît Jacquot, mit dem sie bisher ganze sechs Mal zusammenarbeitete. Nebenher ist die 27-Jährige aber auch als Regisseurin tätig. So war sie am 63. Filmfestival Locarno gleich doppelt vertreten, einerseits in Jacquots Au fond des bois, anderseits mit ihrem neuen Film Bas-Fonds.

Auch wenn sich der Film am Ende auf eine relativ klassische Verbrecherstory reduzieren lässt, deutet am Anfang kaum etwas darauf hin. Viel mehr wird der Zuschauer hineingeworfen in eine Gemeinschaft von drei Frauen, die sich am Rande der Gesellschaft befinden und von denen jeglicher Anstand, jede Moral oder Tugend längst abgefallen zu sein scheint. Ton angebend ist dabei Mags brutaler Charakter, der sich in dem isolierten Umfeld geradezu auf die Urtriebe zurückgebildet hat. Die Tatsache, dass Le Besco diese Umstände ungeschönt zeigt, könnte zahlreiche Zuschauer vor den Kopf stossen. Schliesslich zeichnet sich Bas-Fonds in erster Linie durch seinen Mut zur Hässlichkeit aus. Folglich wird der Grossteil der Story als intimes Kammerspiel inszeniert, das in seiner rohen Intensität hie und da durchaus auf den Magen schlagen dürfte. Auch das anfangs starke Overacting der Darstellerinnen könnte irritieren, schliesslich erweisen sich mindestens zwei der drei Hauptpersonen als völlig unfähig, normal zu kommunizieren.

Die Sache hat aber durchaus Konzept. So besteht die grosse Leistung des Filmes darin, dass es dem Zuschauer mit der Zeit gelingt, hinter die Fassade dieser angeblichen "Monster" zu blicken und Menschen zu sehen, deren Lebenssituation mitverantwortlich dafür ist, wozu sie geworden sind. Lässt man sich auf Bas-Fonds ein, entfaltet er das faszinierende Psychogramm einer Dreiecksbeziehung, die durch ein wechselndes Spiel von Abhängigkeit, Unterdrückung, Neid und Hass geprägt ist. Das ist in einem naturalistischen Stil fotografiert, mit unruhiger, schonungsloser Kamera gefilmt und teilweise stark elliptisch geschnitten - sprich: Le Besco begnügt sich oft damit, eine Szene nur anzudeuten, statt sie ganz zu zeigen. Zusammen mit dem elektrisierenden Soundtrack entsteht ein Sog, der den Zuschauer je länger, desto mehr in einen Strudel von Macht und Gewalt hinunterzieht.

Was macht einen guten, was macht einen schlechten Menschen aus? Diese Frage stellt Le Besco mit ihrem Film, ohne eine klare Antwort geben zu können. Stattdessen erzählt sie uns eine Geschichte, die trotz der harten Realität, dem pessimistischen Grundton und dem unausweichbaren Ende schlussendlich von drei Frauen handelt, die sich lediglich nach menschlicher Zuneigung sehnen. Bas-Fonds ist ein Film über die Liebe und die tiefen Abgründe, in welche die Suche danach führen kann.

ca. 8 von 10 Punkten

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