Samstag, 16. August 2008

Before the Devil Knows You're Dead (Kino Review)



Before the Devil Knows You're Dead

May you be in heaven half an hour 
before the devil knows you're dead.   
- Irischer Trinkspruch

Manche Menschen gehen mit 60 in die Pension, aber nicht Sidney Lumet. Der Regieveteran, der in seinen Filmen schon Stars von Henry Fonda bis Al Pacino gross machte, scheint auch mit 84 noch putzmunter und dreht weiterhin fröhlich Filme. Und der alte Hase kann das besser als je zuvor.

Andi hat ein Problem. Er hat über längere Zeit Gelder seiner Firma veruntreut und erfährt nun, dass eine Kontrollbehörde kommt. Auch bei Hank steht es nicht gerade gut, steckt er doch bis zum Hals in den Schulden. Andi und Hank sind Brüder. In ihrer Not beschliessen sie, den Juwelierladen ihrer Eltern auszurauben. Schliesslich haben sie dort gearbeitet, wissen also genau Bescheid und die Eltern sind ja sowieso versichert - ein todsicheres Ding. Doch es kommt anders.

New York ist ein Planet. Der Weltstadt wurden schon unzählige filmische Denkmäler gesetzt, darunter auch einige von Lumet wie Dog Day Afternoon. Auch Before the Devil Knows You're Dead spielt in NY. Hier erleben wir eine Geschichte, die so realistisch ist, wie man es am liebsten gar nicht wahrhaben würde. Lumet stellt uns gnadenlos ehrlich vor die Tatsache, dass Menschen alles für Geld tun, und ihre Konsequenzen. Dabei bietet er zwar klassisches Psycho-Kino, verpackt es aber in eine moderne Form, nämlich indem der Film das Geschehen aus verschiedenen Perspektiven und in Fragmente zerlegt zeigt, sodass der Zuschauer erst mit der Zeit ein klares Bild der Ereignisse erlangt. Das mag auf den einen oder anderen verwirrend wirken, schafft aber - sofern man mit Interesse dabei ist - gehörige Spannung. 

Das Drehbuch ist das Debüt von Theaterautor Kelly Masterson und besticht in erster Linie durch eine verblüffend glaubwürdige, höchst durchdachte Charakterzeichnung. Im Scheinwerferlicht stehen zwei sehr unterschiedliche Brüder, die im Leben versagt haben und in ihrer Verzweiflung einen gefährlichen Schritt wagen. Der Film lebt von seinen psychologischen Konflikten, was natürlich zu einem grossen Teil den Schauspielern zu verdanken ist. Philip Seymor Hoffman in einer weiteren Hauptrolle sehen zu dürfen, ist ein Genuss, und er liefert eine grossartige Leistung. Ethan Hawke (Dead Poets Society) macht hier wieder mal das, was er am besten kann: das Weichei spielen. Diese Rolle beherrscht er wirklich grandios und sprüht nur so von innerer Zerrissenheit. Auch der Rest des Castes spielt unter Lumets Hand beachtlich und ergänzt sich zu einem überzeugenden Ensemble, das sich in einem gegenseitigen Netz von verzwickten zwischenmenschlichen Beziehungen befindet. Das ist Schauspielkino der alten Schule, sicher nicht jedermanns Sache. Schade, dass das Ende etwas befremdend und lieblos wirkt. 

Man mag nach diesem Film nicht wissen, in welcher genauen Reihenfolge die Szenen stehen, wie es in der Geschichte so weit kommen konnte oder wie jemand so viel Pech haben kann, aber eines weiss man: The world is an evil place. Das Geld ist der Teufel unserer Gesellschaft, die Gier danach die verbreitetste Sünde. Es ist allgegenwärtig, es scheint beinahe allmächtig, es ist das Schmieröl in den Getrieben des Bösen. Es verfolgt uns. Andi und Hank versuchen, diesem Teufel zu entkommen, indem sie mit einer Sünde die andere bereinigen. Doch es kommt, wie es kommen muss: Beide werden hineingerissen in eine Spirale des Bösen, die mit jeder Drehung schlimmere Züge annimmt. Denn irgendwann holen uns alle unsere Sünden ein, das scheint der Film uns sagen zu wollen. Auch wenn Andi in seiner Verzweiflung alles daran setzt, seiner Welt zu entkommen, in das Land des Glücks zu fliehen und ein neues Leben anzufangen, bevor sie ihn einholen. Eben. May you be in heaven, half an hour before the devil knows you're dead.

"Before the Devil knows you're dead" ist ein Psychodrama über zwei Männer im Strudel des Bösen: packend erzählt, furios gespielt.

aufgerundet ca. 9 von 10 Punkten

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